Wie Herbert Diess sich aus Wolfsburg verabschiedet

Zum Abschied durfte Herbert Diess sich noch einmal richtig in Szene setzen. Vergangene Woche begleitete er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dessen Reise nach Kanada – und unterzeichnete dort ein Abkommen zur Lieferung von Batterierohstoffen. Das, so der Plan, soll den Weg ebenen für die von Diess angekündigte Batteriezellfabrik in Nordamerika, die dort nach dem Vorbild von Salzgitter entstehen soll.

Wenn das weltweite Top-Management des Konzerns am morgigen Donnerstag in Lissabon zur alljährlichen Führungskräftekonferenz zusammenkommt, wird Diess dagegen nicht mehr dabei sein. Die Geschäfte führt dann bereits Porsche-Chef Oliver Blume, der gleich an seinem ersten Arbeitstag im neuen Job die Führungskräfte aus aller Welt in Portugal zusammentrommelt. Diess ist nur noch Zaungast.

Bei der letzten derartigen Zusammenkunft vor einem Jahr im österreichischen Alpbach hatte Diess noch seinen Duzfreund, Tesla-Chef Elon Musk, per Videoschlate  dazugeholt – sehr  zum Entsetzen viele Manager. Dass er in diesem Jahr nicht mehr dabei sein würde, ahnte Diess selbst vor fünf Wochen noch nicht. Die Ablösung vor fünf Wochen kam für ihn genauso unerwartet wie für die meisten anderen.

Erst einen Tag vor seinem Rauswurf hatte das Aufsichtsratspräsidium Diess einbestellt - und ihm verkündet, dass er gehen müsse. An die Öffentlichkeit drang davon zunächst nichts. Erst einen einen Tag später wurde der Wechsel verkündet: Diess scheidet am 31. August als Vorstandsvorsitzender aus, Blume übernimmt einen Tag später, zusätzlich zu seinem Job als Porsche-Chef, den er behält.

Selbst engste Mitarbeiter von Diess wurden von der Ankündigung kalt erwischt. Anders als im vergangenen Jahr beim Machtkampf mit dem Betriebsrat war dieses Mal vorher nichts durchgesickert. Und Diess selbst zog dann bis zum Ende durch: Noch Anfang der Woche besuchte er das Werk in Hannover, seine letzten Arbeitstag nutzte er dann nach Informationen der Automobilwoche noch einmal für eine Konzernvergleichsfahrt.

Seinen Ausstand hatte er allerdings schon am vergangene Donnerstag gegeben. 40 enge Weggefährten lud er zur Abschiedsfeier. Personalvorstand Gunnar Killian soll einem Bericht zufolge ausdrücklich nicht eingeladen worden sein. Und dem Vernehmen nach fehlten auch andere Vorstände, etwa Rechtsvorstand Manfred Döss, der als enger Vertrauter der Familien Porsche und Piech gilt, die am Ende Diess Ablösung betrieben hatten.

Ganz gehen muss Diess aber nicht. Sein Vertrag war erst vor einem Jahr bis zu seinem 67. Geburtstag im Oktober 2025 verlängert worden. Und dieser Vertrag laufe auch weiter, nur eben nicht in der Funktion des Vorstandschefs. Dem vernehmen nach soll Diess nun einen Beratervertrag erhalten, sein Vorstandgehalt aber weiter beziehen. Sein Büro im 13. Stock des Markenhochhauses, in dem Diess vier Jahre lang residierte, muss er aber für Blume räumen.

Ein Vorbild gibt es dafür in Wolfsburg bereits: Bernd Pischetsrieder. Auch er hatte 2006 kurz vor seiner Absetzung noch einen neuen Vertrag bis April 2012 erhalten. Und der wurde dann auch bis zum Schluss erfüllt. Die Frage, was macht eigentlich Bernd Pischetsrieder, wurde in Wolfsburg dann schnell zum geflügelten Satz. Die vielsagende Antwort der VW-Spitze: Es mache das, was man ihm sage. Und inoffiziell: Möglichst wenig und sich selten in Wolfsburg blicken lassen.