Herr Vollmer, als Sie vor gut anderthalb Jahren VW-Produktionsvorstand wurden, hätte Sie sich da träumen lassen, dass Sie einmal so ein Projekt wie die neue Trinity-Fabrik auf den Tisch kriegen?
Dieses Projekt ist auch für mich etwas ganz Besonderes. Ich habe mehr als 15 Jahre im Ausland gearbeitet und unter anderem in China den Bau großer Fabriken verantwortet. Ein neues Werk in Deutschland, und dazu noch am Standort Wolfsburg, ist schon ein Traum und zeugt vom großen Vertrauen des Aufsichtsrates in die Leistungsfähigkeit der Marke.
Tesla hat in Grünheide zwei Jahre gebaut. Wie schnell soll es bei Ihnen gehen?
Auch für die Trinity-Fabrik rechnen wir mit einer reinen Bauzeit von rund zwei Jahren. Nach dem Ankauf der Flächen starten die Genehmigungsverfahren. Dabei werden wir uns eng mit den zuständigen Behörden, den Anwohnern und Umweltverbänden austauschen. Von Anfang an setzen wir auf größtmögliche Transparenz und werden hohe Umweltstandards umsetzen. Im ersten Halbjahr 2023 rechnen wir mit dem Baubeginn.
Klingt sportlich. Ist das zu schaffen?
Wir sind gut vorbereitet, haben alle Belange des Bau- und Umweltrechts gründlich geprüft und werden den offenen Dialog mit allen Interessensgruppen suchen. Zudem haben wir ein tolles Team, das gemeinsam Lösungen findet und die besten Ideen umsetzt. Ich bin mir daher sicher: Wir werden das tatsächlich in diesen zwei Jahren schaffen.
Wird es denn ein komplett neues Vollwerk? Oder doch nur ein Anbau?
Neben einer eigenständigen Montagehalle wird das Werk über einen kompletten Karosseriebau verfügen. Hinzu kommt eine neue moderne, lösungsmittelarme Lackiererei. Die ganze Fabrik wird CO2-neutral arbeiten. Darüber hinaus werden wir auch bestehende Strukturen im Stammwerk nutzen, wie etwa das Gesundheitszentrum und die IT. Aber rein von der Produktion her gesehen, wird es ein vollwertiges Werk.
Mit dem Trinity-Werk wollen Sie die Autoproduktion revolutionieren. Was bedeutet das genau?
In den vergangenen Jahren haben wir die Produktivität in den Volkswagen Werken kontinuierlich um rund fünf Prozent jährlich gesteigert. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir jetzt aber einen großen Sprung. Und das geht nur mit einem neuen Denken und neuen Konzepten. Nur so können wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen, ein Fahrzeug in zehn Stunden zu bauen.
Das ist deutlich kürzer als bisher. Wie wollen Sie die zehn Stunden erreichen?
Bereits heute liegen wir bei rund 18 Stunden zum Beispiel beim Tiguan in Wolfsburg oder bei 14 Stunden beim Polo in Pamplona. Entscheidend dafür, dass wir die Produktivität weiter steigern, sind weniger Bauteile, mehr Automatisierung, hocheffiziente Produktionslinien, innovative Logistikkonzepte sowie weniger Varianten bei den Modellen.
Das heißt?
Beim Golf haben wir ja rein rechnerisch mehrere Millionen Varianten in der Konfiguration, die aber kein Kunde jemals ausschöpft. Diese Vielzahl können wir minimieren, ohne dass unsere Kundinnen und Kunden einen Nachteil spüren. Dazu sind wir im engen Austausch mit dem Vertrieb. Zudem wollen wir statt vieler Einzelteile vormontierte Module einsetzen, die es in möglichst wenig Varianten gibt, am besten nur in einer. Deshalb müssen wir das Thema Produktion von Anfang an mit denken im Produktentstehungsprozess, nicht nur in der Entwicklung, sondern schon in der Designphase. So senken wir die Logistikkosten und haben in der Montage eine ideale Taktung und eine maximale Produktivität.
Und auch bei der Karosserie setzen Sie auf Großmodule aus Alu-Druckguss, genau wie Tesla?
Das haben wir noch nicht endgültig entschieden. Aber ja, auch das prüfen wir derzeit.
Was bedeutet das Projekt für den Standort Wolfsburg? Und für die Mitarbeiter hier?
Mit Trinity stärken wir nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit unseres Stammwerkes und geben der Belegschaft eine starke Langfristperspektive. Volkswagen macht Tempo bei der Transformation in Richtung eines CO2-neutralen und softwarebasierten Mobilitätsanbieters. Den Weg dahin beschreiben wir mit unserer Accelerate-Strategie. Und Trinity ist der Kristallisationspunkt dieser Strategie. Das Fahrzeug steht für die nächste Generation von Elektrofahrzeugen von Volkswagen.
Das heißt?
Basis wird die künftige konzernweite SSP-Plattform, die autonomes Fahren auf Level 4 ermöglichen und bei Elektrifizierung und Digitalisierung der Mobilität neue Standards setzen wird. Mit den Verbrennern, die wir weiter bauen, dem ID.3, der 2023 zunächst als Montage hinzukommt, und dem neuen Trinity-Werk haben wir hier in Wolfsburg dann drei Säulen. Damit machen wir den Standort als Allrounder zukunftssicher. Und das ist genau das, was auch die Mitarbeiter motiviert, mitzuziehen.
Spiegelt sich das dann auch im neuen Werk wider?
Wir wollen nicht nur bei der Produktivität Benchmark sein, wir werden auch ein ganz neues Konzept für die Arbeitsumgebung verwirklichen. Ich denke da an Grünflächen, an Wasserflächen, Solarzellen auf den Dächern, an intelligente Klimatisierungskonzepte, die ohne Klimaanlagen auskommen. Wir haben anderes Licht in der Halle und kurze Wege zu den Pausenräumen. Das alles und noch viel mehr wollen wir in dieser Fabrik umsetzen.
Wie viele Mitarbeiter wird das neue Trinity-Werk denn haben? Sicher deutlich weniger als bisher in der Golf-Fertigung.
Die Anzahl des Personals steht noch nicht fest. Vier Jahre vor dem Produktionsstart ist das auch nicht üblich.
Sie wollen zwei Milliarden Euro in den Neubau investieren, bei 250.000 Fahrzeugen Kapazität. Rechnet sich das?
Man darf bei einem solchen Projekt ja nicht nur die reinen Investitionen betrachten, sondern muss auch die laufenden Kosten im Betrieb sehen. Da setzen wir mit intelligenten Logistikkonzepten, reduziertem Energiebedarf, einem hohen Automatisierungsgrad und den zehn Stunden Produktionszeit Maßstäbe. Die zwei Milliarden sind sehr gut investiertes Geld.
Sie haben zuletzt auch eine Trinty-Fertigung im bestehenden Werk diskutiert. Was gab am Ende den Ausschlag, dass Sie doch auf die grüne Wiese gehen?
Der Entscheidung ist eine umfassende Analyse unterschiedlicher Standortoptionen vorausgegangen. Wir haben natürlich auch die Möglichkeit einer Trinity-Produktion innerhalb des Wolfsburger Werks intensiv geprüft. Für den Bau eines neuen Werks in Warmenau spricht vor allem eine mittelfristig höhere Wirtschaftlichkeit. Zudem sorgt die Greenfield-Entscheidung dafür, dass die laufende Serienproduktion sowie die in den nächsten Jahren anstehenden Neuanläufe wichtiger Modelle wie Tiguan, Tayron und der Produktaufwertung des Golf im bestehenden Werk nicht unterbrochen werden. Dass wir diese Chance jetzt nutzen, wird die Marke einen großen Schritt voranbringen.
Und anschließend wollen Sie die Konzepte auch im Stammwerk umsetzen?
Ja, das Trinity-Werk ist nur der erste Schritt. Unser Ziel ist, danach ein zweites und eventuell auch drittes Fertigungssegment, über das aber noch nicht entschieden ist, im Stammwerk zu installieren. Damit wir hier dann in zwölf, dreizehn oder fünfzehn Jahren mehrere Segmente haben, die wettbewerbsfähig sind. Und das Trinity-Werk wird dafür die Blaupause sein.
Ist das im Stammwerk denn überhaupt alles umsetzbar?
Einige Dinge werden wir hier sicher anders machen, weil es eben keine grüne Wiese ist. Aber vieles lässt sich übernehmen. Doch dafür müssen wir die notwendigen Freiflächen im Stammwerk schaffen. Und die neue Trinity-Fabrik gibt uns jetzt die Zeit dafür. Mit dem sukzessiven Rückgang des Verbrenner-Volumens haben wir dann auch die Chance, heutige Produktionslinien zu wandeln.
Wann soll es damit losgehen?
Erst nach 2026, wenn die Trinity-Produktion läuft und mindestens auf Kammlinie ist.
Und den Verbrenner lassen sie dann auslaufen?
Wir werden sicher noch viele Jahre hier am Standort Wolfsburg auch Verbrenner bauen, bis ins nächste Jahrzehnt. Aber wohl nicht mehr in dem Volumen. Wie genau sich der Markt entwickeln wird, hängt von vielen Faktoren ab wie die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien und der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mit der Trinity-Fabrik, den zusätzlichen Segmenten im Stammwerk und den weiterlaufenden Verbrennern sind wir dann aber so flexibel aufgestellt, dass wir jederzeit auf die Nachfrage reagieren können.
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