Herr Rupp, wissen Sie noch, was Sie am 20. August 2002 gemacht haben?
Als in Leipzig der Cayenne vor rund 20 Jahren anlief, leitete ich bei Audi in Ingolstadt den Bereich Konstruktion Anlagenbau. Im Rahmen dieser Aufgabe war ich sogar am Projekt Cayenne beteiligt. Mit meinem Team konstruierte ich damals im Konzernverbund Anlagen für den Karosseriebau des VW-Werks Bratislava. Konkret für die Front- und Heckklappe des Cayenne.
Hätten Sie damals gedacht, dass Sie einmal als Werkleiter in Leipzig sitzen würden?
Nein, dass ich später so viel Glück haben durfte, das hätte ich mir damals nicht vorstellen können. Vor 20 Jahren war auch noch nicht abzusehen, dass sich der Standort so entwickeln würde.
Sie waren außer in Ingolstadt auch in Barcelona und in Wolfsburg. Was ist in Leipzig anders?
Leipzig hat einen ganz besonderen Spirit, eine eigene Kultur. Hier ist aus einem kleinen Werk mit anfangs rund 260 Mitarbeitern innerhalb von 20 Jahren etwas Großes entstanden. Die Menschen waren für diese Entwicklung entscheidend. Der Teamgeist, der Einsatz, die Leidenschaft, der Drang, sich immer wieder aufs Neue zu beweisen. Das kann man auch heute noch überall spüren. Das ist Herzblut durch und durch.
Vor fünf Jahren übernahmen Sie die Werkleitung und bekamen wenig später einen großen Ausbau mit auf den Weg. Wussten Sie vorher, was auf Sie zukommt?
Die finale Standort-Entscheidung war zu dem Zeitpunkt noch nicht gefallen. Es war aber klar, dass es für den Macan einen Nachfolger geben soll. Wir haben uns zu der Zeit noch dafür stark gemacht, dass das Modell nach Leipzig kommt. Dass Leipzig 2018 den Zuschlag erhielt, war aus meiner Sicht dann auch genau die richtige Entscheidung.
Wie weit sind Sie denn mit dem Ausbau für den E-Macan?
Wir liegen gut im Zeitplan. Der neue Karosseriebau ist fertiggestellt, die Integrationsarbeiten in der Montage und in der Lackiererei sind weitestgehend abgeschlossen. Die Vorserienproduktion läuft, die Markteinführung vor Kunde ist für 2024 geplant.
Was waren dabei die größten Herausforderungen?
Der neue Karosseriebau ist mit 75.000 Quadratmetern Fläche das größte Gewerk von Porsche Leipzig. Wir haben das in nur zwei Jahren realisiert. Daneben haben wir im laufenden Produktionsprozess die Integrationsarbeiten in der Lackiererei und in der Montage durchgeführt. Das war eine große Herausforderung.
Wie ist das gelungen?
Generell bedarf es einer sehr guten und langfristigen Planung. Für größere Maßnahmen, wie die Integration einer neuen Hochzeit, hatten wir nur die engen Zeitfenster in unseren Betriebsruhe-Zeiten, zwei Wochen im Winter, zwei Wochen im Sommer. Zusätzlich konnten wir nur die Wochenenden nutzen. Das ist dann ähnlich wie bei einem Pitstop in der Formel 1: Freitag nach der Spätschicht geht es los mit den Integrationsumfängen - und am Sonntagnachmittag müssen die Arbeiten abgeschlossen sein, weil dann mit der Nachtschicht wieder die Serienproduktion startet.
Und jetzt in der Vorserie?
Die ersten Vorserienfahrzeuge bauen wir in der Pilothalle auf. Im Anschluss läuft die Vorserie auf derselben Linie und in der selben Taktzeit wie die Serienproduktion, um die Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Das wird für die komplette Mannschaft die nächste große Herausforderung.
Sind Sie den E-Macan schon gefahren?
Die Vorserienfahrzeuge durfte ich schon fahren. Selbstverständlich getarnt und nur hier auf dem Gelände. Und ich muss sagen: Ein tolles Gefühl! Ein Fahrzeug mit den typischen Porsche-Genen: die Dynamik, die Performance, und dazu ein sehr modernes, anspruchsvolles Design. Ich persönlich denke, das Fahrzeug wird ein großer Erfolg.
Sie bauen Verbrenner und Elektro auf einer Linie. Das machen im VW-Konzern sonst nur noch Skoda und VW Nutzfahrzeuge. Ist Leipzig hier Vorbild im Konzern?
Jedes Werk hat seine eigenen Rahmenbedingungen. Aber es gibt schon den einen oder anderen Konzernkollegen, der sich bei uns vor Ort ein Bild macht. Besonders interessant ist, wie wir die Komplexität beherrschen und wie wir die Produktion auf einer Linie logistisch lösen.
Leipzig ist nicht nur Produktionsstandort, sondern auch Erlebniszentrum. Was bedeutet das fürs Werk?
Es war ein strategischer Meilenstein, dass Porsche direkt ans Werk angegliedert auch ein Kundenerlebnis-Center geschaffen hatte; also eine Möglichkeit die Fahrzeuge zu bewegen und intensiv kennenzulernen. Das Unternehmen ging mit dem Modell Cayenne sprichwörtlich neue Wege und wollte, dass die Kunden und Interessenten das auch erleben. Das war damals wirklich ein kluger Schachzug, hier am Standort Produktion und Kundenerlebnis miteinander zu verbinden.
Welche Rolle spielt Porsche inzwischen für Leipzig? Und Leipzig für Porsche?
Leipzig ist für Porsche eine zweite Heimat. Und Porsche gehört fest zu Leipzig. Wir arbeiten mit der Stadt in vielen Bereichen zusammen und engagieren uns breit im gesellschaftlichen Leben.
Ihr Vorgänger Siegfried Bülow war 17 Jahre Werkleiter. Wollen Sie das auch schaffen?
(lacht) Ich fühle mich wirklich sehr, sehr wohl hier. Und es ist mir eine Ehre, das, was mein Vorgänger hier geschaffen hat, jetzt in die Zukunft zu führen. Das ist eine spannende Aufgabe, die mir sehr viel Spaß macht. Aber wie viele Jahre es am Ende werden, sehen wir am Schluss.
Wie geht es denn nach dem E-Macan hier am Standort weiter?
Der Hochlauf des elektrischen Macan ist ein großer Meilenstein für mich. Es wäre selbstverständlich toll, wenn weitere Modelle folgen. Und ich denke, mit dem Teamgeist und der Kompetenz, die das Team hier mitbringt, haben wir gute Chancen, den Standort auch zukünftig weiterzuentwickeln.
Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre Ihr Traum für den Standort?
Im vergangenen Jahr haben wir in Leipzig mehr als 118.000 Fahrzeuge gefertigt. Es wäre toll, die Kapazitäten des Werks in den kommenden Jahren weiter auszubauen. Wenn wir hier irgendwann 200.000 Autos bauen, wäre das großartig.
Dieses Interview stammt aus der Automobilwoche-Edition "20 Jahre Porsche Leipzig". Mehr Informationen