Der erste Elektro-Touring kommt von Nio

Ein bisschen Provokation gehört bei Nio einfach dazu. Nach dem langwierigen Markenrechtsstreit mit Audi um die Modelle ES6 und ES8 bringen die Chinesen jetzt einen weiteren Elektro-Kombi nach Europa. Der Name: ET5 Touring. Das Fahrzeug wurde jetzt in München vorgestellt und gehört bisher zu wenigen E-Angeboten mit dieser Karosserieform. Marktstart wird im vierten Quartal 2023 sein und damit voraussichtlich nur wenige Wochen vor dem Start des ersten elektrischen BMW-Kombis, der – ganz nach lange etablierter Nomenklatur der Münchener – voraussichtlich i5 Touring heißen wird.

Die gute Nachricht für Nio ist: Anders als Audi kann BMW den neuen Rivalen aus China dafür vermutlich nicht verklagen. Die Bezeichnung "Touring" ist nicht durch BMW geschützt. Auch u.a. Toyota hat beispielsweise eine "Touring"-Version des Corolla im Angebot. Mit ihrer zuladungsstarken Version des ET5 bringt Nio jetzt also forsch den ersten Elektro-Touring und kann die Verantwortlichen im BMW-Vierzylinder damit auch ein klein wenig ärgern. Es ist zudem automatisch ein Signal an die Branche, die zuletzt zunehmend kritisch auf Nios weltweit schwache Absatzzahlen blickte.

Dabei zeigen die Chinesen mit dem ET5 Touring einmal mehr, dass sie wirklich schöne Autos bauen können. Chefdesigner Kris Tomasson, einst ausgerechnet bei BMW Designer der ersten i-Modelle, verpasste dem ET5 in seiner Kombiversion eine klare, schlanke Dachlinie und sorgte so für 492 Liter Kofferraumvolumen. Bei umgeklappten Rücksitzen sind es sogar 1300 Liter. Das Design des Fahrzeugs ist so für den europäischen Markt voll tauglich.

Als Kombi ist der ET5 4,79m lang und 1,49m hoch. Der Radstand bleibt bei 2.888mm. Genug Performance, um auch bei voller Zuladung von 540 Kilogramm und 1,4 Tonnen Anhängelast an der Ampel mit jedem leistungsstarken Verbrenner mitzuhalten, bietet der bereits in der Limousine des ET5 erprobte Antrieb mit 360 kW Leistung (490 PS). 

Gute Argumente für sportliche Kunden im Kampf um Marktanteile bei den wenigen elektrischen Kombis, die aktuell verfügbar sind. Den in Deutschland seit März 2022 verfügbaren MG5 überflügelt der ET5 Touring locker. Auch Porsches Taycan Sport Turismo kommt nur auf 380 PS. Opels vollelektrischer Astra Electric Sports Tourer (ebenfalls noch in diesem Jahr auf dem Markt) richtet sich ohnehin an eine andere Zielgruppe.

Spannend wird es wieder beim Thema Vertrieb: Hier war Nio seit dem Marktstart in Europa im vergangenen Oktober wegen zu hoher Preise und dem Fokus auf ein Abo-Modell immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Das selbstbewusste Auftreten der Chinesen hat sich in dieser Hinsicht auch beim ET5 Touring nicht geändert. Dem Grundpreis von 47.500 Euro folgt ein Battery-as-a-Service-Modell mit 75 kWh (12.000 Euro Kaufpreis oder 169 Euro monatlich), oder 100 kWh (21.000 Euro Kaufpreis oder 289 Euro monatlich). An seiner Preispositionierung im Premium-Segment hält Nio damit eisern fest.

Im Abo kostet der ET5 Touring bei 36 Monaten Laufzeit mit der kleineren Batterie 1119 Euro, mit der größeren Batterie 1249 Euro. Damit liegt der Kombi noch mal über der Limousine des ET5, die bei 36 Monaten Laufzeit ab 999 Euro verfügbar ist. Ob der chinesische Hersteller das langfristig allerdings so durchhalten wird, ist offen. In China senkte Nio zuletzt die Preise um umgerechnet 4200 Dollar pro Fahrzeug.

Im Rahmen der Präsentation des ET5 Touring zeigte Nio noch ein weiteres Modell. So wird das bereits seit 2020 in China verfügbare SUV ES6 in seiner aktualisierten Facelift-Version auf der neuen Technologie-Plattform NT 2.0 ebenfalls im vierten Quartal 2023 auf Nios europäischen Märkten Deutschland, Niederlande, Schweden, Norwegen und Dänemark an den Start gehen. Der Grundpreis hier: 53.500 Euro plus die dem ET5 Touring gleichen Batteriepreise. Im Abo kostet das SUV bei 36 Monaten Laufzeit 1179 Euro (75 kWh-Batterie), bzw. 1309 Euro (100 kWh).

Ärger mit der Konkurrenz ist zumindest beim Namen EL6 allerdings definitiv auszuschließen. Außerhalb der europäischen Märkte vertreibt Nio das Fahrzeug als ES6, so auch auf der Auto Shanghai im vergangenen April. Um offenbar weiterem Ärger mit Audi aus dem Weg zu gehen, heißt es auch auf dem deutschen Markt zukünftig aber EL6.

Gegen das erste Urteil aus dem vergangenen Januar, das Nio wegen einer Markenrechtsverletzung von Audis S6, S7 und S8 eine Werbung in Deutschland mit den Namen ES6, ES7 und ES8 untersagte, legten die Chinesen allerdings Berufung ein. Die Begründungspflicht dafür läuft weiter. Auch das zweite Elektro-SUV in Europa, den ES7, benannte Nio vor dem Marktstart in Europa noch kurzfristig in EL7 um.

Aus dem Datencenter:

Top-30-Modelle in Deutschland im Mai 2023