Tesla wird nervös

Es gehört zu den selbstdefinierten Erfolgsfaktoren von Tesla: Auf klassisches Marketing in Form von Werbung und Sponsoring wird verzichtet. Das Geld stecke man lieber in die Entwicklung der Fahrzeuge, hieß es dazu lange beim Elektro-Marktführer. Branchenkenner zweifelten am Erfolg dieser Strategie, aber Tesla blieb konsequent. Bis jetzt.

Im Rahmen der Hauptversammlung des US-Unternehmens sagte Tesla-Chef Elon Musk jetzt: "Wir werden ein bisschen Werbung ausprobieren und sehen uns an, wie das läuft." Im Interview mit CNBC erklärte er dazu später noch: "Es gibt noch keine richtige Strategie, ich habe gerade erst zugestimmt."

Tesla will nun also Werbung ausprobieren. Was in normalen Zeiten nur eine Randnotiz wäre, passt in eine Reihe von Geschäftsentscheidungen, die der Marktführer für Elektroautos in den vergangenen Monaten traf und die eine Abkehr von alten Prinzipien darstellten. Man könnte vermuten: Tesla wird nervös.

Dem Schritt, sich an klassische Werbung heranzuwagen, gingen eine Reihe großer Preissenkungs-Aktionen voraus, mit denen Tesla seit Jahresbeginn in der Branche für Aufruhr sorgt. Im Januar fiel der Grundpreis für ein Model 3 um rund 6000 Euro. Seit April sind die Ladenhüter Model S und X in den USA um 5000 Dollar, Model 3 und Model Y um 1000 beziehungsweise 2000 Dollar rabattiert.

Einige Tage später folgte der Schritt in Deutschland für Model 3 (Grundpreis um bis zu 6000 Euro gesenkt) und Model Y (Grundpreis um 4000 Euro gesenkt). Das solle die Nachfrage ankurbeln, erklärte CEO Elon Musk. Die Konkurrenz in Europa nahm die Maßnahmen offiziell unbeeindruckt zur Kenntnis und reagierte nicht auf Teslas Kampfpreise. BMW teilte der Automobilwoche dazu mit: "Als Premiumhersteller verfolgen wir eine strategische Preispositionierung, die unseren Kunden Sicherheit und Verlässlichkeit bietet. Wir überprüfen unsere Preissetzung regelmäßig und beobachten den Markt – auf Basis etablierter Methoden und Prozesse."

Doch Tesla dreht weiter an der Preisschraube. In dieser Woche versendete das Unternehmen eine Mitteilung (schon allein dieser Schritt war in der Vergangenheit selten) und kündigte an, Flottenkunden hohe Rabatte zu gewähren. Für Geschäftskunden steigt die Förderung für die Baureihen Tesla Model 3 und Model Y auf bis zu 9750 Euro. Die Einstiegspreise für Flottenkunden sinken auf 33.035 Euro netto für das Model 3 und 35.473 Euro netto für das Model Y, jeweils zuzüglich Bereitstellungskosten.

Mit einer Marge von um die umgerechnet 9000 Euro pro Fahrzeug kann Tesla Rabatte wie diesen problemlos anbieten, ohne seinen Gewinn zu gefährden. Doch die Auftragseingänge des Elektro-Marktführers sind längst nicht mehr so stark, wie noch im vergangenen Jahr. Laut des gut informierten Tesla-Analyseaccounts "Troy Teslike" sanken die Auftragseingänge des Elektro-Herstellers von rund 476.000 Fahrzeugen im Juli 2022 auf jetzt nur noch 68.000 (!) Autos im April 2023. Auch der Aktienkurs fällt seit seinem Allzeit-Hoch im November 2021 langsam aber stetig und hat sich inzwischen halbiert. 

Chef Elon Musk, der sich zuletzt mit dem Kauf des sozialen Netzwerks Twitter und den Schwierigkeiten beim Umbau des Dienstes verzettelte, bekommt diese veränderte, wirtschaftliche Lage deutlich zu spüren. Auch Tesla sei nicht "immun" gegen Rezessionsrisiken, sagte Musk im Rahmen der Jahreshauptversammlung in Austin. Er rechne in den kommenden zwölf Monaten mit einem schwierigen Wirtschaftsumfeld. Musk kritisierte erneut, das Zinsniveau der US-Notenbank Federal Reserve bremse die Wirtschaft. Höhere Zinsen machen unter anderem Autokredite weniger attraktiv.

Das Problem des Tesla-Anführers: Die Konkurrenz ist inzwischen voll auf den einst innovativen Elektrokurs von Tesla eingeschwenkt und setzt den Marktführer massiv unter Druck. Mercedes verkaufte alleine im ersten Quartal weltweit so viele Elektro-Limousinen EQE wie Tesla Model S und Model X zusammen. Es fehlt an neuen Kaufanreizen, die alleine durch die regelmäßig durchgeführten Facelifts der vier Bestands-Modelle von Tesla nicht zu erzielen sind. Der für dieses Jahr erwartete neue Cybertruck und der LKW Semi dürften ebenfalls nicht als Volumenfahrzeuge durchstarten.

Das drückt auf Teslas Verkäufe, selbst wenn das Model Y aus Grünheide immer noch zu den meistverkauften Elektroautos des ersten Quartals 2023 in Deutschland gehört. Doch langfristig droht Tesla weiteres Ungemach, da die Konkurrenz immer näher heranrückt.

Zumindest seinen CEO-Posten bei Twitter gab Elon Musk (jedenfalls offiziell) an die Werbe-Managerin Linda Yaccarino ab, um sich wieder stärker auf sein Kernunternehmen zu konzentrieren. Das scheint nötig, denn Teslas Produktionskapazitäten sind inzwischen so gewaltig, dass das Unternehmen eine ausgeklügelte Vertriebsstrategie braucht. Die scheint aktuell eher zu lauten: Absatz geht vor Marge. 

Denn während die Abgesänge auf die deutsche Automobilindustrie oft durch neue Konkurrenz aus China unterfüttert werden, wird gerne vergessen, dass eben auch Tesla enorme Probleme durch die Markterfolge von BYD und Co. bekommt. Auf Schanghais Straßen war das Tesla Model Y aus dem größten Produktionswerk des US-Unternehmens im Südosten der Stadt sehr präsent. Der Expansionskurs von BYD bedroht daher auch Teslas Absatzziele unmittelbar.

Noch scheint es als würde Elon Musk mit all den Herausforderungen fertig. Bereits in diesem Jahr könnte Tesla erstmals Audi bei den Auslieferungen überholen. Doch der Druck auf den Elektro-Marktführer nimmt zu. Die Krone im Elektro-Segment sitzt zwar noch auf dem Kopf von Tesla-Chef Musk – die Herausforderer haben ihre Hände aber bereits zum Griff ausgestreckt...

Aus dem Datencenter:

Top-30-Marken im April 2023 in Deutschland