"Wir beobachten das mit Argusaugen"

Seit fast einem dreiviertel Jahr ist Thomas Djuren Geschäftsführer von Kia Deutschland. Die Liste seiner Aufgaben ist lang. So gibt es nicht nur die Herausforderungen von Lieferkrise und Corona-Pandemie zu managen, sondern die Marke in Deutschland gemäß der neuen globalen Unternehmensstrategie "Plan S" umzubauen. Mit dieser will Kia sich zum Mobilitätsanbieter wandeln und eine Vorreiterrolle bei der Elektrifizierung einnehmen. Im großen Exklusiv-Interview spricht der Manager nun darüber, wie sich der Plan S konkret auf dem deutschen Markt bemerkbar macht und warum Kia bei der Fahrzeugversorgung Deutschland bevorzugt. Weitere Themen sind das Verhältnis zum Handel, die neue CI, offene Punkte im Händlernetz und die Gretchenfrage: Agenturmodell - ja oder nein?

Kia hat kürzlich mit der "Roadmap 2030" seine langfristigen Konzernziele vorgestellt. Was bedeuten diese für Deutschland?

Das lässt sich noch nicht im Detail herunterbrechen. Im Grunde genommen handelt es sich aber um eine Erweiterung unserer Konzernstrategie Plan S. Eine der Hauptsäulen darin ist die Elektrifizierung unserer Modellpalette. Wir haben 2021 mehr als 30 Prozent unserer Fahrzeuge als Plug-in-Hybrid oder reines E-Auto auf den Markt gebracht. Das liegt über dem Marktdurchschnitt von rund einem Viertel und ist eine erste Auswirkung unseres Plan S. Eine weitere Säule ist der Wandel zum Mobilitätsanbieter. Die Transformation machen wir mit der Erneuerung unserer Marke nach außen sichtbar. Aus diesem Grund heißen wir auch nicht mehr Kia Motors, sondern nur noch Kia. Es geht in Zukunft darum, Kunden mit Mobilität zu versorgen, und nicht mehr allein um den Besitz von Autos. Wir verzeichnen schon jetzt einen extrem steigenden Leasinganteil. Wir werten das als Zeichen dafür, dass Menschen sich nicht mehr über Jahre fest an ein Auto binden wollen. Die Leasinglaufzeiten werden zudem tendenziell kürzer. Das macht klar, wohin die Reise geht. Aus diesem Grund werden wir unter anderem ein Abomodell auf den Markt bringen. Auch Carsharing ist in der Diskussion.

Ist Toyota mit seiner Mobilitätsmarke Kinto hier ein Vorbild für Sie?

Da sind ja diverse Namen am Markt. Wir werden aber unseren eigenen Weg beschreiten und mit unserem Abomodell noch dieses Jahr starten. Hier werden wir in Kürze Gespräche mit dem Kia-Händlerverband darüber führen, wie wir das Modell im Händlernetz ausrollen können.

Lassen Sie uns über die Erneuerung der Marke sprechen. Aus dem Handel ist zu hören, dass Sie Ihre neue CI bereits in der Praxis erproben. Wann planen Sie den Roll-Out?

Wir haben mit dem Autohaus Brass in Frankfurt in der Tat einen Pilothändler, bei dem wir die neue CI erproben. Dort haben wir demnächst alles eingebaut, was in unserem Konzept vorgesehen ist. Nun schauen wir, wie die einzelnen Elemente vor Ort im Autohaus wirken. Danach entscheiden wir, was davon seinen Weg in die Fläche findet. Mit dem Rollout werden wir noch in diesem Jahr starten. Klar ist: Alle Händler werden innen und außen gemäß der neuen CI umgerüstet, um dem Wandel der Marke auch nach außen und im Händlernetz ein Gesicht zu geben.

Welche Investments kommen auf die Händler zu? Werden Sie ihnen dabei unter die Arme greifen?

Genau das evaluieren wir gerade im Rahmen der Pilotphase. Wir und unsere Kollegen aus der Europazentrale sind noch mitten in den Verhandlungen mit den Lieferanten. Wie in allen Bereichen gibt es auch hier Lieferengpässe. Das macht es schwierig, den richtigen Preis zu finden. Wenn wir die Kosten kennen, machen wir uns Gedanken darüber, in welcher Form wir den Handel unterstützen.

Die Zusage steht also: Der Handel muss die Investments nicht auf eigene Faust stemmen?

Zunächst einmal werden wir, wie gesagt, evaluieren, welche CI-Elemente für die Umrüstung der Betriebe überhaupt notwendig sind. Hier bleiben wir realistisch, denn wir brauchen keine Glaspaläste. Unsere Kunden sollen aber dennoch eine tolle Erfahrung beim Besuch der Handelspartner machen, sich wohlfühlen und gerne wiederkommen. Unsere Produkte und Serviceleistungen sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Wir werden in Kürze einen guten Überblick über die möglichen Gesamtkosten haben, die für eine sinnvolle CI-Umsetzung notwendig sind. Erst dann sind wir in der Lage, ein Unterstützungspaket zu entwickeln. Aber natürlich werden wir den Handel bei den notwendigen Investitionen nicht alleine lassen.

Wie steht es bei Kia aktuell um die Lieferzeiten?

Das hängt vom Fahrzeug ab. Modelle aus unserem Werk im slowakischen Žilina sind meist schneller und einfacher verfügbar als Modelle, die aus Korea kommen. Eine große Rolle spielt außerdem, wie die Fahrzeuge ausgestattet sind. Obwohl wir besser unterwegs sind als viele Wettbewerber, ist die Halbleiterversorgung auch bei uns schwierig. Autos mit vielen Displays und Funktionen benötigen mehr Halbleiter und dauern deshalb länger. Wir reden hier von sechs bis zwölf Monaten. Wir rechnen damit, dass sich die Lage ab dem zweiten Halbjahr generell etwas verbessert. Fahrzeuge bei denen es Verzögerungen in der Produktion gibt, wird es aber zunächst weiterhin geben. Dank unseres Lagers haben wir jedoch auch Fahrzeuge, die kurzfristig verfügbar sind.

Sechs bis zwölf Monate Lieferzeit, könnte bei einigen Modellen zu Schwierigkeiten mit der BAFA-Förderung führen. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Wir beobachten das mit Argusaugen. Weil das vor allem PHEV-Modelle betrifft, haben wir mit unserer Zentrale vereinbart, dass wir 2022 ein ordentliches Kontingent an PHEV bekommen. Deutschland ist einer von drei Märkten in Europa, wo die PHEV-Technologie stark gefragt ist. Darum werden diese drei Märkte vorrangig beliefert.

Hat der Krieg in der Ukraine ebenfalls Einfluss auf Ihre Fahrzeugversorgung?

Das prüft unser Headquarter gerade. Im Moment spüren wir das noch nicht. Es gibt auch noch keinen Hinweis, dass es zu weiteren Engpässen kommen wird. Aber natürlich beobachten wir das.

Wie groß ist derzeit Ihre Auftragsbank? Einige Ihrer Wettbewerber berichten, der Auftragseingang sei aktuell viermal so hoch wie in normalen Jahren. Ist das auch bei Ihnen der Fall?

Ich möchte keine genauen Zahlen nennen, kann aber bestätigen, dass wir uns in ähnlichen Dimensionen bewegen wie unsere Wettbewerber. Trotz einer relativ guten Verfügbarkeit ist unsere Kundenauftragsbank sehr gut gefüllt und lässt uns bereits jetzt optimistisch auf den Rest des Jahres blicken.

Derzeit liebäugeln viele Hersteller mit dem Agenturmodell – Sie auch?

Das Agenturgeschäft ist für uns keine Alternative. Wir bekennen uns ganz klar zu unserem Händlernetz. Die Händler sind Profis in der Kundenbetreuung und der Geschäftsanbahnung. Ich bin der Ansicht, dass ein Hersteller das in der Form nicht leisten kann.

Sie betreiben seit einigen Monaten eine Plattform zum Online-Autokauf. Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen Kia und seinen Händlern aus?

Auf der Plattform sind nur Fahrzeuge aus unseren Beständen gelistet, keine Bestellware und keine Händlerfahrzeuge. Das haben wir so mit dem Händlerverband vereinbart, weil wir keinen Wettbewerb zwischen den Händlern wollten. Der Handel ist beim Verkauf eng eingebunden. Wir stellen eigentlich nur die Plattform zur Verfügung und die zentral verfügbaren Lagerwagen. Hat der Kunde ein Fahrzeug gewählt, sucht er einen Händler aus, welcher dann den Kunden kontaktiert. Dieser ist dann Vertragspartner des Kunden und kümmert sich um alles weitere. Im Prinzip ist diese Plattform lediglich ein Werkzeug, um den Offline-Verkaufsprozess in die Online-Welt zu transferieren. Die Aufgabenverteilung zwischen Kia und dem Händler ändert sich dabei nicht. Wir sehen in dieser Plattform eine gute Möglichkeit, Kunden, die nicht in ein Autohaus gehen möchten, dort abzuholen, wo sie auch sonst möglicherweise einkaufen, nämlich online.

Werden Sie den Online-Vertrieb weiter ausbauen und zum Beispiel Gebrauchtwagen aus Händlerbeständen anbieten?

Das sind Ideen, die noch in den Kinderschuhen stecken. Aber all das ist unter der Klammer Plan S selbstverständlich ein Thema. Irgendwann wird das sicherlich kommen.

Kia hat in der Vergangenheit des Öfteren durch ungewöhnliche Vertriebskooperationen Aufsehen erregt, etwa mit dem Discounter Lidl. Wird es so etwas wieder geben?

Unter Berücksichtigung unserer neuen Markenausrichtung kann ich mir das eher nicht vorstellen. Wir wollen unsere Marke stärken und zukünftig vorrangig das Thema "Mobilitätsdienstleister" in den Vordergrund stellen, welches ja auch in unserem Zukunftsplan Plan S verankert ist. Zudem war mit Recht der ein oder andere Handelspartner auch nicht ganz zufrieden mit dieser Kooperation. Natürlich werden wir weiterhin offen sein für Ideen, die die Aufmerksamkeit für unsere Marke steigern. Dies wird aber im Einklang mit unserer Strategie und zusammen mit dem Händlernetz sein.

Gibt es in Ihrem Händlernetz noch offene Punkte?

Unser Händlernetz ist grundsätzlich gut aufgestellt, aber natürlich gibt es immer wieder Vakanzen. Aktuell betrifft das unter anderem den Ostteil von Frankfurt, den Süden von Hannover, Ludwigsburg, Siegburg und Herrenberg bei Tübingen, um nur mal die Gebiete mit den höchsten Potenzialen zu nennen.

Klopfen dafür bei Ihnen in letzter Zeit vermehrt Händler an? In dem ein oder anderen Händlernetz – etwa von Stellantis – gibt es derzeit ja erhebliche Turbulenzen…

Ja, das gibt es durchaus. Das Phänomen konnten wir schon 2021 kurz nach dem ersten Lockdown beobachten. Das ist überraschenderweise nicht nur auf Partner beschränkt, in deren Netzen es gerade Restrukturierungen gibt. Da sind auch Markenhändler dabei, die in der Vergangenheit wenig mit Kia zu tun hatten – etwa VW-Partner. Das hat auch gar nichts damit zu tun, dass diese bei anderen Herstellern keine Chance mehr sehen. Viele Händler betrachten uns einfach als gute Ergänzung ihres Portfolios und sehen die Wachstumschancen, die Kia in Zukunft, aber auch schon jetzt bietet. Kia ist bereits auf den Wandel der Kundenbedürfnisse bestens vorbereitet, zum Beispiel in Richtung Elektrifizierung mit einer breiten Palette an elektrifizierten Fahrzeugen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Armin Wutzer.

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