Zwei Jahre ist es her, dass Vertriebschef Ola Källenius auf dem Genfer Salon "Mercedes me" präsentierte. Ganz fertig sei die digitale Serviceplattform noch nicht, meinten die damaligen Macher. Aber der Vorstand habe sich nun mal fürs Go entschieden. Software ist bekanntlich nie fertig. "Mercedes me" gibt es aber auch zum Anfassen – in den City-Stores. Jetzt kam der sechste, der größte Laden in der Hauptstadt Chinas dazu, im neuerdings größten Markt für Mercedes. Ein "New Normal", also einstellige Wachstumsraten wie beim Wettbewerb, kennt Mercedes dort nicht. Hubertus Troska, Daimlers China-Chef, orientiert sich beim Verkauf von Neuwagen lieber am Old Normal und legte im ersten Quartal fast 40 Prozent zu. Der neue Lifestyle-Store in Peking kommt da zur rechten Zeit. Mit einem klassischen Autohaus hat dieser nichts zu tun. Ein bisschen Habitat, ein bisschen Apple. Saft und Kaffee gibt es unten, zartes Rindfleisch oben. Zwischen Kunst und Kaffeetassen ist gerade noch Platz für ein mattgraues AMG-Sondermodell A 45 und die Langversion der neuen E-Klasse.
Lewis Hamilton und Nico Rosberg begrüßen mich auf der riesigen Videowand und bedauern, dass sie nicht hier sein können. Doch das macht nichts. Denn der Hausherr steht selbst im Laden. Ob er die lachenden Chinesen vor dem Eingang gesehen habe, die alle das leuchtende "me" fotografieren, frage ich Dieter Zetsche. Das "me", dessen Form an einen Glück bringenden Drachen erinnert. Worauf der Daimler-Chef den Finger an den Schnauzer legt und vielsagend "pssst!" macht. Der Mann weiß nicht nur, wie man Autos baut, die von Chinesen begehrt werden. Er macht auch die Menschen schon vor dem Laden glücklich, mit einem einfachen "me". Dass es trotzdem noch hipper geht, zeigt die lange Schlange wartender Chinesen auf der anderen Straßenseite. Dort gibt es das neue "Model T". Dies ist kein Tesla, sondern einwohl cooles T-Shirt beim japanischen Einzelhändler UNIQLO. Spätestens jetzt werden sie in Stuttgart über die eigene Poloshirt-Kollektion nachdenken – und über das Potenzial ihrer "me"-Stores. Denn auch offline ist man ja nie fertig.