München. Kalendarisch ist dieser Winter erst zu einem Drittel verstrichen. Nach dem vielerorts bislang eher milden Verlauf der kalten Jahreszeit bleibt also ein Funken Hoffnung für den deutschen Reifenhandel. Denn wenn doch noch Frost und Schnee das Land wochenlang überzögen, kämen auch Umrüstmuffel nicht umhin, ihrem Wagen Winterreifen aufzuziehen. Das brächte den Händlern von Goodyear, Michelin & Co. den nötigen Umsatz – und endlich wieder ausgelastete Montagebühnen im Service. Gefühlt allerdings ist das Wintergeschäft für die Reifen- und Räderbranche bereits gelaufen. Und zwar weit schlechter als erhofft. "In der Größenordnung von zehn Prozent“ sei der Markt für Winterreifen in dieser Saison gegenüber 2011/2012 geschrumpft, so Nikolai Setzer, im Vorstand des Zulieferers Continental verantwortlich für die Division Reifen, auf Anfrage von Automobilwoche.
Setzer bezieht sich auf den Vorverkauf an Händler in ganz Europa. Ein plötzlicher Run deutscher Kunden nach starkem Wintereinbruch würde die trübe Zahl leicht aufhellen. Conti selbst konnte als gefragter Premiumanbieter seinen Absatz um ein Prozent steigern. Insgesamt aber steht die Branche unter Spannung. Zumal der Druck von mehreren Seiten steigt: Immer mehr Reifenhersteller aus aufstrebenden Industrienationen wie China, Indien und Südkorea greifen die etablierten Anbieter auf deren Hauptmärkten an. Der koreanische Reifenproduzent Kumho Tire etwa baut im hessischen Mörfelden- Walldorf ein neues Entwicklungszentrum auf, um die hohen technischen Anforderungen von Premiummarken wie BMW und Mercedes-Benz besser als bisher erfüllen zu können. "Wir setzen auf innovative Technologie und die Performance unserer Produkte“, kündigt der deutsche Kumho- Entwicklungschef Peter Becker an. Kumho macht der Konkurrenz mit einem harten Preiskampf das Leben schwer und will diese Strategie beibehalten, wie Becker erklärt.Mehr Druck von allen Seiten
Aber auch steigende Rohstoffpreise machen der Reifen- und Räderindustrie zu schaffen. Ob Aluminium zur Herstellung von Leichtmetallfelgen oder Rohöl für die Reifenproduktion – im international zunehmend härteren Wettbewerb können schon geringe Aufschläge sämtliche Kalkulationen über den Haufen werfen. Oder erratische Preissprünge, die selbst erfahrene Topmanager wie Elmar Degenhart kaum mehr verstehen: „Die Preise von Naturkautschuk haben in den vergangenen Jahren fast Jo-Jo gespielt“, gibt der Conti-Vorstandschef ein Beispiel. Auch angesichts dieser Unwägbarkeiten falle es „schwer, konkrete Prognosen für das Geschäftsjahr 2013 zu stellen“, räumt Hans-Jürgen Drechsler ein, Geschäftsführer des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV). Er ist jedoch „verhalten optimistisch“, dass im Reifengeschäft im Vergleich zu 2012 „ein leichter Zuwachs“ gelingt. Das sieht Conti-Manager Nikolai Setzer ähnlich: „Für 2013 erwarte ich ein kleines Marktwachstum im Reifenersatzgeschäft in Europa.“