Wie sich VW auf Gas-Engpässe vorbereitet

In einem Punkt gibt VW Entwarnung: "Derzeit ist die Gasversorgung für die Volkswagen-Werke und die anderer Konzernmarken sowie der Kraftwerke und Heizhäuser an den Standorten gesichert", sagt Michael Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung VW Kraftwerk GmbH. Und angesichts der inzwischen gut gefüllten Gasspeicher in Deutschland dürfte es wohl auch im bevorstehenden Winter genug Gas geben, um die Produktion aufrechtzuerhalten.

Doch wirklich beruhigen kann das in Wolfsburg niemanden. Denn, so warnt VW: Wenn der Nachschub aus Russland auch im kommenden Jahr ausbleibt, drohe ab Juni eine echte Gasknappheit. Und sollte den Zulieferern die Energie ausgehen, könnte das zu neuen Problemen in der Lieferkette führen. Das könnte auch VW schwer treffen.

"Unser oberstes Ziel ist eine Aufrechterhaltung der Produktion und die Vermeidung von negativen Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb", sagt Thomas Steg, Leiter Konzern-Außenbeziehungen bei VW. Man habe daher bereits im März begonnen, sich auf mögliche Auswirkungen eines Energiemangels vorzubereiten, und sehe sich nun "bestmöglich auf verschiedene Szenarien vorbereitet", so Steg. "Wir können aber Auswirkungen auf unser Geschäft, etwa durch Störungen in der Lieferkette oder hoheitliche Eingriffe des Staates, trotzdem nicht vollständig ausschließen."

"Bei Eintreten eines Gasmangels ist die Wahrscheinlichkeit von Engpässen bei Zulieferteilen und der großen Anzahl betroffener Lieferanten eine Herausforderung", sagt Geng Wu, Projektleiter für die neue Einkaufsstrategie "North Star" im Konzerneinkauf. VW sorge bereits vor und fahre die Lagerbestände hoch. "Kurzfristig werden die Lieferantenabrufe maximiert, um bestehende Lagerkapazitäten und Transport-Pipelines maximal zu füllen." Das soll verhindern, dass bei einem Engpass sofort die Produktion ruht.

"Als mittelfristige Alternativen konzentrieren wir uns auf eine stärkere Lokalisierung, Verlagerung von Produktionskapazitäten oder technischen Alternativen", so Geng Wu weiter. "Ähnlich wie bei den Herausforderungen im Kontext der Halbleiterknappheit und anderen jüngsten Störungen in der Lieferkette bereits geübte Praxis."

Klare Forderungen richtet VW an die Politik: Die müsse dem rasanten Anstieg der Energiepreise Einhalt gebieten, etwa durch eine Gaspreisdeckel. "Die Politik muss die aktuell unkontrollierte Explosion der Gas- und Strompreise eindämmen, weil sonst insbesondere kleinere und mittlere energieintensive Unternehmen in der Lieferkette große Probleme bekommen und die Produktion reduzieren oder einstellen müssen", sagt Steg.

Und für den Fall eines Gasmangels fordert VW, das Gas nicht an jeden Standort einzeln, sondern an den gesamten Konzern zuzuteilen und die Verteilung auf die Töchter und Standorte dann VW zu überlassen. "Eine Verteilung auf Konzernebene wäre optimal, um die Produktion bestmöglich aufrechtzuerhalten", sagt Steg. "Gleichzeitig benötigen wir eine zumindest wochenweise statt einer täglichen Zuteilung, um die notwendige Planungssicherheit im Schichtbetrieb und in der Versorgung mit Zulieferteilen zu haben."

VW selbst habe bereits an allen Standorten Maßnahmen zur Energieeinsparung auf den Weg gebracht. "Alle Konzern-Produktionsstandorte in Europa wurden bereits untersucht und kurz-, mittel- und langfristige Möglichkeiten zur Reduktion der Nutzung von Gas identifiziert", sagt Kraftwerkschef Heinemann. "Der Volkswagen-Konzern kann die für Europa und Deutschland gesetzten Einsparziele deutlich übererfüllen und den gesamten Gasverbrauch um einen mittleren zweistelligen Prozentsatz reduzieren."

Diese Maßnahmen wolle VW nun noch verstärken, etwa durch die Absenkung der Temperatur in den Montagehallen und mehr Homeoffice. "Dazu werden Gespräche mit den Arbeitnehmervertretungen und den zuständigen staatlichen Stellen geführt."

Zugute kommt Volkswagen, dass im werkseigenen Kraftwerk in Wolfsburg weiter Steinkohle verfeuert wird. Eigentlich sollte es bis Ende dieses Jahres auf Erdgas umgestellt werden, doch wegen des sich abzeichnenden Gasmangels hat VW die Umstellung verschoben.

Berichten zufolge beschert das dem Konzern nun sogar Extra-Einnahmen: Das bereits zuvor zum Festpreis gesicherte Gas könne der Konzern angesichts des rasanten Preisanstiegs nun mit Gewinn weiterverkaufen. Voraussichtlicher Mehrerlös: 400 Millionen Euro.

Aus dem Datencenter:

Kostenanteile ausgewählter Industrien in Europa