Diese Bilanz zieht Blume nach 100 Tagen als VW-Chef

Dass er sich keine Schonfrist gönnt, hatte Oliver Blume gleich nach seinem Amtsantritt als VW-Konzernchef demonstriert. Gleich an seinem ersten Tag als Nachfolger von Herbert Diess legte er sein Zehn-Punkte-Programm für den Neustart vor. Auf der Hauptversammlung in Berlin zog er nun pünktlich zum Abschluss der ersten 100 Tage Bilanz – und zeigte sich zufrieden.

Insgesamt 75 Punkte hatte Blume bei seiner Bestandsaufnahme schon vor seiner Amtsübernahme ausgemacht und dann in seinem Zehn-Punkte-Plan zusammengefasst. Alles wurde noch einmal auf den Prüfstand gestellt. "Von Beginn an war es mir wichtig, wesentliche Weichen und Entscheidungen zügig zu treffen, um bis Ende des Jahres eine klare Ausrichtung des Volkswagen-Konzerns zu haben", sagte Blume: "Das haben wir erreicht." Jetzt habe man die Bestandsaufnahme abgeschlossen. "Die Richtung steht. Ab 2023 starten wir mit der Umsetzung."

"Fokus und Geschwindigkeit. Teamgeist und Leidenschaft. In Chancen denken – und konsequent entscheiden und umsetzen. Das ist mein Anspruch für die Führung des Volkswagen-Konzerns", fasste Blume seinen Ansatz zusammen.

Dann zog er einen Vergleich zum Häuslebauer: Das sei wie beim Renovieren eines Hauses. "Jetzt geht es darum, das Haus in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Wir räumen den Keller auf. Bauen einen neuen Dachstuhl. Versetzen ein paar Wände. Wir entrümpeln, bauen neue Teile an, nehmen alte weg."

Bereits am Vortag des Aktionärstreffens hatte Blume seine Pläne dem Aufsichtsrat präsentiert, der ebenfalls in Berlin zusammenkam. Beschlüsse wurden dort dem Vernehmen nach noch nicht getroffen. Nägel mit Köpfen sollen erst bei der Planungsrunde gemacht werden. Die hatte Blume im November verschoben, dem Vernehmen nach soll sie nun im Februar nachgeholt werden.

Eckpunkte stehen aber längst fest: Die Softwareschmiede Cariad wird neu aufgestellt, die Software 1.2 für Porsche und Audi erhält Top-Priorität, die Software 2.0, die erstmals beim VW Trinity zum Einsatz kommen soll, rückt um 18 bis 24 Monate nach hinten, ebenso die neue Einheitsplattform SSP und das Zukunftsmodell Trinity selbst, das eigentlich 2026 anlaufen sollte.

Stattdessen bekommen die Plattformen MEB und PPE jetzt noch einmal ein Update, ebenso die darauf laufenden Software-Versionen 1.1 und 1.2. Die Version 1.2 will Blume jetzt sogar zur echten "Hochleistungssoftware" machen, die 2023 endlich ausgerollt werden soll – zwei Jahre später als geplant. Neue E-Modelle auf der bisherigen Plattform sollen bei VW die Trinity-Lücke schließen. Das geplante neue Trinity-Werk in Wolfsburg dürfte dagegen wohl gestrichen werden, stattdessen wird Geld ins Stammwerk investiert.

"Eines unserer dringendsten Themen war in den vergangenen Monaten die Neuordnung unserer Software-Aktivitäten", sagte Blume, der das Thema sofort zur Chefsache gemacht hatte. "Wir prüfen, welche Kernkompetenzen wir in-house abbilden und wo Partnerschaften sinnvoller sind." Sein Vorgänger Herbert Diess hatte noch das Ziel ausgegeben, den Anteil der selbst entwickelten Software von 10 auf 60 Prozent zu erhöhen.

Blume will sich hier nicht mehr auf eine Zahl festlegen. Er zeigt sich deutlich offener für Kooperationen. Wo es bereits gute Lösungen am Markt gebe, ergebe es schlicht keinen Sinn, dasselbe noch einmal selbst zu entwickeln. Und anders als Diess hat er keine Berührungsängste mit Software-Riesen wie Google und Apple.

"Das langfristige Ziel bleibt eine einheitliche Software für den Konzern, mit der wir die Skalenvorteile voll ausschöpfen können", fügte Blume hinzu. Nur der Zeitplan wird angepasst. Damit will Blume vor allem die Fehler seines Vorgängers vermeiden: stets neue Ziele und Zeitpläne auszurufen, die am Ende nicht zu halten sind.

Dass sein Vorgehen beim autonomen Fahren, das Diess eigentlich schon ab 2026 auf die Straße bringen wollte, nun für Verzug sorgt, wies Blume zurück. Im Gegenteil: Bei Level 2++ und 3 beschleunige man sogar noch einmal, und auch die Pläne für Level 4 werden beim geplanten Roboshuttle ID Buzz AD sogar noch forciert.

Zugleich will Blume die Gelegenheit nutzen, das Produktportfolio aufzuräumen. "Bei den Produkten wurden die Produktstrategien maßgeblich überarbeitet", kündigte Blume an. "Wir schärfen unsere Produktstrategie, um Synergien im Konzern zu heben und die Attraktivität unserer Marken zu steigern."

Er nannte auch bereits ein konkretes Beispiel: "Die Marke Volkswagen prüft aktuell, wie sie Ikonen wie Golf oder Tiguan in die elektrische Zukunft führen kann." Nach Informationen der Automobilwoche gilt der ID Tiguan dabei bereits als fest gesetzt und könnte 2026 in Wolfsburg anlaufen, um die die Trinity-Lücke zu schließen.

In seiner Doppelrolle als Vorstandsvorsitzender sowohl bei VW als auch bei Porsche sieht Blume kein Problem. Im Gegenteil: "Die beiden Rollen ergänzen sich perfekt", sagte er: "Wie im Fußball, wo Spieler alles für ihren Bundesliga-Klub geben und gleichzeitig in der Nationalmannschaft spielen."

Den Porsche-Börsengang will Blume nun als Blaupause für alle Konzernmarken nutzen. Virtuelle Börsengänge, die jetzt überall angelaufen sind, sollen Schwachstellen aufdecken. Allerdings ohne dass echte Börsengänge geplant sind. "Damit wollen wir die Stärken des Konzerns sichtbarer machen und langfristig Wert heben", zeigte sich Blume überzeugt.

"Mit diesen Entscheidungen haben wir die wesentlichen Weichen für die zukünftige Aufstellung des Volkswagen-Konzerns gestellt", sagte Blume. "Bei der Umsetzung werden wir immer nach derselben Methodik vorgehen: Den Status quo kritisch analysieren, die richtigen Prioritäten setzen und dann konsequent abarbeiten." Und dabei solle auch "ein neuer Management-Stil" Einzug halten – "basierend auf Leistung, Teamgeist und Umsetzung."

Beim eigentlichen Thema der außerordentlichen Hauptversammlung in Berlin überließ Blume dann seinem COO Arno Antlitz das Wort. Denn einziger Tagesordnungspunkt war die geplante Sonderdividende, mit der Porsche knapp die Hälfte des Erlöses aus dem Porsche-Börsengang im September an die eigenen Aktionäre ausschütten will. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, wollte sich Blume zu diesem Thema nicht selbst äußern.

Aus dem Datencenter:

Umfrage zur Ablösung von VW-Chef Herbert Diess durch Oliver Blume