Die VW-Mitarbeiter in Chattanooga haben entschieden. Eine Mehrheit der Mannschaft am 2011 eröffneten Standort im US-Bundesstaat Tennessee will beim Aufbau einer Art Betriebsrat nach deutschem Vorbild nicht die Gewerkschaft UAW (United Auto Workers; Anm. d. Red.) einbeziehen. Dass es bei dieser Wahl formal mit rechten Dingen zuging, steht außer Frage. Kein ernst zu nehmender Beobachter bezweifelt, dass bei der Abstimmung sämtliche zu einem Votum Berechtigten rechtzeitig über Ort und Termin des "Urnengangs" informiert sowie hernach alle Stimmen korrekt ausgezählt wurden.
Dennoch stimmt Bob King, der wortgewaltige Vormann der UAW, nun ein lautstarkes Klagelied an. "Es ist ein Skandal, dass politisch motivierte Dritte die wirtschaftliche Zukunft dieses Standorts bedroht haben", lautet einer von Kings Kommentaren, die in der Fahrzeugbranche international auf große Beachtung stoßen. Doch die Sichtweise des UAW-Chefs ist falsch. Dass sich "politisch motivierte Dritte" zu einer Streitfrage dieser Tragweite einlassen, ist nicht nur legitim, sondern im Willensbildungsprozess westlicher Demokratien ausdrücklich so vorgesehen. Und die externen UAW-Kritiker haben auch keineswegs "die wirtschaftliche Zukunft dieses Standorts bedroht", wie King die Arbeiter in Chattanooga glauben machen will. In Tennessee läuft der US-Passat vom Band, der schon bald eine umfassende Produktpflege erhalten wird. Wer – wie der Autor dieser Zeilen – schon vor Ort war und je die riesigen Erweiterungsflächen in Augenschein nehmen konnte, weiß, das diese Fabrik perspektivisch ausgebaut wird.
Ja, ausgebaut werden muss: Viel zu wichtig ist Chattanooga für die Expansionspläne von VW-Konzernchef Martin Winterkorn, als dass in Tennessee nach dem für die UAW sicher desaströsen Wahlergebnis nicht schon in absehbarer Zukunft gewaltige Investitionen getätigt werden würden. Die Abstimmung im Südosten der Vereinigten Staaten von Amerika war eine bittere Niederlage für die Gewerkschaft der Automobilarbeiter, die UAW. Nicht und nichts verloren hingegen haben die Automobilarbeiter von VW. Ihr Unternehmen wird Mittel und Wege finden, um eine auch für den einflussreichen Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh rundum akzeptable Lösung zum Aufbau einer Arbeitnehmervertretung in den USA zu finden. Die UAW zeigt sich als schlechter Verlierer. Wenn Bob King & Co. tief im Süden der USA je zu den Gewinnern zählen wollen, müssen sie dringend umdenken. Ein guter Anfang wäre die gedankliche Beschäftigung mit demokratischen Prinzipien.