So testet Mobileye seine selbstfahrenden Autos in München

Sie gehören seit Mitte Juli in München zum Straßenbild: die selbstfahrenden Ford Fusion, die die israelische Intel-Tochter Mobileye hier testet. Nur ein Aufkleber an der Tür der weißen Testwagen verrät, dass es keine normalen Autos sind. Noch sitzen zwei Mitarbeiter in jedem Auto. "Wir haben immer einen Sicherheitsfahrer auf dem Fahrersitz und einen Copiloten auf dem Beifahrersitz", sagt Johann Jungwirth von Mobileye. "Das ist bei uns Standard." Doch viel zu tun haben sie nicht: Lenken, Bremsen und Beschleunigen übernimmt der Computer.

Es ist das erste Mal, dass die Firma, die vor drei Jahren für 15,3 Milliarden Dollar von Intel geschluckt wurde, ihre Flotte außerhalb Israels testet. "Dafür haben wir mit Absicht Deutschland ausgewählt", sagt Jungwirth, der erst vor einem Jahr von VW zu Mobileye gewechselt war. "Und München war da prädestiniert mit BMW, einem unserer großen Partner, vor Ort, mit Audi in der Nähe und weiteren Herstellern und Zulieferern wie ZF, mit denen wir zusammenarbeiten."

Der TÜV Süd, der die Technik vorher überprüft hatte, gab dafür im Juli grünes Licht. Nicht nur für München, sondern für ganz Deutschland. "Wir können frei auf allen öffentlichen Straßen in ganz Deutschland fahren: in allen Ortschaften, auf allen Landstraßen, auf allen Autobahnen - bis 130 Kilometer pro Stunden." Ein vorgeschriebenes Fahrgebiet wie bei früheren Tests anderer Herstelle gebe es nicht. "Das ist auch wichtig für uns." Bei den Testfahrten in Bayern soll es daher nicht bleiben. "Wir haben schon Pläne, wie wir das weiter ausrollen wollen." Und auch in München teste man nicht nur im Stadtgebiet. "Wir haben eine Kombination aus Autobahn, Landstraße und Innenstadt. Uns ist es wichtig, alles abzudecken."

Wieso kommen die Testwagen jetzt von Ford, und nicht von den bayerischen Partnern BMW oder Audi? Am Ende spiele es keine Rolle, welches Basisfahrzeug man nutzte. Angefangen habe man vor Jahren sogar mit einem Audi A7, auch BMWs wurden schon umgebaut. Der Ford Fusion lasse sich aber schlicht am leichtesten aufrüsten, sagt Jungwirth. "Es ist hier einfach, die ganze Technik zu integrieren und Zugriff auf alle Kontrollen für Bremsen, Lenkung, Beschleunigung zu haben."

Herzstück ist das von Mobileye selbst entwickelte System zur Bildbearbeitung in Echtzeit – und der selbst produzierte EyeQ-Chip, der die Daten verarbeitet. Zwölf Kameras befinden sich auf jedem Testwagen – vorn, hinten, auf dem Dach, an den Kotflügeln, in den Spiegeln. "Dadurch haben wir Rundumsicht."

Zusätzlich gibt es noch ein zweites System mit Radar und Sensoren. "Und die arbeiten komplett unabhängig voneinander", erklärt Jungwirth. "Das ist der große Unterschied zu allen Wettbewerbern, welche die Daten früh zusammenführen. Wir halten sie mit Absicht getrennt." Das erhöhe die Sicherheit, falls einmal eines der beiden Subsysteme ausfällt – und reduziere auch den Erprobungsaufwand. "Weil wir beide Systeme getrennt testen und die Ausfallwahrscheinlichkeit dann hochrechnen können. Dadurch brauchen wir viel weniger Teststunden."

Die hochauflösenden Karten, die die selbstfahrenden Autos brauchen, erstellt Mobileye selbst – mithilfe der eigenen EyeQ-Chips, die bereits in Tausenden Autos herumfahren. "Wir bekommen jeden Tag Daten für Millionen Kilometer, die die Karten hochaktuell halten", erzählt Jungwirth. "Das ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen."

Schon in zwei Jahren, so hofft Jungwirth, soll die Technik so weit sein, dass man die Sicherheitsfahrer weglassen kann. "2022 wollen wir damit auf den Markt kommen mit den ersten selbst fahrenden Autos." Dann könnte die ersten komplett fahrerlosen Robotxis an den Start gehen - allerdings wohl nicht gleich in München, sondern zunächst in Jerusalem, wo Mobileye die Technik schon länger testet.

In Deutschland werde es dann aber auch nicht mehr lange dauern, ist Jungwirth zuversichtlich. Zusammen mit Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien gehöre die Bundesrepublik derzeit zu den Ländern in Europa, die am intensivsten am gesetzlichen Rahmen für autonomes Fahren arbeiten. "Das sieht derzeit alles sehr vielversprechend aus."

Zum Einsatz kommen werde die Technik zunächst aber wohl nur in Robotaxis. "Hier sehen wir großes Potenzial, Kosten zu sparen und diese an die Kunden weiterzugeben." Schließlich entfällt mit dem Fahrer ein großer Kostenfaktor. In Privatautos werde es dagegen wohl etwas länger dauern. "Ein privater Kunde wird sich so ein teures System anfangs einfach nicht leisten können." Das werde sich aber schnell ändern. "2024 oder 2025 sehen wir die Kosten in einem akzeptablen Bereich für normale Kundenfahrzeuge."

Intel möchte dann richtig groß in das Geschäft mit selbstfahrenden Autos einsteigen – und dabei in allen Geschäftsfeldern mitmischen. "Wir können als Zulieferer nur das reine Self-Driving-System zur Verfügung stellen, oder das komplette Geschäft abbilden bis hin zum Service für Endkunden." Extra dafür hatte Intel im Frühjahr für 900 Millionen Dollar die israelische Mobilitätsplattform Moovit übernommen. Per App könne Moovit die selbstfahrenden Robotaxis dann direkt an Fahrgäste vermitteln – oder auch als unbemannter Auftragsfahrer für Uber oder Lyft einspringen.

Das, so ist Jungwirth überzeugt, würde vor allem mehr Sicherheit im Straßenverkehr bedeuten. "Wir sind überzeugt, dass selbstfahrende Autos sicherer fahren, als Menschen es können. Einfach, weil sie nicht einschlafen am Steuer. Sie haben keine Schrecksekunde, sondern reagieren in Millisekunden. Sie haben Rundumsicht und nicht nur zwei Augen und Rückspiegel. Sie nehmen keine Drogen, lassen sich nicht vom Smartphone ablenken, trinken keinen Alkohol."

Zudem gebe das selbstfahrende Auto auch all denen Zugang zu individueller Mobilität, die bisher ausgeschlossen waren. "Egal ob alt oder jung, mit körperlicher oder geistiger Behinderung, mit oder ohne Führerschein. Das nenne ich freedom of mobility."

Und dann erzählt der Manager, den alle wegen seiner Initialen nur "Jay Jay" nennen, von seiner geistig behinderten Nichte. "Sie und ihre Mutter fragen immer wieder nach, wann es endlich so weit ist. Damit sie dann unabhängig leben kann und meine Schwester sie nicht immer überall hinfahren muss." Lange will Jungwirth sie nicht mehr warten lassen. "Ich glaube fest daran, dass das machbar ist."

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