Bei der Namenswahl beweist VWN-Chef Carsten Intra Kontinuität: "Grip 2030", heißt die Strategie, mit der er die VW-Sparte für leichte Nutzfahrzeuge in die Zukunft führen will. Genau wie die bisherige Strategie "Grip 2025+", die er nun noch einmal deutlich nachgeschärft: Bei der Elektrifizierung will er die Schlagzahl deutlich erhöhen, das Autonome Fahren zum neuen Geschäftsfeld ausbauen und statt roter Zahlen endlich auch nachhaltig Milliardengewinne einfahren. Auch der Handel soll sich umstellen: VWN plant ein eigenes Agenturmodell.
Wie VW Nutzfahrzeuge sich fit macht für die Zukunft
Vor allem beim E-Antrieb will Intra nach dem Start des ID Buzz, der im September zu den Händlern kommt, das Tempo deutlich erhöhen. "Unser Ziel bis 20230: mehr als 55 Prozent der Autos in Europa sind mit grünem Strom angetriebene, batterie-elektrische, voll elektrische Fahrzeuge", kündigte er bei der Jahrespressekonferenz an. Die Palette an voll elektrischen Fahrzeugen, die bisher nur aus E-Crafter und dem nun anlaufenden ID Buzz besteht, soll dafür deutlich ausgebaut werden.
"Um das Ziel zu erreichen, müssen wir unsere Palette noch einmal deutlich anfassen", sagte Intra. "Wir werden nicht nur den ID Buzz haben. Wir werden auch alle anderen Fahrzeuge oder zumindest viele davon elektrifizieren. Vom Amarok bis zum Crafter werden wir da einiges tun müssen." Details nannte er noch nicht. Fest eingeplant ist bisher nur der E-Camper ID California. "Der wird nach 2025 kommen." Davon will VWN dann auch elektrisch vom Boom der Wohnmobile profitieren. 2021 wurden bereits 19.300 Verbrenner-California abgesetzt, 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Im vergangenen Jahr hatte der Anteil reiner E-Fahrzeuge von VWN bei gerade einmal einem Prozent gelegen, sagte Finanzchef Michael Obrowski. "2022 mit dem ID Buzz geht das stramm nach vorn." Bereits im ersten Jahr sollen von dem E-Bulli, der ab September ausgeliefert wird, mehr als 10.000 Stück gebaut werden. Im nächsten Jahr sollen es bereits 50.000 bis 60.000 sein, mittelfristig werden 120.000 bis 130.000 Stück pro Jahr angepeilt. "Wir denken, das wir da schnell hinkommen werden", sagte Intra.
Zum neuen Geschäftsfeld ausbauen will Intra auch das autonome Fahren. Auf Basis des zusammen mit Argo AI entwickelten Robotaxis will er weltweit Shuttledienste und selbstfahrende Lieferdienste aufbauen, 2025 soll der ID Buzz AD als Robotaxi erstmals bei der Konzerntochter Moia in Hamburg an den Start gehen. Bis 2030 wolle man dann in 50 Städten in Europe und Nordamerika entsprechende Angebote aufbauen, kündigte Intra an.
Als Basis soll dabei ein neues Special Purpose Vehicle (SPV) dienen, dass VWN mit der Selbstfahrtechnik des ID Buzz AD entwickeln will. "Und das wird keine Evolution des ID Buzz werden, sondern wirklich ein SPV“, kündigte Intra an. Anders als beim ID Buzz, der noch für klassisches Fahren konzipiert wurde, könne man sich dann voll auf den fahrerlosen Betrieb konzentrieren.
Wie das Fahrzeug aussehen soll, ließ Intra noch offen. "Wir sind noch in der Konzeptphase, das ist noch nicht fertig." Vom ID Buzz werde sich das SPV aber deutlich unterscheiden. "Wir werden einen großen Sprung brauchen und nicht einfach den ID Buzz nach vorne bringen." So könne man die Sitze anders konfigurieren und mehr Platz im Innenraum schaffen. Das Fahrzeuge solle Platz für mindestens vier Passgiere inklusive Gepäck bieten, sagte Intra. Ob es am Ende noch ein Lenkrad haben werde? "Das ist eine spannende Frage, die wir uns noch ansehen müssen."
In den USA seien beim Einsatz dann auch Kooperationen mit Anbietern wie Uber und Lyft denkbar, in Europa wolle man die Dienste dagegen selbst anbieten, fügte Finanzvorstand Obwowski hinzu. Bis 2030 soll das neue Geschäftsfeld, das VWN gerade in eine neue Sparte ausgegliedert hat, dann auch die Gewinnzone erreichen. "Wir planen, noch vor 2030 den Breakeven zu erreichen." Danach solle die Umsatzrendite in dem Segment bei zehn Prozent liegen.
Auch insgesamt will VWN den Gewinn deutlich steigern. Bereits 2026 soll die Umsatzrendite insgesamt auf fünf Prozent steigen und dann dort bleiben, kündigte Obrowski an. "Wir wollen uns stetig steigern und 2026 die fünf Prozent erreichen." Operativ wolle man dann Jahr für Jahr mehr als eine Milliarde Euro Gewinn erzielen. Auch dieses Ziel aus "Grip 2030" soll bereits 2026 erreicht werden. Der Umsatz soll sich von zuletzt knapp 10 Milliarden Euro auf rund 20 Milliarden verdoppeln. Die Kapitalrendite soll bis 2030 dann sogar auf 20 Prozent steigen. 2026 sollen es bereits zehn Prozent sein.
"Die Ziele, die wir mit Grip 2030 erreichen wollen, sind ambitioniert", sagte Intra. "Aber sie sind auch realistisch." Mit dem Fokus auf Elektro und Mobilitätsdienste rund ums autonome Fahren liege man auch voll auf der neuen Konzernstrategie 2030. "Mit unseren Produkten und Dienstleistungen werden wir die Mobilität der Zukunft entscheidend prägen."
Rote Zahlen, wie sie VWN noch 2019 geschrieben hatte, soll es künftig nicht mehr geben, kündigte Obrowski an. "Wir wollen keine Verluste mehr machen." Bereits im vergangenen Jahr war der VW-Sparte die Rückkehr in die Gewinnzone gelungen, und das sogar früher als geplant. Vor einem Jahr hatte Intra 2021 noch als „Jahr des Durchtauchens“ angekündigt, in dem man erneut rote Zahlen schreiben werde. Jetzt gab es zumindest einen kleine Gewinn.
"Dank hoher Kostendisziplin und konnten wir bereits im vergangenen Jahr einen aus meiner Sicht beeindruckenden Tunraround erzielen", sagte Intra. "Und das ein Jahr früher als geplant. Darauf sind wir alle sehr stolz!" Dass dies trotz Chipmangel gelungen ist, hat er vor allem einer Verbesserung im Modellmix zu verdanken. Denn der Absatz ging wegen fehlender Chips um drei Prozent auf 359.000 Fahrzeuge zurück. Weil aber vor allem die höherpreisigen Modelle gebaut wurden, stieg der Umsatz um sechs Prozent auf 9,9 Milliarden Euro.
Der Gewinn verbesserte sich sogar um mehr als eine halbe Milliarden Euro: Nach 545 Millionen Euro Verlust 2019, die vor allem hohen Ausgleichszahlungen wegen des Verfehlens des CO2-Flottenziels geschuldet waren, gab es nun 73 Millionen Euro Gewinn. Dazu beigetragen habe auch das starke Gebrauchtwagengeschäft. "Die Knappheit an Neufahrzeugen sorgte für eine Schub bei den Gebrauchten", sagte Obrowski. "Davon profitieret unser Gebrauchtwagengeschäft." Das habe am Ende "eine erheblichen Anteil zum Turnaround" beigetragen.
Den Kunden könnten im Gegenzug höhere Preise drohen. "Wenn die Rohstoffe weiter so steigen, wird es zwangsläufig zu Preiserhöhungen bei Fahrzeugen kommen", sagte Finanzvorstand Michael Obrowski. Und auch das Agenturmodell soll im VWN-Vertrieb Einzug halten. "Wir sind mit unseren Partnern in sehr konstruktiven Gesprächen", sagte Vertriebsvorstand Lars Krause. "Wir suchen nach einer einvernehmlichen Lösung."
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