Cariad - Der 500 Millionen-Strategieschwenk von Herbert Diess

Bei der VW-Softwareschmiede Cariad hatten sich zuletzt die Hiobsbotschaften gehäuft. Die Entwicklung des neuen Betriebssystems für künftige Fahrzeuge aller Konzernmarken, das dann autonomes Fahren nach Level 4 ermöglichen soll, laufe schleppend, hieß es zuletzt. VW und Audi sollen sich gegenseitig im Weg stehen.

Jetzt zieht der Konzern eine vorläufige Notbremse: VW und Audi entwickeln jetzt wieder getrennt, kündigte Konzernchef Herbert Diess am Dienstag auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg an. Aber nur übergangsweise. Am Ziel einer einheitlichen Software für alle Modelle und Konzernmarken ändere sich nichts. Es wird nun aber deutlich später erreicht.

Audi werde zusammen mit Cariad die Entwicklung der Software 1.2 übernehmen, die eigentlich nur als Übergangslösung gedacht war und bei Audi und Porsche zum Einsatz kommen soll. Die Entwicklung der neuen Einheitssoftware 2.0, die Audi zusammen mit Cariad eigentlich für alle Konzernmarken entwickeln sollte, übernimmt nun - ebenfalls zusammen mit Cariad - die Kernmarke Volkswagen selbst. Erstmals zum Einsatz kommen soll sie nun 2026 beim VW Trinity, statt wie ursprünglich geplant schon 2024 bei Artemis von Audi.

"Wir werden ein paar Jahre parallel bei den Fahrassistenzsystemen entwickeln bei Audi und VW", sagte Diess. "Das kostet ein paar Ressourcen, ändert aber nichts am Ziel: wir wollen einen einheitlichen Software-Stack für den ganzen Konzern, über alle Marken.“ Die Mehrkosten durch die Parallelentwicklung bezifferte Diess auf rund eine halbe Milliarde Euro. "Aber entscheidend ist, dass unsere Kundinnen und Kunden das bestmögliche Produkt erhalten. Ab Mitte, Ende des Jahrzehnts führen wir die Entwicklungen dann in der 2.0 zusammen."

Diess räumte ein, dass die ein Rückschlag sei für die hohen Software-Ambitionen des Konzern. "Cariad ist kein Sprint, Rückschläge in einzelnen Projekten gehören dazu" sagte Diess in seiner Rede. "Das heißt aber nicht, dass die Cariad gescheitert ist. Das Gegenteil ist der Fall: Wir lernen Software, wir werden besser." Denn: "Wir müssen Software-Kultur noch lernen, dazu gehört auch Flexibilität und Tempo."

Diess hatte erst Anfang 2022 von Audi-Chef Markus Duesmann die Verantwortung für die Software-Tochter übernommen. Zuletzt hatte es immer mehr Berichte über Verzögerungen bei der Software-Entwicklung gegeben. Vor allem die von Audi initiierte parallele Entwicklung von 2.0 und 1.2 soll die Ressourcen der Softwaresparte überfordert haben. Um die Audi-Übergangslösung 1.2 voranzutreiben sollen zuletzt immer mehr Mitarbeiter von der eigentlichen Einheitssoftware 2.0 abgezogen worden sein. Daher, so heißt es nun in Wolfsburg, nehme VW Audi diese Arbeit nun lieber ab.

Probleme bei Cariad räumte auch Betriebsratschefin Daniela Cavallo ein. "Ich kenne das Thema intensiv aus den Aufsichtsräten und ja, es gibt auch echte Schwierigkeiten", sagte sie in ihrer Rede auf der Betriebsversammlung. Allerdings, so fügte sie hinzu und stärkte damit auch Diess den Rücken:  "Aber nein: Es ist nicht so, dass Cariad überfordert wäre. Oder, auch das war schon zu lesen, gleich ganz aufgelöst werden soll, weil sie es eh nicht hinkriegt. Wahr ist dagegen: Unsere Kolleginnen und Kollegen bei Cariad machen einen Top-Job."

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