Frau Ofek, das israelische Start-up Mobileye ging für 15 Milliarden Dollar an Intel, und der Netzwerkspezialist Mellanox für 7 Milliarden an Chiphersteller Nvidia. Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Warum glauben Sie entstehen so viele gute Ideen in Israel?
Das hat mehrere Ursachen, denke ich. Aber unsere Haltung zählt definitiv dazu. Wir suchen die Herausforderung, und wir wollen für Probleme Lösungen finden. Wissen Sie wie der USB-Stick entstanden ist?
Ich kenne den Kerl, der ihn erfunden hat. Er durfte zu einem Meeting keine Disc mitbringen, also musste was Anderes her, und er hat den USB-Stick erfunden. Das ist schon irre, aber so ticken wir...
Woher kommt das?
Ein Grund ist wahrscheinlich auch die Zeit bei Militär. Wir machen alle mit 18 Militärdienst. Dort hat man mit Blick auf das spätere Berufsleben viele Möglichkeiten, wie beispielsweise Daten-Analyse, Algorithmen programmieren oder Software entwickeln. Dieses Know-how setzen viele nach der Militärzeit dann um und gründen beispielsweise Tech Start-ups.
Und das ist in Deutschland zum Beispiel anders?
Da gibt es kulturelle Unterschiede, ja. Wir hatten zum Beispiel in Israel zunächst das Problem, Leute zu finden, und wissen Sie warum?
Sie werden es mir verraten...
Weil die Tests, die wir den Interessenten vorgelegt hatten, zu leicht waren. Wir waren nicht ambitioniert genug. Die Leute hier suchen die große Herausforderung.
In Deutschland ist ein zu schwieriger Test dagegen gelegentlich ein Problem: Die Leute wollen es stets perfekt machen und haben manchmal Angst davor zu scheitern - und versuchen es daher vielleicht erst gar nicht.
In Israel gehört das Scheitern dazu. Wir denken und handeln alle sehr unternehmerisch. Das bringt auch mit sich, dass wir das große Ganze verstehen wollen und die Ziele des Unternehmens kritisch hinterfragen. Die Perspektive, mit der Leute an ihre Arbeit herangehen ist eine andere.
Als ich meinen Kollegen hier von Daimlers Leadership 2020 erzählt habe, haben einige gestutzt und sagt: "Was soll daran neu sein?" Schwarmintelligenz etc. Das war für sie selbstverständlich.
Führt diese andere, kritische Perspektive auch mal zu Reibereien zwischen deutschen und israelischen Entwicklern?
Das bedeutet ja Diversität, unterschiedliche Perspektiven zu haben und sich damit auseinanderzusetzen. Natürlich gab es Situationen, in denen Kollegen gesagt haben: "Wir verstehen nicht, was die deutschen Kollegen wollen". Oder jemand frustriert war, weil er die Antwort bekam: "Warum beschäftigst Du Dich mit dieser Frage, das hat doch gar nichts mit Deiner Arbeit zu tun."
Aber Du kannst nicht motiviert sein, für ein großes Ziel, wenn du das Gefühl hast, etwas läuft falsch. Man muss darüber sprechen.
Ich sage zu meinen Leuten immer: Ihr könnt nicht die Welt ändern. Verhalten zu ändern, heißt sein eigenes Tun zu verändern. Aber Ihr könnt Euch ändern und damit die Leute um Euch herum.
Aber uns allen ist klar: Die Transformation ist so groß, die schaffen wir nur gemeinsam. Mit Blickwinkel aus Tel Aviv, Seattle, Peking und all die anderen globalen Daimler-Standorte. Früher ging es nur ums Autobauen. Aber jetzt geht es um viel mehr.
Sie arbeiten in einem internationalen Netzwerk mit vielen jungen Leuten, wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Generell gilt doch: Die Mitarbeiter entscheiden über die DNA eines Unternehmens.
Ich frage meine Mitarbeiter zum Beispiel ganz einfach mal, wie es ihnen geht, setze mich mit ihnen zusammen, wir sprechen und tauschen uns aus – auch über Privates. Früher war Führung etwas, das sehr streng systematisiert wurde. Heute geht es vielmehr darum, den Menschen als solchen wahrzunehmen.
Ich schaue mir genau an, welche Talente diese Person mitbringt, denn nur darin kann sie großartig werden. Die Millennials bekommt man über Empathie und Inspiration. Sie wollen einen Chef, der sich für sie als Menschen interessiert. Jemand, der weiß, worin sie gut, sie fördert und ihnen hilft, sich weiter zu entwickeln.
Machen Frauen das besser als Männer?
Ich glaube Frauen sind oftmals empathischer. Und wir haben noch andere Fähigkeiten, die uns in der Phase der großen Transformation zu sehr guten Führungskräften machen.
Frauen stellen Fragen und wir bitten um Hilfe, wenn wir sie brauchen. In dieser Phase des Wandels, hat keiner alleine die Antworten auf alle Fragen.
Wir sind kooperativ wir sind nicht so Ego-Getrieben. Wir denken mehr in Win-Win und nicht in Win-Lose-Szenarien. Daher glaube ich, werden wir Frauen in der Wirtschaft dringend benötigt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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