Im Februar verkündete die Deutsche Post die Produktionseinstellung des vollelektrischen Kleintransporters StreetScooter. Dies war das Ende der ersten großen automobilen Vision des Gründers Günther Schuh. Für den Professor für Produktionssystematik an der RWTH Aachen waren die Schuldigen schnell gefunden: Zu langsam sei die Post gewesen, die Internationalisierung sei nicht vorangetrieben und das Re-Engineering-Programm verschleppt worden. Zudem hätten Amateure im Management nur auf die Gelegenheit gewartet, den 2014 von Schuh an die Post verkauften StreetScooter unter einem Vorwand einzustellen. Kein Wort darüber, dass die Fahrer des Transporters in der täglichen Praxis – trotz bester Fertigungsqualität der Türen – Winterreichweite, Heizung oder Betriebssicherheit monierten.
Und jetzt musste der Professor seine zweite Vision sogar selbst stoppen, den vollelektrischen Kleinstwagen e.GO. Denn auch für Hochschulbeamte gilt: Ist die Kasse leer, ist Schluss. Schuld haben auch hier die anderen. Allen voran Deutschland, dem der Professor ein Armutszeugnis in puncto Wagniskapital-Kultur bescheinigt.
Schuh hat das Unmögliche versucht, um herauszufinden, was möglich ist. Aber sollte man sich nicht an die eigene Nase fassen, wenn es dann nicht reicht? Sympathie aus Politik und Wirtschaft und Glamour-Storys in den Medien ergeben noch lange kein tragfähiges Geschäftsmodell. Wer sich am e.GO beteiligt hat, in welcher Form auch immer, hat nicht in Manitou, die allumfassende große Kraft investiert, sondern nur in den Schuh des Manitou. Und just diesen sollte sich der Professor aus Aachen jetzt auch anziehen. Denn eines steht fest: Nachhaltig ist diese Show in keiner Weise, weder ökonomisch noch ökologisch. Einen Will-haben-Effekt hat der e.GO beim Kunden nie ausgelöst. Wie auch, bei einem Sex-Appeal eines Etesia-Rasentraktors – wohlgemerkt technisch eines der besten Produkte auf dem Markt. Sollte dies nicht auch ein ausgewiesener Produktionsfachmann erkennen? Falls nicht, kann er immer noch sagen: Meine Idee war großartig, aber der Kunde ist halt doof.
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