Hamburg. Sein Wort hat Gewicht im VW-Konzern, in dem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer seit jeher weiter geht als bei den Wettbewerbern. Betriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Bernd Osterloh gab der Automobilwoche in hektischen Zeiten Einblicke in die Agenda des größten Autobauers Europas.
Herr Osterloh, VW-Aufsichtsratspräsident Ferdinand Piëch sieht sich „auf Distanz“ zu Konzernchef Martin Winterkorn. Können Sie das nachvollziehen?
Wir haben seit Monaten eine klare Haltung, ander sich nichts geändert hat: Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord. Gemeinsam mit ihm haben wir seit 2007 einebeispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Diesen Weg setzen wirfort.
Der VW-Konzern hat weltweit inzwischen 118 Standorte und fast 600.000 Beschäftigte. Ist das Unternehmen aus Sicht des Betriebsrats zu komplex geworden?
Wir sollten so viel wie möglich dezentral und so viel wie nötig zentral entscheiden. Denken Sie etwa an unseren Modularen Querbaukasten MQB. Da muss natürlich der Konzernvorstand dafür sorgen, dass die Ziele des MQB in der betrieblichen Praxis der Marken eingehalten werden und es keine Variantenexplosion gibt. Und bevor wir nochmals einen neuen Standort eröffnen, muss man schon überlegen, ob es nicht vielleicht einen bestehenden Werkskomplex gibt, den man noch besser auslasten könnte. Das lässt sich nur im Konzernverbund machen.
Ist der VW-Konzernvorstand überbesetzt?
An der reinen Kopfzahl störe ich mich nicht. Mir geht es um die Strukturen dahinter. Herr Winterkorn bringt in all seinen Verantwortungsbereichen eine unglaubliche Energieleistung auf. Mit all seiner Erfahrung aus dem Volkswagen-Konzern ist er ein Glücksfall für das Unternehmen. Wir müssen in den nächsten Jahren gemeinsam mit ihm die neuen Strukturen schaffen, um damit die Grundlage dafür zu legen, dass sein Nachfolger genauso erfolgreich sein kann wie er.
Nehmen wir an, Herr Winterkorn würde aufhören als Konzernchef in der kommenden Woche. Wer würde dann sein Nachfolger?
(Lacht) Herr Winterkorn hört nicht auf, Sie wissen doch, dass wir mit ihm nochmals verlängern wollen. Ihm geht es ums Unternehmen, um die Menschen. Generell haben wir viele weitere Manager im Konzern, die in Betracht kämen. Aber die müssen sich in den nächsten Jahren erst noch einmal beweisen.
Zu den großen Baustellen im Konzern zählt die Schaffung eines Nutzfahrzeugverbunds. Für welches Konzept ist der Betriebsrat?
Wir wollen eine Holding haben, unter der wir zunächst die Marken Scania und MAN aufhängen. VW Nutzfahrzeuge sollte eigenständig bleiben. In der Holding wollen wir eine starke Mitbestimmung verankert haben. Und unter vernünftiger Einbindung und Beteiligung der Arbeitnehmer wird es auch gelingen, weitere Synergien zu heben.
Und wo sollte die Holding ansässig sein?
Es gibt verschiedene Optionen, die wir in Ruhe beraten werden. Im Fokus steht die Frage, was gut für das Lkw-Geschäft ist. Auch bei der Standortwahl.
Warum kommt das Projekt „Budget Car“ bei VW nur schleppend voran?
Es wäre wirklich an der Zeit, dass wir damit bald mal starten. Projektleiter Hans Demant und seine Truppe haben bewiesen, dass man auch mit diesem Auto Geld verdienen kann. Der Betriebsrat hätte es gern in mehreren Varianten. Die offenen Fragen sind: Wo fangen wir damit an? Und mit welchem Partner?
Wie will VW die ASEAN-Staaten erschließen?
Nur mit Polo, Beetle und Passat wird dies nicht gelingen. Wir brauchen Rechts- und Linkslenker, ein Multi Purpose Vehicle, einen Pick-up, einen Hatchback. Toyota ist im Raum ASEAN Marktführer, das analysieren wir genau.
In welchen Modellnischen muss sich VW generell noch breiter aufstellen?
Die SUV-Welle läuft, und zwar weltweit. Da müssen wir sicherstellen, dass wir so viele Produkte wie möglich haben. Das gilt nicht nur für die Marke VW, sondern für den gesamten Konzern.
Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung des Effizienzprogramms bei der Kernmarke VW?
Wir sind auf einem guten Weg. Bei einigen großen Projekten stehen jetzt die Entscheidungen an, die richtig Geld sparen werden. Es ist gut, dass wir beim Golf die Zahl der Starterbatterien von sieben auf drei verringern und die Außenspiegel-Varianten reduzieren. Und wenn wir die Logistik- und Handling-Kosten auf diese Weise weiter senken, haben wir ganz nebenbei auch schnell ein paar Euro übrig.
Welche Erwartungen haben Sie an Ex-BMW-Manager Herbert Diess, der zur Jahresmitte die Führung der Kernmarke VW von Martin Winterkorn übernimmt?
Herr Diess wird sich um die Marke VW kümmern, nicht um den Konzern. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Natürlich ist VW nicht BMW. Wir sind etwas größer. Und wir haben ein paar Herausforderungen. Nicht unbedingt in Europa, nicht unbedingt in Deutschland. In Brasilien hingegen gibt es aktuell viel zu tun, in Russland, Indien, in den USA. Herr Diess wird dafür zuständig sein, dass die von Dr. Winterkorn eingeleiteten Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden. Es ist ein wenig die Funktion, die man in den USA als COO kennt.
Das Interview führte Henning Krogh