Herr Winkelmann, trotz Pandemie und Chip-Krise verbuchte Lamborghini 2021 Rekordverkäufe. Für Sie könnte die Lage doch ewig so bleiben, oder nicht?
Mit dem Verlauf des Jahres sind wir wirklich sehr zufrieden. Wir konnten trotz Chipkrise ein neues Rekordjahr verbuchen. Wir sind natürlich stolz auf das, was wir erreicht haben im Jahr 2021.
Geht es 2022 so weiter?
Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir 2022 schon fast ausverkauft sind. Das ist ja schon einmal ein sehr gutes Signal. Wenn sich nichts Negatives ergibt in den nächsten Monaten, müsste 2022 noch einmal ein tolles Jahr werden.
Wie weit reicht der Auftragsvorlauf denn?
Wir sind bei ungefähr einem Jahr Auftragsvorlauf. Wir sind gerade dabei zu prüfen, ob wir die Produktion steigern und hier noch etwas zulegen können, um die Wartezeit für die Kunden nicht über ein Jahr hinaus anwachsen zu lassen. Da geht es um Tagesproduktionen, das sind aufs Jahr gesehen vielleicht ein Paar Hundert Einheiten.
Wie schaffen Sie es, trotz Chipmangel an genug Halbleiter zu kommen? Ihre Mütter VW und Audi haben ja sehr zu kämpfen und mussten die Produktion drosseln.
Natürlich sind wir teilweise bevorzugt vom Konzern beliefert worden. Weil wir im Verhältnis zum Konzern nur sehr kleine Volumen haben, haben wir hier einen Vorzug bekommen. Bis jetzt, toi, toi, toi! Und für die Modelle, die keine Konzernplattformen nutzen, haben wir uns auf dem freien Markt bedient. Bis jetzt ist das gut gelaufen, auch wenn die Preise rasant gestiegen sind. Das ist natürlich ein wöchentlicher wenn nicht täglicher Kampf. Aber wir haben bis jetzt immer das bekommen, was wir brauchen.
60 Prozent der Verkäufe entfallen auf den Urus, der ja eher ein SUV ist. Sind Sie überhaupt noch eine Sportwagenmarke?
Lamborghini war von jeher keine reine Supersportwagenmarke. Im Gegenteil. Lamborghini ist als GT-Fahrzeug auf die Welt gekommen, mit dem 350 GT. Wir hatten den Espada, wir hatten mehrere GTs in den vergangenen Jahrzehnten. Und der Urus hat gezeigt, dass die Marke solche Fahrzeuge nicht nur sehr gut darstellen kann, sondern dass sie auch sehr erfolgreich sind. Wir haben neben den klassischen Supersportwagen wie Aventador und Huracan mit dem Urus einen Supersportwagen in seinem Segment.
Sie investieren 1,5 Milliarden Euro in Ihre Hybrid-Strategie, wollen 2023 und 2024 alle Baureihen hybridisieren. Rechnet sich das bei nur gut 8000 Fahrzeugen pro Jahr?
Das lohnt sich auf alle Fälle. Wir sind finanziell sehr gut aufgestellt und wir haben pro verkauftem Fahrzeug eine sehr gute Marge. Das ist eine sehr wichtige Investition in die Zukunft, die sich rentieren wird. Wir reden ja von mehr als 1,5 Milliarden Euro nur in der ersten Phase, bis die Hybridisierung abgeschlossen ist. Hier haben wir das vierte Modell, das dann rein elektrisch sein wird, noch nicht einmal mit drin. Das ist dann eine zusätzliche Investition.
Auch ihr erstes Elektroauto soll kein reinrassiger Supersportwagen werden. Was können wir erwarten?
Das wird ein völlig neues Auto. Es wird das erste vollelektrische Fahrzeug von Lamborghini sein, es wird unsere vierte Modellreihe sein, und es wir ein Fahrzeug sein, das einen für uns neuen Body Style hat. Die Idee ist ein Viersitzer, 2+2, etwas höher ist als ein normales GT-Fahrzeug. Daran arbeiten wir. Es ist aber noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Doch soviel kann ich schon versprechen: Es wird ein echter Lamborghini werden.
Und wann kommt er? Man hört von 2027 oder 2028.
Es gibt da noch keinen festen Termin. Wir sagen, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts.
Ihre Mutter Audi setzt mit dem Artemis-Projekt voll aufs autonome Fahren. Wird es das auch bei Lamborghini geben?
Derzeit gibt es ja drei Megatrends: Elektrifizierung, Digitalisierung und das autonome Fahren. Bei den ersten beiden sind wir voll dabei, beim dritten bis zu einem gewissen Grad. Alles, was hilft, im normalen Verkehr Zeit zu gewinnen, in der man sich um andere Dinge kümmern kann, sind Themen, die auch uns sehr beschäftigen. Aber ein rein autonomes Fahrzeug ist bei uns nicht geplant. Auch nicht in Zukunft.
Wie weit würden Sie denn gehen?
Bei einem alltagstauglichen Fahrzeug wie dem Urus oder der vierten Baureihe kann ich mir schon vorstellen, dass wir in den 30er-Jahren in gewissen Situationen bis Level 4 gehen. Im Stau oder wenn man mit Tempo 30 oder 40 dahinrollt werden ohnehin keine Emotionen geweckt. Da kann man dann schon ins Auge fassen, den Kunden die Möglichkeit zu eröffnen, die Hände vom Lenkrad zu nehmen und etwas anders zu machen. Da bin ich sehr offen und auch pragmatisch. Ich rede jetzt aber nicht von den beiden Supersportwagen sondern von den anderen Modellen. Die sollen ja auch alltagstauglich sein.
Sie selbst waren ja bis vor kurzem auch Bugatti-Chef, jetzt ging Bugatti an ein Joint-Venture mit Rimac. Schmerzt es Sie, dass die Marke nicht mehr zum Konzern gehört?
Ich bin natürlich ein Liebhaber von Marken wie Bugatti und Lamborghini. Ich bin sehr stolz, dass ich die Möglichkeit hatte, fast vier Jahre an der Marke Bugatti mitzuarbeiten, zusammen mit einer sehr motivierten Mannschaft. Und wenn es jetzt die Möglichkeit gibt, diese Marke außerhalb des Konzerns zu entwickeln, dann bin ich froh, dass es eine Zukunft für die Marke gibt. Denn Marke geht über alles.
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