München. Nach der weltweiten Krise im Fahrzeuggeschäft wusste Nikolai Setzer schnell, in welchen Regionen die Erholung beginnen würde. „Positive Signale“ empfing der Topmanager, im Vorstand des Zulieferers Continental verantwortlich für das Reifengeschäft, aus den USA. In Europa rechnete er allein im Ersatzgeschäft mit einem Wachstum von bis zu vier Prozent. „In Asien, vor allem in China, sollten die Zuwächse noch kräftiger ausfallen“, prognostizierte der Conti-Mann im Interview mit Automobilwoche. Setzer sollte recht behalten. In den Jahren 2010 und 2011 machten etablierte Reifenhersteller wie Conti und Goodyear international wieder glänzende Geschäfte.
Der französische Konzern Michelin etwa meldete für das vergangene Jahr jüngst einen Anstieg des Nettogewinns um 39 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro. Die operative Marge beträgt nun über neun Prozent. Und 2012 lässt sich gut an. Still und heimlich allerdings legten in der anziehenden Autokonjunktur auch solche Reifenmarken kräftig zu, deren Namen zuvor weithin unbekannt waren. Hankook und Kumho aus Südkorea etwa oder Westlake aus China. „In Großbritannien etwa stammen inzwischen schon gut 30 Prozent der dort verkauften Pneus aus China“, sagt Werner Portugal, Managing Director der Westlake-Mutter Qingdao Diamond Tire aus Hongkong.
Doch auch auf anderen wichtigen Absatzmärkten wie Deutschland, Österreich und der Schweiz verzeichnen Anbieter aus dem Reich der Mitte stetige Wachstumsraten. Portugal: „Und die Koreaner ebenfalls.“ Kein Zweifel: Nach der Erschließung ihrer heimischen Absatzmärkte haben sich asiatische Reifenproduzenten auf den langen Marsch nach Europa gemacht. Auch das strategisch bedeutende Nordamerika rückt zunehmend in den Blickpunkt von Pneu-Lieferanten aus China und Südkorea. So sorgte Hankook 2011 mit einem riesigen Werbebanner am Times Square in New York City für Aufsehen. „Diese Aktion verdeutlicht unsere wachsende Präsenz in den USA“, erklärte Chief Marketing Officer Hyun Shick Cho.
In Deutschland kooperiert Hankook neuerdings mit Borussia Dortmund – der Mannschaftsbus des Fußballmeisters rollt werbewirksam auf Pneus der Südkoreaner. Konkurrent Kumho unterhält eine Kundenloge im Stadion des Hamburger SV – günstig gelegen, in direkter Nachbarschaft der Loge des norddeutschen Pkw- Großhändlers Dello. Und aus dem Hankook-Werk Rácalmás in Ungarn, das gerade mit Investitionen von 230 Millionen Euro massiv erweitert wurde, beliefert der Konzern als Erstausrüster mittlerweile namhafte Autohersteller wie VW. BMW bezieht Hankook-Pneus aus dem Hauptwerk Geumsan. Doch dem Vormarsch der Asiaten sehen Goodyear & Co. nicht tatenlos zu. Michelin etwa will „neue Werke in Brasilien und China“ eröffnen. Und Conti arbeitet laut Setzer an Reifen für „betont preisgünstige Automobile“ – bislang eine Domäne der Asiaten.