Dass er Change kann, hat Peter Bosch schon nach seinem Wechsel zu Bentley bewiesen. Bei der Marke Volkswagen hatte er sich bis dahin sechseinhalb Jahre lang um die Optimierung, Strategie, Prozesse und Strukturen des globalen Produktionsnetzwerks gekümmert, bei Bentley sorgte er dann ab Ende 2017 als Produktionsvorstand dafür, dass aus dem verlustreichen Sorgenkind mit fast roboterfreier Montage eine Ertragsperle wurde.
Für ihn sei es ein Unterschied wie Tag und Nacht gewesen, erzählte Bosch einmal selbst. Ging es bei VW vor allem um Taktzeit und Effizienz, so ging es jetzt darum, jeden noch so ausgefallen Kundenwunsch zu erfüllen. Hauptsache, der Kunde bezahlt. Am Bentley-Stammsitz in Crewe erzählen seine Mitarbeiter gern, dass Bosch einmal ein Team an den Golf fliegen ließ, um die Lackfarbe des vom Scheich bestellten Autos an den Nagellack seiner Frau anzupassen.
Der erste Tag des neuen Cariad-Chefs
Aus dem Bentley-Vorstand an die Spitze von Volkswagens Software-Schmiede Cariad. Am heutigen 1. Juni tritt Peter Bosch sein Amt an. Auf ihn warten gewaltigen Aufgaben. Die Automobilwoche zeigt, wie die neue Nummer 1 bei der Cariad tickt.
Mit dem Aufstieg zum Cariad-Chef als Nachfolger des glücklosen Dirk Hilgenberg muss Bosch nun wieder zurück auf Tempo statt Sonderlacke schalten. Dass ihm das gelingt, daran hat im Konzern niemand einen Zweifel. Schließlich war es ihm schon gelungen, aus dem defizitären Bentley-Fertigungskonzept ein Erfolgsmodell zu machen. Die hochflexible Kleinserienmontage machte er plötzlich beherrschbar.
Bosch gilt zudem als treibende Kraft hinter der „Beyond100“-Strategie, mit der Bentley bis 2030 zur reinen E-Auto-Marke werden soll. Und anders als sein oft steif wirkender Vorgänger bei Cariad beherrscht Bosch auch die große Bühne. Und das, ganz ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Für den 48-Jährigen bedeutet der Wechsel zur Software-Schmiede des Konzerns nun den größten Karrieresprung, der sich aber bereits im vergangenen Jahr angedeutet hatte: Schon damals hatte Blume ihn an die Spitze des Aufsichtsrats der neuen US-Marke Scout gesetzt, für die Verkündung des Werksneubaus in South Carolina reiste Bosch dann im März selbst in die USA.
Dass er sich nicht nur mit Produktion, um die er sich im Konzern seit 2011 kümmert, auskennt, hatte er bereits zuvor bewiesen: Vor seinem Wechsel zu VW er zehn Jahre lang Berater für die Autoindustrie bei der Strategieberatung Oliver Wyman und dort auch für Technologie und Innovation zuständig.
Mit Konzernchef Oliver Blume, der selbst lange Jahre Produktionsvorstand bei Porsche war, verbindet ihn nicht nur der Produktionshintergrund. Bosch ist wie sein Chef ein echtes VW-Gewächs. Seit 2011 ist er im Konzern, kennt Wolfsburg aus seiner Zeit dort ebenso wie die Welt der Konzerntöchter nach seinem Wechsel zu Bentley.
Und vor allem seinen Konzernchef: Schließlich war Blume vor seinem Aufstieg zum Konzernchef im vergangenen Jahr im Konzernvorstand für die Produktion zuständig und kennt seinen Mann in Crewe entsprechend gut. Und auch aus der Zeit bis 2021, als Bentley im Konzern Blumes Marke Porsche unterstellt war.
Bosch galt schon damals als zentrale Figur des Bentley-Sanierung, die Blume als Porsche-Chef eng begleitet hatte. Die Edeltochter hatte noch 2018 fast 300 Millionen Euro Verlust eingefahren, 2022 übertraf Bentley nun mit fast 22 Prozent Umsatzrendite sogar die Ertragsperle Porsche. Dass Blume ihm bei Cariad nun neben dem CEO-Posten auch gleich das Finanzressort mit anvertraut, ist da nur naheliegend. Schließlich hat Bosch nicht nur einen Abschluss in Maschinenbau, sondern auch einen in Wirtschaftswissenschaften.
Ganz neu ist die Aufgabe bei Cariad für Bosch nicht. Er hatte bereits zuvor an der Neuaufstellung der kriselnden Tochter federführend mitgearbeitet. Schließlich ist von dem Software-Debakel, dem bei Audi bereits das ambitionierte Artemis-Projekt zum Opfer fiel, auch Bentley betroffen: Artemis sollte eigentlich die Plattform für das erste E-Modell von Bentley liefern. Jetzt soll es nur eine bei der Software abgespeckte Version geben, die Bentley dann in seiner neuen Dream Factory in Crewe auf Luxus trimmen will.
Wie wichtig die Software ist, hatte Bosch dabei schon vor einem Jahr klargestellt. „Volkswagen entwickelt sich zu einem softwaregetriebenen Unternehmen“, schrieb er damals nach einem IT-Gipfel in Ingolstadt. „Wir werden schneller, effizienter und kundenorientierter und wir werden in der Lage sein, Produkte zu bauen, die andere nicht bauen können.“ Genau das muss er nun bei Cariad unter Beweis stellen.
Aus dem Datencenter: