München. Ingenieure können von der Natur noch viel lernen: Bio-Engineering setzt natürliche Bauprinzipien für Technikkomponenten um. Woran die Entwickler arbeiten, zeigt ein nach biologischen Konstruktionsprinzipien entworfener Designstuhl des holländischen Künstlers Joris Laarman. Der Stuhl entstand in Zusammenarbeit mit Fahrzeugingenieur Lothar Harzheim vom General Motors Europe-Entwicklungszentrum in Rüsselsheim. „So wie Bäume Material an stark belasteten Stellen hinzufügen und an weniger belasteten Stellen einsparen, so optimieren wir Fahrzeugkomponenten mithilfe eines Computerprogramms, das den natürlichen Wachstumsprozess von Knochen und Bäumen simuliert“, erklärt Fahrzeugingenieur Harzheim. Er unterscheidet dabei zwischen zwei Verfahren: CAO („Computer Aided Optimization“) und SKO („Soft Kill Option“). Beim CAO-Verfahren lässt er die zu optimierende Außenkontur eines Bauteils gemäß den biologischen Wachstumsregeln wachsen.
Beim SKO-Verfahren werden diese auch auf die innere Struktur angewandt, sodass wie beim Knochen auch das überflüssige Material im Inneren des Bauteils entfernt werden kann und somit extremes Leichtbaudesign entsteht. Beim Stuhl-Projekt waren Größe, Höhe und Lage von Sitzfläche und Rückenlehne vordefiniert und die Position der Aufstandsfläche der Stuhlbeine vorgegeben. Unter Berücksichtigung von neun Lastfällen ermittelte Harzheim dann am Computer die optimale Struktur der Stuhlverstrebungen. Radikale Denkansätze sind derzeit gefragt: Toyota stellte mit der Fahrzeugstudie 1/X auf dem Genfer Salon 2008 einen solchen extremen Ansatz vor. Grundlage für die Konstruktion des 1/X war die Innenraumgröße eines Prius und das Ziel, unter Beibehaltung höchster Sicherheitsstandards das Gewicht und den Treibstoffverbrauch zu halbieren – und ganz nebenbei die Fahrbahnoberfläche deutlich weniger zu beanspruchen. Der 1/X wiegt lediglich 420 Kilogramm, denn seine Karosserie besteht komplett aus Kohlefaserverbundmaterial.
Die Aufprallsicherheit der besonders leichtgewichtigen Fahrgastzelle steht der von herkömmlichen Stahlkonstruktionen in nichts nach und bietet zudem weitere Sicherheitsvorteile. So lässt sich dank ihrer hohen Festigkeit die Breite der Karosseriesäulen reduzieren, was das Sichtfeld des Fahrers vergrößert und damit die aktive Sicherheit erhöht. Mit der Leichtbaukonstruktion wird die derzeitige Gewichtsspirale (mehr Gewicht erfordert stärkere Motoren, was größere Bremsen erfordert, und so weiter) umgekehrt: Der Hybridantrieb des 1/X verfügt für längere Strecken über einen lediglich 500 Kubikzentimeter großen Verbrennungsmotor. In der Stadt lässt sich die Studie dank eines Plug-in-Hybridantriebs mit Lithium-Ionen-Batterie rein elektrisch betreiben. Unter dem Strich errechnete Toyota einen Kraftstoffverbrauch von 2,2 Liter pro 100 Kilometer für den 1/X.