Herr Krause, Sie waren, bevor Sie den Vertrieb und das Marketing bei VWN übernommen haben, für Strategie und Produktmanagement zuständig und haben schon damals die Strategie für den ID Buzz mitentwickelt. Reizt es Sie jetzt, das Thema quasi aus der etwas anderen Perspektive weiter betreuen und vorantreiben zu können?
Ja, absolut. Für mich schließt sich damit der Kreis von der Konzeption des Autos über die Entwicklung bis hin zur Vermarktung. Die Aufgabe macht mir unglaublich Freude. Viele sagen mir derzeit: Jetzt musst du die Suppe auslöffeln, die du dir selbst eingebrockt hast. Also ich löffle diese Suppe sehr gerne aus. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.
Der ID Buzz sorgt ja schon jetzt für einen wahren Hype. Müssen Sie da überhaupt noch die Werbetrommel rühren? Verkauft sich das Auto nicht von allein?
Die Euphorie ist riesig, das stimmt. Die Reaktionen sind aus allen Richtungen überwältigend. Mich fasziniert, dass das Auto so viele unterschiedliche Menschen begeistert. Dennoch bin ich mir sicher, dass wir bis zur Markteinführung des Fahrzeugs noch verschiedene Aktivitäten brauchen. Und da haben wir uns einige spannende Dinge überlegt.
Wird der ID Buzz denn Ihr einziges Elektromodell bleiben?
Was die elektrische Mobilität in unserem Portfolio angeht, hat der E-Crafter schon ein Stück weit den Weg geebnet. Aber mit dem ID Buzz wollen wir jetzt noch deutlich mehr Kunden erreichen und damit unsere E-Volumen nachhaltig steigern. Wir haben in unserer Strategie "GRIP 2030" festgelegt, dass wir zum Ende des Jahrzehnts mehr als 55 Prozent BEV-Fahrzeuge produzieren. Von daher sind natürlich weitere E-Modelle in Planung.
Und welche?
Mittelfristig werden wir entsprechend auch für den E-Crafter einen Nachfolger in den Markt bringen. Und 2024 kommt dann der Nachfolger des Transporters 6.1. Davon wird es dann ebenfalls eine vollelektrische Variante geben. Mit dem ID California planen wir zudem den nachhaltigen, vollelektrischen Ausbau unserer Camper-Modellreihe. Damit stellen wir sicher, dass wir wirklich jedem Privat- und Gewerbekunden ein Elektrofahrzeug für genau seinen Bedarf anbieten können.
Der Nachfolger des T6.1 kommt von Ford, wird dort entwickelt und auch produziert, ebenso wie der neue Amarok. Werden Ihre Kunden das noch als echte VWs akzeptieren? Oder am Ende zu den womöglich günstigeren Ford-Modellen greifen?
Da mache ich mir keine Sorgen. Es ist eben nicht dasselbe Auto. Die Kooperation mit Ford basiert auf der intelligenten Nutzung von Synergien, ähnlich wie wir es innerhalb des Volkswagen Konzerns zwischen den Marken praktizieren. Die Ergebnisse geben uns seit Jahren recht: Unsere Produkte weisen einen hohen Grad an Differenzierung mit markenspezifischen Ausprägungen auf. Genau darauf achten wir auch in der Kooperation mit Ford.
Das heißt?
Entscheidend für uns ist, dass alle relevanten Anforderungen, die unsere Kunden an einen VW haben, erfüllt werden. Das Fahrzeug wird natürlich ein eigenständiges, unverwechselbares Design erhalten und in die Designsprache unserer modernen Produktpalette integriert. Das gilt für den Amarok ebenso wie für den Transporter 6.1-Nachfolger.
Das Design machen Sie also selbst und nicht Ford?
Natürlich machen wir das. Der Transporter-Nachfolger wird deutlich erkennbar Teil unserer T-Familie sein.
Bisher hatten Sie mit dem T6.1 ja quasi eine One-size-fits-all-Lösung für alles, vom Lieferwagen bis zum Wohnmobil. Jetzt haben Sie mit T6.1, T7 Multivan und ID Buzz gleich drei Baureihen am Start, Was bedeutet das für die Marke?
Wir haben jetzt ein Produktportfolio, wie es noch nie dagewesen ist und für das gilt: Die Bedürfnisse unserer Kunden stehen im Mittelpunkt von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Als Vertriebsvorstand kann ich mir aktuell keine bessere Situation vorstellen. Das Portfolio schärft unser Profil als Marke noch einmal weiter.
Wie soll das funktionieren?
Wir sind jetzt in der Lage, jeden Kunden zielgerichtet mit genau dem Produkt zu bedienen, das seinen Anforderungen entspricht. Mit der Produktrange sind wir Benchmark in unserem Marktsegment. Damit haben wir einen Wettbewerbsvorteil, der seinesgleichen sucht.
Wobei es in den USA ja offenbar noch eine Lücke gab. VW will dort jetzt die Marke Scout wiederbeleben und rein elektrische Pick-up-Trucks anbieten. Wäre das nicht auch ein Modell, das Sie nach Europa holen können?
Das Modell wird sehr stark auf den US-Markt zugeschnitten sein, allein schon wegen seiner Abmessungen. In Europa sind die Marktchancen für ein solches Fahrzeug eigenständig zu bewerten.
Warum haben Sie denn Ihren eigenen Pick-up Amarok nie in den USA angeboten?
Es war eine ganz bewusste Entscheidung, sich mit dem Amarok auf Europa und den Rest der Welt zu konzentrieren, von Südamerika über Südafrika bis hin nach Australien. Der Markt in den USA wird von Full-Size-Pick-ups dominiert. Trotz seines beeindruckenden Raumangebots handelt es sich beim Amarok um einen Compact-Pick-up. Wenn man in den USA in das Pick-up-Segment einsteigen will, dann ist es meiner Meinung nach genau der richtige Ansatz, mit einem Full-Size-Fahrzeug zu starten. So wie es mit Scout jetzt geplant ist.
Den ID Buzz wollen Sie dagegen auch in den USA anbieten. Was erwarten Sie sich davon?
Ich glaube, auf kein Auto wird in den USA so sehr gewartet wie auf den ID Buzz. Viele verbinden natürlich damit noch Erinnerungen an die 60er- und 70er-Jahre, an die Flower-Power-Zeit, selbst wenn sie diese Epoche gar nicht selbst erlebt haben. Der Bulli war, obwohl nicht in der Vermarktung in den USA, immer präsent. Das greifen wir jetzt mit dem ID Buzz auf. Und die ersten Reaktionen sind auch in den USA überwältigend.
Die Kunden dort müssen aber noch bis 2024 warten. Wieso?
Erst einmal wollen wir dort gleich mit der Langversion starten, die ja erst Ende 2023 kommt. Dann gibt es noch US-spezifische Umfänge, die entwickelt werden müssen. Und wir wollen natürlich auch die Markteinführung in Europa absichern und mit wirklich relevanten Stückzahlen in den Markt gehen. Dann sind wir vorbereitet, auch die US-Version hier in Hannover zu produzieren.
Könnten die USA dann sogar der wichtigste Absatzmarkt werden?
Auch das entscheiden am Ende die Kunden. Aktuell sehen wir Europa vom Volumen her als Kernmarkt. Aber ich würde nicht ausschließen, dass wir auch in den USA in ähnliche Größenordnungen kommen könnten.
Könnten weitere Märkte folgen?
Grundsätzlich ist unsere Strategie, den ID Buzz in allen Märkten anzubieten, wo auch unsere MEB-Fahrzeuge von VW Pkw angeboten werden. Das entspricht dem Gedanken der ID-Familie. Und on top können wir uns noch zusätzliche Märkte vorstellen, in denen wir dann quasi als Speerspitze des Konzerns den Markteintritt angehen.
Also etwa in China, wo schon MEB-Fahrzeuge angeboten werden?
China schauen wir uns gerade mit Blick auf das autonome Fahren beim ID Buzz AD an. Sollten die Reaktionen hier positiv sein, könnte ich mir auch eine konventionelle Variante des ID Buzz in China vorstellen. Das ist nicht ausgeschlossen.
Mit dem ID Buzz AD wollen Sie auch ins autonome Fahren vorstoßen, 2025 soll bei Moia eine Flotte als Roboshuttles in Betrieb gehen, aber erstmal nur in Hamburg. Werden weitere Städte folgen?
Ja, grundsätzlich planen wir den Rollout über verschiedene Städte, sowohl in Europa als auch in den USA. Neben diesen beiden Märkten arbeiten wir auch an Mobility- und Transport-as-a-Service-Konzepten für den chinesischen Markt.
Und dann immer über Ihrer Marke Moia als Betreiber der Flotte?
Es muss nicht immer unser eigenes Angebot mit Moia sein. Wir können uns auch einen Betrieb mit anderen Mobilitätspartnern vorstellen. Und das nicht nur beim Personenverkehr, sondern auch beim Transport von Gütern mit fahrerlosen Lieferfahrzeugen.
Werden Sie den ID Buzz AD dann auch Privatkunden zum Kauf anbieten?
Wir konzentrieren uns aktuell auf den gewerblichen Bereich mit Mobilitätslösungen wie zum Beispiel dem Ride-Pooling und dem Transport von Waren. Für den Privatkunden geht es demzufolge nicht um Besitz des Fahrzeugs, sondern um dessen On-Demand-Nutzung. Ob wir das System am Ende auch Privatkunden zum Kauf anbieten, das wird die Zukunft zeigen.
In Deutschland wollten Sie beim ID Buzz eigentlich gleich im Agenturvertrieb starten. Daraus wird jetzt aber nichts.
Das Agenturmodell ist klar unser Ziel und bleibt es auch. Und wir gehen davon aus, dass wir in ausgewählten europäischen Märkten die Markteinführung des ID Buzz im Agenturmodell umsetzen. In Deutschland aber nicht. In Deutschland haben wir uns für den Eigenhandel entschieden, weil wir den Start des Vorverkaufs ab dem 20. Mai absichern mussten. Das war mit dem Agenturmodell nicht möglich. Deshalb starten wir im Eigenhandel, streben aber auch hier schnellstmöglich den Wechsel zum Agenturmodell an.
Mit den deutschen Händlern konnten Sie sich bisher aber nicht einigen.
Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit dem Händlerverband, konnten diese aber bis dato nicht zum Abschluss bringen und starten deshalb im Eigenhandel. Das ist ein Kompromiss. Aber für mich führt an dem Ziel des Agenturvertriebs kein Weg vorbei.
Wie lange wird es noch dauern, bis es eine Einigung gibt?
So schnell wie möglich. Ich wünsche mir, dass wir noch in diesem Jahr zu einem Abschluss kommen. Und da sind wir auch sehr zuversichtlich. Der stationäre Handel und Service vor Ort werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen, gerade im beratungsintensiven Nutzfahrzeuggeschäft ist der Erfolgsfaktor Mensch sehr wichtig. Mit dem Agentur-Modell erschließen wir gemeinsam mit dem Handel neue Kundengruppen und machen unsere Vertriebsorganisation zukunftssicher.
Wollen Sie das Auto dann auch komplett online anbieten, ganz ohne den stationären Handel?
Nein, es geht uns darum, den Kunden dort zu erreichen, wo er erreicht werden möchte – online und offline. Unser leistungsfähiger stationäre Handel ist dabei ein integraler Bestandteil. Unsere Kunden werden auch in Zukunft nach individuellen Lösungen für ihre Bedürfnisse suchen. Das gilt für Nutzfahrzeuge noch mehr als für Pkw. Der stationäre Handel bietet sehr gute Voraussetzungen, um die Kunden zielgerichtet und im direkten Austausch zu beraten. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Davon bin ich fest überzeugt.
Aus dem Datencenter: