Große Bühne statt Autoquartett

Wenn Hildegard Wortmann über den Wandel der Autoindustrie spricht, greift sie gern zu einem Kartenspiel. "Das klassische Autoquartett – schneller, höher, weiter – funktioniert einfach nicht mehr", sagt die Audi-Vertriebsvorständin dann. Das Prinzip habe sich überlebt. "Jetzt geht es vielmehr darum, dass wir eine nachhaltige Mobilität ermöglichen." Und die, daran lässt sie keinen Zweifel, wird vollelektrisch.

Dass sie als studierte Betriebswirtin keinen Ingenieursabschluss hat, sei dabei kein Makel. "Das Business ist längst keine Blechbiegeindustrie mehr", sagt die gebürtige Münsteranerin. "Es entwickelt sich immer stärker zum Hightech-Geschäft."

Erst vor knapp zwei Jahren war Wortmann als erste Frau überhaupt in den Audi-Vorstand eingezogen. In dem nach dem Abgang von Rupert Stadler runderneuerten Gremium gehört die 54-Jährige inzwischen zu den Dienstältesten: Nur Produktionsvorstand Peter Kössler ist länger im Amt.

Wortmann liebt die große Bühne, was sie zum wohl bekanntesten Gesicht der Marke neben Vorstandschef Markus Duesmann macht. Souverän führt sie durch die virtuellen Fahrzeugpremieren und drückt dem Wandel der Marke erkennbar ihren Stempel auf. Dabei blickt Wortmann oft weit über ihr eigenes Vertriebsressort hinaus und genießt es, neue Modelle zusammen mit den Entwicklern Probe zu fahren. Mancher sieht sie schon als mögliche Nachfolgerin von Duesmann, sollte der irgendwann nach Wolfsburg gerufen werden.

Das nötige technische Know-how hat sich die Betriebswirtin bei BMW angeeignet, wo sie 1998 angeheuert hatte. Eigentlich nur im Marketing, doch "ein gewisses Grundverständnis in Sachen Technik" sei für diesen Job halt unverzichtbar, sagte Wortmann damals. Neben der Begeisterung fürs Auto, die sie schon mitbrachte.

21 Jahre blieb Wortmann, die zuvor acht Jahre bei Unilever wirkte, dann bei BMW. Am Ende stand sie dort kurz vor dem Einzug in den Vorstand. Doch dann bekam Pieter Nota den Posten als oberster Vertriebschef. Wortmann ging stattdessen für BMW nach Singapur. Bis sie dort Ende 2018 der Ruf nach Ingolstadt erreichte.

"Ich bin leidenschaftliche Autofahrerin", sagt Wortmann. Und diese Passion habe sie schon immer gehabt, bereits vor ihrem Engagement bei BMW und Audi. "Zwar gehöre ich nicht zur Schrauberfraktion, aber ich liebe alte Autos und bin sogar schon dreimal beim Rennen Mille Miglia mitgefahren."

Auch an ihr erstes eigenes Auto erinnert sie sich noch genau: einen "froschgrünen VW Polo", gebraucht und schon recht alt. Den habe sie sich selbst zum 18. Geburtstag geschenkt, zusammen mit der Fahrerlaubnis. Das Geld dafür verdiente sie sich mit Nachhilfestunden.

Und das Autoquartett, das sie nun so gerne als Bild des Wandels bemüht? Als Kind habe sie das selbst auch gespielt, sagt sie. Aber nicht nur, fügt Wortmann dann mit einem Lachen hinzu: "Natürlich habe ich als kleines Mädchen auch mit Puppen gespielt."

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