Wolfsburg/Stuttgart. So mürrisch hatte man Matthias Müller lange nicht gesehen. Anfang Juni wurde der Vorstandsvorsitzende des Sportwagenbauers aus Stuttgart gefragt, wie es finanziell um die Kooperation mit dem Wolfsburger Großaktionär VW stehe. „VW müssen wir wie ein fremdes, drittes Unternehmen behandeln – und VW uns“, gab der Topmanager sichtlich unfroh zurück. „Entsprechend bekommt der Konzern von uns Rechnungen mit einem Gewinnaufschlag präsentiert – und wir von VW.“ Doch schon Anfang Juli strahlte Müller zufriedener denn je. Überraschend hatten VW und Porsche an einem späten Mittwochabend angekündigt, ihr Automobilgeschäft „bereits zum 1. August 2012“ zusammenzuführen. Reduzierte Verrechnungssätze inklusive. Gleich am Donnerstagmorgen erklärten Müller und VW-Chef Martin Winterkorn die Hintergründe des „beschleunigten Integrationsmodells“.
An einem buchstäblich geschichtsträchtigen Ort: Im Unternehmensarchiv des VW-Stammwerks Wolfsburg sagte „Wiko“, jetzt sei „der Weg endgültig frei für eines der bedeutendsten Vorhaben der Autobranche“. Der VW-Chef hatte es mal wieder gerichtet. Müller legte bester Laune nach: „Das Ziel ist tatsächlich erreicht.“ Nun könne sich Porsche wieder ganz auf das operative Geschäft konzentrieren. „Das“, so Müller, „kommt auch unserem Aktionär VW entgegen.“ Wie wahr. Eine Jahre währende Hängepartie, die VW viel Zeit, Geld und Nerven gekostet hat, geht ihrem friedlichen Ende entgegen. Danach hatte es lange nicht ausgesehen. Erst verhob sich der David Porsche kräftig bei dem Versuch, den Goliath VW zu übernehmen. Die Schlüsselfiguren des geplatzten Deals –Ex-Porsche- Chef Wendelin Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter – mussten mit Schimpf und Schande gehen. Plötzlich war VW gezwungen, sich an dem inzwischen hochverschuldeten Porsche-Konzern zu beteiligen. Der langjährige Entwicklungspartner und Lieferant durfte nicht weiter Schaden nehmen. Immerhin baut VW seinen Geländewagen Touareg bereits in zweiter Generation gemeinsam mit dem Porsche-SUV Cayenne im Werk Bratislava. Und aus der VW-Fabrik Hannover bezieht Porsche die lackierte Rohkarosserie für sein Sportcoupé Panamera. Doch die dann geplante Verschmelzung der beiden Unternehmen zu einem integrierten Automobilkonzern erwies sich als weitaus schwieriger denn erwartet. Millionenschwere Klagen von Aktionären auf Schadenersatz und hohe fiskalische Hürden standen der zunächst erhofften Fusion im Wege. Im vergangenen September mussten VW und Porsche einräumen, dass die 2009 in einer Grundlagenvereinbarung (GLV) angestrebte Verschmelzung „nicht im vereinbarten Zeitrahmen bis Ende 2011 umsetzbar“ ist.Und etwa ein halbes Jahr später wurde allen Beteiligten schmerzlich klar: „Auch die in der GLV vorgesehenen Put-/Call-Optionen erlauben wegen ihrer steuerlichen Behandlung keine Integration des Automobilgeschäfts zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen vor dem zweiten Halbjahr 2014.“ Im Klartext: Die mit dieser „Lösung“ verbundene Steuerlast war VW schlicht zu schwer. Überdies drängten Chefstratege Winterkorn und der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch intern immer wieder zur Eile. Mit Erfolg. Denn nun bringt die Holding Porsche SE bald ihren 50,1-prozentigen Anteil an der Porsche AG in den VW-Konzern ein. Als Gegenleistung erhält die Porsche SE rund 4,46 Milliarden Euro. Und, ganz wichtig: eine einzige VW-Stammaktie, die das Geschäft zu einer steuerlich günstigen Umstrukturierung macht. „Nach Abschluss der Transaktion wird Volkswagen über eine Zwischenholding 100 Prozent der Anteile an der Porsche AG halten“, freut man sich bei VW. Bei Porsche löst die Zwischenholding gar Jubel aus: „Für den Betriebsrat ist diese Konstruktion von höchster Bedeutung, da sie einhergeht mit der Einrichtung eines neuen, fakultativen Aufsichtsrats“, erklärt Uwe Hück, der oberste Arbeitnehmervertreter (siehe Interview). Bei Porsche durchregieren kann VW somit nur bedingt: Gegen den Willen der Zwischenholding-Räte wird kein Standort verlegt oder gar geschlossen. Und da Stuttgart Sitz der Porsche SE bleiben soll, hoffen Hück und viele Porscheaner insgeheim auf das Entstehen eines neuen VW-Machtzentrums – neben jenem in Wolfsburg. Mit solchen Gedanken hält sich Winterkorn nicht lange auf. „Die Zentrale des VW-Konzerns bleibt in Wolfsburg“, befindet er knapp.Viel wichtiger sind dem Topmanager all die Synergien, die VW und Porsche nun endlich heben können – auf 700 Millionen Euro pro Jahr beziffert er das Volumen. Und verheißungsvolle neue Fahrzeugprojekte, die VW und Porsche bald gemeinsam anschieben können. Zu deutlich reduzierten Verrechnungssätzen, versteht sich. Als wichtigstes Vorhaben wird man eine neue Porsche-Baureihe angehen, die zwischen dem 911 Turbo und dem Supersportwagen 918 Spyder positioniert werden und auf Modelle des italienischen Erzrivalen Ferrari zielen soll. „In enger Kooperation mit VW“, sagt Hück, „könnte so ein Auto mit ganz viel PS und ganz geringem Verbrauch schon 2015 anrollen.“ Neben der Entwicklung besonders sparsamer Antriebe können sich VW und Porsche nach ihrer „beschleunigten Integration“ aber auch bei anderen kostspieligen Projekten noch viel enger als zuvor verzahnen. „Beim vernetzten Auto etwa“, kündigt ein Insider an, „und bei innovativen Leichtbaulösungen, leider alles sehr teuer.“ Für die Porsche-Holding plant Müller schon „strategische Investitionen entlang der automobilen Wertschöpfungskette“. Ob Rohstoffhandel oder Erzeugung erneuerbarer Energien – „wir fassen Mobilität jetzt erheblich breiter“, sagt der Porsche-Chef. Und strahlt.Das Ende einer Irrfahrt
So mürrisch hatte man Matthias Müller lange nicht gesehen. Anfang Juni wurde der Vorstandsvorsitzende des Sportwagenbauers aus Stuttgart gefragt, wie es finanziell um die Kooperation mit dem Wolfsburger Großaktionär VW stehe. "VW müssen wir wie ein fremdes, drittes Unternehmen behandeln – und VW uns“, gab der Topmanager sichtlich unfroh zurück. "Entsprechend bekommt der Konzern von uns Rechnungen mit einem Gewinnaufschlag präsentiert – und wir von VW.“