Was sich der VW-Konzern erhofft – und was er fordert

Mercedes-Chef Ola Källenius glaubt fest an die Zukunft der Formel 1: "Für mich stehen die Vorteile außer Zweifel, auch in Relation zum Aufwand. Mehr noch– wir sehen den Motorsport als Asset, nicht als Kostenstelle." Porsche-CEO Oliver Blume übt sich derweil in verhaltenem Optimismus: "Die Formel 1 ist nach wie vor die Königsklasse des Motorsports. Damit sie für uns interessant wird, braucht es allerdings ein neues Reglement, in dem wir uns durchgängig wiederfinden. Synthetische Kraftstoffe sind da nur ein erster Schritt."

Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess wird dagegen nicht müde, das Motorsport-Engagement grundsätzlich zu hinterfragen. "Für die Marke VW haben wir das bereits entschieden. Wenn andere Marken das anders sehen, sind nachvollziehbare Synergieeffekte für die Serie die Minimalforderung. Doch der Klimawandel setzt andere Prioritäten."

Porsche hat im Februar auf Einladung an einer FIA-Sitzung teilgenommen, dort das Terrain sondiert und erste Anregungen eingebracht. Gefordert wurden dem Vernehmen nach ein wasserdichtes Reglement, der zwingend vorgeschriebene Einsatz synthetischer Kraftstoffe, ein deutlich höherer Elektrifizierungsgrad, der im Prinzip bereits beschlossene Kostendeckel und der Wegfall des kapriziösen und sündhaft teuren MGU-H-Bausteins, der Abwärme in elektrische Energie umwandelt.

Gegen die unter anderem von AMG Petronas favorisierte MGU-H sprechen auch die serienferne Technik und der bis jetzt nicht gelöste Leistungsabfall am Ende von langen Geraden. Für die Saison 2022 sind die Weichen zwar in Richtung synthetische Kraftstoffe gestellt (Nachteile: rund vier Prozent– circa 40 PS– weniger Leistung, diverse motorinterne Maßnahmen nötig, etwas höherer Verbrauch), doch schon für 2025 werden die Statuten noch einmal neu fixiert. Genau darum geht es in den Arbeitsgruppen, die sich in diesen Tagen formieren.

Im Raum stehen unter anderem Kostendeckelungen wie eine Motorlebensdauer von 8500 Kilometern, die Halbierung des finanziellen Aufwands pro Power-Unit auf maximal 750.000 Euro und ein neues Kraftstoffreglement mit der Option, im jährlich wechselnden Zuliefererturnus einen Einheitssprit vorzuschreiben.

Die hochgezüchteten und entsprechend anfälligen Elektromotoren, die das Budget mit bis zu 300.000 Euro pro Stück belasten, dürften ebenfalls bald der Vergangenheit angehören. Porsche erlebt diese Diskussionen in gewisser Weise als Déjŕ-vu, denn die Stuttgarter waren bereits 2017 kurz vor dem Einstieg in die Formel 1. Unter der Regie von Andreas Seidl (heute McLaren) hatte man schon damals für nachhaltige Kraftstoffe und die Abschaffung der MGU-H plädiert–ohne Erfolg. Der einst mit AVL List aufgebaute Einzylinder-Prüfstand, der in mehreren Exemplaren relativ weit gediehene V6 und das kompakte Renngetriebe mit integrierter Kupplung wurden verkauft oder schmoren bis heute in der Asservatenkammer.

Nach einer Abkühlphase begannen 2020 neue Sondierungsgespräche. Als zum Jahreswechsel feststand, dass der Konzern das Thema mit Audi und Porsche als gleichberechtigten Partnern auf höchster Ebene aufhängen würde, konkretisierten sich verschiedene Alternativen.

• Auto und Motor aus einer Hand, getrennter (nur ein Team) oder gemeinsamer Markenauftritt

In Stuttgart präferiert man die Komplettlösung aus einem Guss. Audi äußert sich nicht, aber man erinnert sich noch an Le Mans 2003, als Bentley mit dem Speed 8 siegte, einer Weiterentwicklung des Audi R8C. Auch in der Formel 1 ist eine entsprechend differenzierte Audi-Porsche-Doublette zumindest denkbar.

• Gemeinsame Motorentwicklung für Audi und/oder Porsche sowie mindestens ein Kundenteam

Trotz guter Beziehungen zu McLaren (Ex-Porsche-LMP1-Teamchef Andreas Seidl) und Williams (Ex-VW-Motorsportchef Jost Capito) wäre im Fall eines Motor-Deals Red Bull wohl die erste Wahl, denn der Vertrag der Österreicher mit Honda läuft Ende 2024 aus. Um den skeptischen VW-Aufsichtsräten, die um künftige Pfründe fürchten, den Wind aus den Segeln zu nehmen, gab es angeblich bereits Gespräche mit Katar, das als Investor und Hauptsponsor auftreten könnte.

Der finanzielle Aufwand wäre trotzdem beträchtlich, denn während Audi und BMW die Formel E Ende des Jahres verlassen, bleibt Porsche der CO2-neutralen Rennserie mittelfristig treu und will gleichzeitig ab 2023 auch die LMDh-Langstrecken-WM bestreiten. Damit sich das Engagement langfristig auszahlt, müssten die Schwaben spätestens 2022 den Wechsel von der Formel E in die Formel 1 beschließen– und die Formel 1 müsste die Elektrifizierungs-Ausschlussklausel mit der Formel E wohl neu verhandeln.

Audi war bis dato eigentlich außenvor: DTM abgehakt, Formel E abgehakt, Formel 1 abgehakt – obwohl die Marke unter Ferdinand Piech zweimal kurz vor einem Einstieg in die F1 stand und über mehrere Jahre einen sofort einsetzbaren, voll konkurrenzfähigen Motor in der Hinterhand hatte.

Gescheitert war die Aktion damals in letzter Konsequenz am Sponsor aus Nahost, der in wirtschaftliche Turbulenzen geriet und absprang. Der neue Herr der Ringe will künftig bei der LMPh-Langstreckenserie mitmischen und schon die nächste Rallye Dakar bestreiten– eine umstrittene Entscheidung, denn das Durchpflügen unberührter Natur mit hochmotorisierten (wenn auch elektrifizierten) Autos passt so gar nicht zur noch vom Dieselskandal befleckten Markenweste.

Warum also nicht ab 2025 in die Formel 1 wechseln? Die neu aufgestellte Motorsport-Truppe zeigte sich interessiert, und erstaunlicherweise kam auch aus Salzburg– Heimat der Mehrheitseigner Piech und Porsche– kein Veto. Doch Anfang März antwortete Ingolstadt auf Nachfrage mit einem harten Dementi: "Mehrausgaben von 200 Millionen Euro pro Saison sind aktuell weder der Belegschaft noch der Konzernführung vermittelbar." Aus Weissach, Wolfsburg und London hört man ganz andere Stimmen. Und auf der nächsten FIA-Einladungsliste sind sowohl Porsche als auch Audi als bestätigte Teilnehmer aufgeführt.

Porsche/Audi und Mercedes sind unterdessen auf dem besten Weg, sich die Rennserie auf unterschiedliche Weise schön zu rechnen. Um die Bilanz vor den Anlaufkosten in Höhe von mindestens 750 Millionen Euro zu schützen, denkt man beispielsweise in Zuffenhausen darüber nach, die F1-Aktivitäten in eine neu zu gründende Firma auszulagern.

Die laufenden Kosten veranschlagt Porsche mit etwa 150 Millionen Euro pro Saison. Mercedes kalkuliert aktuell mit rund 200 Millionen, die laut einer Nielsen-Analyse durch den Social-Media-Reach locker kompensiert werden – AMG Petronas beziffert den Medienwert inoffiziell auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem steht für 2025 ein von der FIA verordneter Cost-Cap von 100 Millionen Euro im Raum.

Was also spricht gegen ein Engagement, Herr Blume? "Alle fangen bei Null an", sagt Blume und nickt, "das hilft natürlich Neueinsteigern, die schneller Fuß fassen können. Aber noch fehlt ein durchgängig stimmiges Konzept, das den Motorsport und die Serie zusammenführt." Bis Ende April soll dem Audi- und Porsche-Vorstand ein entscheidungsreifer Vorschlag vorgelegt werden.

Einer, der im F1-Geschäft viele Fäden in der Hand hält, ist der frühere BMW- und Magna-Entwicklungsvorstand Burkhard Göschel, der seit fast elf Jahren für die FIA tätig ist, aktuell als Präsident der Manufacturers Commission und der Electric and New Energy Championship Commission.

Der gelernte Maschinenbauingenieur sieht die Hauptaufgabe der F1 ab 2025 in ihrer Rolle als nachhaltiger Effizienztreiber mit dem Ziel, CO2-neutral unterwegs zu sein: "Der Kunde muss vom technischen Fortschritt der Rennserie nachvollziehbar profitieren. Deshalb gilt es, den Wirkungsgrad weiter zu verbessern, das Akku-Gewicht zu senken und sich von den großen Speichern zu verabschieden. Gleichzeitig sollte man darüber nachdenken, die Batterieentwicklung im Rahmen einer Öffnungsklausel zu liberalisieren. Außerdem wäre es vernünftig, Zulieferer, die auch die Serie bedienen, stärker einzubinden."

Die Leistungsspirale will der Techniker freilich nicht zurückdrehen; mehr als 1000 PS sollten es schon sein, vielleicht sogar zweimal 500 kW, was jenen Konstrukteuren in die Hände spielen würde, die nur darauf warten, auch über die Vorderachse rekuperieren zu dürfen.

Welcher Verbrenner das Rennen macht, ist noch nicht entschieden. Ferrari pocht angeblich auf den Sechszylinder, betreibt jedoch aktuell auch Versuche mit Drei- und Vierzylindern. O-Ton Maranello: "Je kleiner der Motor, desto geeigneter ist er als Bestpunkt-Verbrenner, der wie ein Generator funktioniert. Außerdem kann ein Vierzylinder viel höhere Lasten fahren als ein V6, und er ist dank der Sockelplatte aus Stahl auch deutlich steifer."

Ferrari wird wieder als Motorenlieferant auftreten, eine Option, die sich auch Audi und Porsche offen halten. "Doch es wird möglicherweise nicht reichen, nur das Aggregat beizusteuern", orakelt eine Stimme aus dem Dunstkreis des Motorsportpapstes Fritz Enzinger. Der Grund: Analysten wollen herausgefunden haben, dass Fahrerpersönlichkeiten künftig immer stärker in den Vordergrund treten, frei nach dem Motto: "Der Fahrer gewinnt Rennen und wird Weltmeister, die Marke rückt ins zweite Glied."

Bedenken gibt es wohl auch in Bezug auf die zunehmend aufgeblähte und fremdbestimmte Vermarktung (Beispiele aus der Formel E wie Gaming, Fan Boost und Attack Mode werden von der F1-Gemeinde kritisch gesehen) sowie den bislang nicht ausreichend präzise definierten Vorsprung durch Technik, der im Rahmen des Paradigmenwechsels unter Umständen nicht genug in die Marke einzahlt.

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