Turbulente Hauptversammlung bei VW

Nur knapp entging VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche, der sich an seinem 80. Geburtstag zur Wiederwahl stellte, einem Tortenwurf. Kurz nach Versammlungsbeginn war ein Mann im Saal nach vorn gestürmt und warf – bevor die Security eingreifen konnte – das Stück Torte, das er offenbar vom Büfett hatte, in Richtung des Familienoberhaupts. Doch der Angreifer verfehlte sein Ziel: Der Kuchen blieb am Podium direkt vor Porsche kleben.

Dabei hatte VW die Sicherheitschecks bei seiner ersten regulären Präsenz-Versammlung nach Corona deutlich erhöht. Bereits vor der Versammlung hatte es vor der Halle in Berlin Proteste von Menschenrechts- und Klimaaktivisten gegeben. Mehrere Gruppen hatten zuvor auch angekündigt, den Protest in den Saal tragen zu wollen. Immer wieder musste Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch mit Ordnungsrufen gegen Störer im Saal vorgehen. „Wenn Sie etwas sagen wollen, dann tragen Sie sich bitte in die Rednerliste ein.“

Konzernchef Oliver Blume wurde während seiner Rede dann sogar von einer Menschenrechtsaktivistin unterbrochen, die im Stil der Femen-Proteste mit entblößter Brust gegen das VW-Engagement in Xinjiang protestierte. Eine Vertreterin von "Fridays for Future" schaffte es später - als Aktionärin - sogar ans Rednerpult und kritisierte die ihrer Meinung nach viel zu langsame Transformation Richtung Klimaneutralität.

Kritik gab es auch von den eigenen Aktionären – aber eher an der Dividendenhöhe und der Doppelrolle von Konzernchef Oliver Blume. Und an der Idee, Aktionärstreffen in den kommenden fünf Jahren rein virtuell abhalten zu können, wie es bereits während der Corona-Pandemie üblich war. In der Sache gab es von den Anteilseignern dagegen viel Lob für den von ihm eingeschlagenen Kurs. „Wir würden uns wünschen, dass sie mit diesem Elan weiter vorangehen“, sagte Janne Werning von Union Investment.

Blume selbst räumte in seiner Rede ein, dass es noch einige offene Baustellen gebe. „Keine Frage: Es gibt Punkte, bei denen wir besser werden müssen. Nur wenn wir uns steig kritisch hinterfragen, können wir uns kontinuierlich verbessern.“ Mit dem bisher Erreichten zeigte sich Blume, erst seit September im Amt, aber zufrieden. „Wir haben in den vergangenen Monaten bereits viel bewegt.“ Dabei sei man sogar „schneller vorangekommen, als ich es mir selbst erhoffte hatte“. Damit habe man nun ein stabiles Fundament, auf das man aufbauen könne. „Und wir sind auf einem sehr guten Weg.“

Ein klares Bekenntnis gab Blume in Richtung der Software-Schmiede Cariad ab. Erst am Montag hatte Blume dort fast den gesamten Vorstand ausgetauscht und der Tochter einen Strategiewechsel verordnet, inklusive Öffnung für externe Partner. Grundsätzlich stehe er aber zu Cariad, erklärte Blume. „Zu meinem Amtsantritt im September 2022 habe ich betont, dass die Cariad ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Volkswagen-Konzern ist. Das bleibt auch so.“ Denn: „Das Ziel ist klar: Cariad soll und wird liefern.“

Scharfe Kritik gab es dagegen an der Doppelrolle Blumes als VW- und Porsche-Chef. Das sei „ein glasklarer Interessenkonflikt und Ämterhäufung“, kritisierte Werbung. „Das geht nicht“, pflichtete Ulrich Hocker von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bei. Ingo Speich von Deka Investment fordert Blume sogar auf, sein Amt bei Porsche niederzulegen, um sich ganz auf VW konzentrieren zu können. „Auch für Sie hat der Tag nur 24 Stunden. Diese Zeit reicht nicht, um zwei Dax-Konzerne erfolgreich zu führen. Ihr Vorgänger hat das schon bei einem nicht geschafft.“

Blume dagegen verteidigte seine Doppelrolle, die er sogar als Vorteil sieht. „Die ersten Monate seit meinem Amtsantritt haben gezeigt: Meine Doppelrolle als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns und der Porsche AG funktioniert und zahlt sich aus.“ Daher verfahre er nun auch bei der Besetzung anderer Schlüsselfunktionen nach derselben Logik: „Sie werden ebenfalls in Personalunion für Marken- und Konzernaufgaben übernommen.“ So kümmert sich Christian Vollmer sowohl bei der Marke VW als auch im Konzern um die Produktion, Michael Steiner um Forschung und Entwicklung bei Porsche und im Konzern.