Mercedes stärkt die Entwicklung von Fahrzeugen für den chinesischen Markt und hat neben Peking inzwischen einen neuen Entwicklungsstandort in Shanghai mit einer Vielzahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eröffnet. „In diesem Bereich haben wir in den letzten Monaten viel Personal aufgebaut und unsere Mannschaft in China von rund 1.200 auf jetzt etwa 2.200 Entwickler fast verdoppelt“, sagt Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer im Exklusiv-Interview mit der Automobilwoche. Diese Personaloffensive sei nun beinahe vollständig abgeschlossen: „Es wandert also zukünftig deutlich mehr Verantwortung nach China.“
Die Themen Digitalisierung und automatisiertes Fahren würden vor allem in China entschieden vorangetrieben. „Hier findet der Wandel in einem unglaublichen Tempo statt, es herrscht eine ganz andere Geschwindigkeit. Dafür brauchen wir lokale Lösungen, die wir schnell umsetzen können“, betonte Schäfer.
Zugleich erwartet einen deutlichen Leistungssprung durch KI. „Wir sind überzeugt, dass unsere Software-Entwickler innerhalb der nächsten zwölf Monate dank künstlicher Intelligenz eine Effizienzsteigerung von rund 30 Prozent erzielen können, wenn Algorithmen sie beim Schreiben der jeweiligen Software unterstützen“, ergänzte der Mercedes-Entwicklungschef. In jedem Fahrzeug seien 100 Millionen Zeilen Code und nicht jedes Fahrzeug habe den gleichen Code. „Wenn wir bestimmte Routinen da jetzt mithilfe Künstlicher Intelligenz programmieren, geht eine Anpassung recht schnell“. Die Früchte dieser Arbeit sollten sehr schnell geerntet werden können.
Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Markus Schäfer aus der neuen Automobilwoche:
Herr Schäfer, welche Bedeutung hat die diesjährige IAA für Mercedes?
Markus Schäfer: Unter allen Automobilmessen weltweit steht die IAA bei uns immer noch sehr hoch im Kurs. Sie ist weiterhin eine internationale Plattform und ich fühle in diesem Jahr ein wieder gesteigertes Interesse an dieser Messe. Wir werden die IAA nutzen, um unseren nächsten Schritt in Richtung Elektromobilität zu zeigen und dabei unser Concept CLA Class vorstellen.
Was kann die Branche von diesem Fahrzeug erwarten?
Das Concept CLA Class ist das erste Produkt, das einen Eindruck von unserer neuen MMA-Plattform bietet. Ende 2024 werden wir die Serienversion des CLA vorstellen – damit erreichen wir eine neue Dimension. Erstmals haben wir unser eigenes Betriebssystem MB.OS in einem Serienfahrzeug verbaut und halten damit alle zentralen Domänen eines Fahrzeugs über die gesamte Architektur selbst in der Hand. Das ist ein Meilenstein für Mercedes. Zum ersten Mal in unserer Geschichte haben wir die volle Hoheit über die Daten, die elektronische Architektur, die dazugehörige Software und natürlich die Hardware.
Wie profitiert der Kunde davon?
Indem wir die Benchmark bei Reichweite, Ladezeiten und Verbrauch liefern werden. Mit der MMA-Plattform sind wir in der Lage, über 750 Kilometer elektrische Reichweite anzubieten, bei Ladezeiten von 15 Minuten für 400 Kilometer Reichweite und einem Verbrauch, der bei rund 12 Kilowattstunden pro 100 Kilometer liegen wird. Wir setzen damit nicht nur Maßstäbe in einem Segment, sondern im globalen Wettbewerb. Aus Sicht des Verbrauchs eines Verbrenners betrachtet, bringen wir mit der MMA-Plattform quasi das Ein-Liter-Auto unter den BEV-Angeboten.
Wie nah ist das jetzt gezeigte CLA-Visionsfahrzeug schon an der Serienversion des CLA Ende 2024?
Noch nicht jede Ausprägung entspricht der späteren Serie, aber unser wassergekühlter Supercomputer wird bereits so wie im Serienfahrzeug verbaut sein. Ich würde sagen, das Concept CLA Class ist technisch schon sehr nah an der Serienversion.
Sie schrumpfen für die MMA-Plattform ihre kompakten Fahrzeugangebote von sieben auf vier Modelle zusammen. Welche Segmente werden Sie mit diesen vier Modellen noch besetzen?
Wir werden unsere Angebote nach oben weiterentwickeln. Es ist schwierig, das in Segmenten auszudrücken, aber das klassische Kompaktsegment werden wir verlassen und uns stattdessen auf ein größeres Raumangebot konzentrieren.