Sie sprechen den hohen Auftragsbestand an. Welche Kaufanreize planen Sie für die Zeit nach der Krise, wenn die aktuell vollen Bücher abgearbeitet sind?
Die Situation ist volatil. Der Mangel an Halbleitern wird uns voraussichtlich noch bis Mitte dieses Jahres begleiten. Das heißt, jetzt geht es erstmal darum, den hohen Auftragsbestand abzuarbeiten. 2021 haben wir rund 180.000 Fahrzeuge in Deutschland verkauft. Das ist weit unter dem, was wir in normalen Jahren ausliefern. Wir gehen davon aus, dass wir ein größeres Volumen auf einem normalisierten Markt wieder erreichen können.
Im Handel wartet man aktuell auf viele Fahrzeuge, die nicht ausgeliefert werden können. Wann werden die Höfe wieder voller?
Im Laufe des Jahres. Sofern sich die Versorgungslage ab Mitte des Jahres entspannt wird es noch etwas dauern, bis das auch bei den Handelsbetrieben spürbar wird. Bis wir Normalität erreichen, kann es vermutlich bis ins vierte Quartal 2022 dauern.
Ihre Händler bekamen in diesem Monat eine Preiserhöhung, zudem wurden die Volumenziele für 2022 erhöht. Es macht momentan offenbar wenig Spaß, Audi-Händler zu sein…
Im Gegenteil! Unsere Händlerinnen und Händler sind gut ins neue Jahr gestartet, das ist das Feedback, was ich aus unserem Händlerbeirat und direkten Gesprächen mit den Partnern höre. Die Geschäfte haben ein gutes Ertragsniveau. Ich bin überzeugt, dass unsere Händler ganz optimistisch für 2022 sind. Das gilt für mich ganz genauso.
Für 2023 planen Sie die Einführung des Agenturmodells beim Vertrieb der Elektrofahrzeuge. Wird es ein echtes oder unechtes Agenturmodell werden?
Bevor man sich mit dieser Frage im Detail beschäftigt, ist für mich persönlich sehr wichtig, einen guten Dialog mit unseren Handelspartnern zu führen. Wir brauchen diese klare Abstimmung, bevor wir in ein neues Vertriebssystem einsteigen. Das planen wir jetzt in 2022, um dann in 2023 mit der Implementierung zu beginnen.
Gibt es zum Agenturmodell aus Ihrer Sicht eine Alternative?
Wir sind grundsätzlich immer daran interessiert, unseren Vertrieb bestmöglich weiterzuentwickeln. Das Agenturmodell haben wir bei unseren Großkundinnen und Großkunden bereits sehr erfolgreich etabliert. Wir halten es für absolut zukunftsfähig.
Wird das klassische Autohaus durch das Agenturmodell perspektivisch zu einem größeren Showroom? Der Handel nur noch als Handlanger der Hersteller?
Das sehe ich nicht so.Kundinnen und Kunden schätzen und brauchen die Emotionalisierung und den persönlichen Austausch im Autohaus. Der Handel wird auch langfristig das Rückgrat unserer Vertriebsstrukturen sein. Natürlich wird sich dort perspektivisch einiges ändern. Das Verkaufserlebnis findet jetzt sowohl offline als auch online statt. Diese beiden Wege müssen optimal miteinander kombiniert sein und das Agenturmodell trägt genau dazu bei. Das wird natürlich auch den Handel verändern. Aber es gibt auch jetzt schon viele positive Beispiele von unseren Audi-Partnern. Im Hinblick auf Elektromobilität beispielsweise vernetzen sich unsere Händlerinnen und Händler ganz anders, gehen proaktiv voran oder entwickeln eigene oder gemeinsame Ladeangebote.
Daimlers Vertriebsvorständin Britta Seeger sagte im Juli bei uns im Interview, es mache in einigen Gebieten Sinn, die Verkaufsfläche ihrer Autohäuser zu reduzieren. Teilen Sie ihre Ansicht?
Wir haben heute 335 Vertriebsstandorte in Deutschland und sind damit gut aufgestellt. Und eben auch zahlenmäßig etwas kleiner als mancher Wettbewerber.
Werden Audi-Autohäuser zukünftig also eher größer, statt kleiner?
Natürlich kann es Gebiete geben, in denen City-Showrooms oder Pop-up-Stores für uns Sinn machen. Aber man darf eines nicht vergessen: Wir haben 2021 in Deutschland rund 180.000 Autos verkauft und dafür kommen die Kundinnen und Kunden auch weiter gerne in unsere Autohäuser. Gerade in ländlichen Gebieten ist eine hohe Affinität dafür da, einfach auch, weil es zu den Verkäuferinnen und Verkäufer vielfach enge persönliche Beziehungen gibt.
Werden diese Verkäufer im Audi-Autohaus der Zukunft neben Autos auch gleich Ladesäulen und Photovoltaik-Anlagen an ihre Kunden verkaufen?
Ausschließen würde ich das nicht, aber es ist aktuell noch nicht Teil unseres Konzepts. Es gibt aber schon erste Händler_innen, die ihre Kunden ganzheitlich betreuen wollen und neben der passenden Wallbox auch gleich die Installation anbieten. Entscheidend ist, dass wir die Wünsche der Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt stellen, um die Transformation zur Elektromobilität zu erleichtern.
Diese Transformation ist die wohl größte Revolution der Automobilindustrie. Ist die Einführung des Agenturmodells die heimliche zweite Revolution in der Branche?
Es ist auf jeden Fall ein Thema, das viele beschäftigt. Und richtig ist auch, dass wir eine sehr gute Kommunikation brauchen, wenn wir unser Geschäftsmodell ändern. Wenn man aber sieht, wie erfolgreich wir mit dem Agenturmodell bei Großkundinnen und Großkunden sind, dann entzaubert man diesen Schritt auch ein wenig. Dann wirkt er gar nicht mehr so groß. Es ist für uns daher weniger Revolution, sondern eher der nächste logische Evolutionsschritt.
Großkunden bestellen allerdings deutlich mehr Fahrzeuge als der einzelne Kunde im Autohaus. Kann man das wirklich so vergleichen?
Wenn man das Konzept vergleicht, auf jeden Fall. Es geht um einen nahtlosen Kaufprozess über alle Kanäle hinweg und darum, den Kundinnen und Kunden ein hohes Vertrauen zu vermitteln. Das Agenturmodell schafft eine höhere Kundenbindung an die Marke Audi.
Ihre Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann wird zukünftig in Doppelfunktion auch Konzern-Vorständin bei Volkswagen sein. Ein Vorteil für Audi?
Audi hat schon immer eine starke Stimme im Konzern. Daran wird sich nichts ändern. Aber geben wir Hildegard Wortmann doch erstmal die Zeit, ihren neuen Job anzufangen.