Man traut seinen Augen nicht, wenn man liest, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer jetzt die ungleiche Behandlung der Autobauer in europäischen Staaten kritisiert. Und das nurwenige Tage nachdem er Daimler-Chef Dieter Zetsche zweimal am Nasenring durch die Manege gezogen hatte.
Wenn ihn der Umgang seiner europäischen Kollegen mitdem Thema „brutal ärgert“, dann hätte er doch Sergio Marchionne oder Carlos Ghosn ins Verkehrsministerium zitieren können. Es fahren ja wohl auch Fiats und Renaults auf deutschen Straßen. Nur gekommen wäre wohl keiner der beiden Bosse. Das ist der Gipfel politischer Orientierungslosigkeit.
Die Justiz hat einen stringenteren Plan und orientiert sich zunehmend an der Inquisition. Ab sofort ist die Jagd auf Thermofenster-Ketzer eröffnet. Mit dem Verdacht der Verdunkelungsgefahr, wie im Falle von Rupert Stadler, hat man ein scharfes Schwert, gegen das sich kein Topmanager zur Wehr setzen kann. Mehr noch, die mediale Inszenierung von Razzien und Festnahmen haben Staatsanwälte seit dem Fall Zumwinkel perfektioniert. Der Kalender der Bilanzpressekonferenzen der deutschen Hersteller dürfte inzwischen auf den Schreibtischen aller Ankläger liegen. An Kommunikationsabsprachen mit betroffenen Unternehmen hält man sich auch nicht mehr immer, und im Falle von 70 einfallenden Beamten und Polizisten wird schon mal auf 100 aufgerundet. So genau nimmt man es hier nicht, denn es sind ja keine Schadstoff-Messwerte. Der Aha-Effekt ist den Staatsanwälten in jedem Fall sicher.
Ich stelle mir die Frage, welchen Geisteszustand wir in dieser Republik erreicht haben. Wollen wir jetzt unsere wichtigste Industrie filetieren? Eines wäre sicher: Trump würde twitternd applaudieren, die Chinesen verschmitzt lächeln und die Autoimporteure heimlich erfreut ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Wollen wir das wirklich? Wollen wir, dass in ein paar Jahren Audi, Daimler, BMW oder VW in einem globalen Ranking um die Position 55 zu finden sind? So wie die Deutsche Bank, unser einziger, totregulierter Global Player im Finanzbereich. Dann macht weiter so.
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