München. Will man einen Autohändler in Rage bringen, genügen oft zwei Buchstaben: ein C und ein I. Beim Thema Corporate Identity haben die meisten mindestens eine Horror-Anekdote auf Lager: von Portalen, die erst teuer aus einem vorgegebenen Material gebaut werden müssen, bevor sie übermalt oder verkleidet werden. Von Vertriebsmitarbeitern, die mit dem Metermaß die Einhaltung der Vorgaben prüfen und wegen weniger Zentimeter die Boni kürzen. Von Möbeln, die nur von einem bestimmten – sehr teuren – Hersteller im Mutterland des Importeurs bezogen werden dürfen. Von ungeeigneten oder zu oft gewechselten Bodenbelägen. Und immer wieder hört man die Kritik, dass sich jeder neue Vertriebsvorstand erst einmal mit einer neuen CI im Händlernetz verewigen müsse. "Die Vertriebsvorstände wissen nicht, was sie anrichten“, schimpft Burkhard Weller, geschäftsführender Gesellschafter der Wellergruppe.
Grundsätzlich sei eine Corporate Identity ja sinnvoll. Das Problem sei aber, dass sie zu häufig gewechselt werde und es dabei nicht nur um ein bisschen Farbe an der Wand gehe. "Das sind gravierende Umbaumaßnahmen, die gehen in die Hunderttausende.“ Eine Fliese könne problemlos 15 Jahre lang liegen, doch das werde nur selten erlaubt. Dem Kunden jedenfalls sei es egal, ob der Boden nun den RAL-Ton 9001 oder 9006 habe, solange er ordentlich verlegt sei, sagt Weller. Auch Helmut Peter, Chef der Autohaus Peter-Gruppe, sagt, bauliche Standards müssten eigentlich so sein, dass man sie auf mindestens 15 Jahre abrechnen könne, dies entspreche auch der Abschreibungssituation. Nur leider sei das viel zu selten der Fall. Am Ende bleiben die Kosten am Handel hängen, sagt Weller.Doch das Neuwagengeschäft lasse dafür keinen Spielraum. Für so manche CI-Anforderung brauche man schon große Stückzahlen. Bei einem Audi-Terminal werde es unter 300 Autos pro Jahr schwierig, die Standards einzuhalten. Doch eine Chance, sich um die Vorgaben zu drücken, habe man kaum. "Man kann höchstens Zeit schinden, in der Hoffnung, dass der Anfall beim Hersteller vorübergeht.“ Branchenanwalt Christian Genzow stößt in dasselbe Horn. Auch er berichtet vom Hin und Her bei Fliesen oder gar Holzböden im Showroom. Ein klassisches Problemthema seien auch Änderungen bei der Signalisation. Ein Fassadenband koste bis zu 15.000 Euro, und Fiat beispielsweise habe diese in den vergangenen Jahren häufiger gewechselt, sagt er.Ein anderes Beispiel sei das Gucci-Sondermodell gewesen. "Dieses musste vor einer speziellen Wand stehen, mit Teppich.“ Kosten: mehrere Tausend Euro. Porsche, so erzählt er, habe von einzelnen Händlern sogar verlangt, das Dach anzuheben, damit der Cayenne mit Fahrrad auf dem Dach gezeigt werden konnte. "Das ist nicht mehr im Verhältnis“, sagt der Jurist. Einer der Händler habe deshalb die Kündigung in Kauf genommen. "Der hatte aber nur ein paar Jahre zuvor gebaut – in Absprache mit Porsche.“ Wie es beim Thema CI zwischen Händlern und Hersteller oder Importeur läuft, sei davon abhängig, wie gut es bei einer Marke läuft. Es hänge aber auch davon ab, wie gut Händlerverbände die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, sagt Genzow. "Je stärker eine Marke ist, desto fordernder ist sie“, sagt Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft. Insgesamt steht er der CI aber eher positiv gegenüber. "Ich glaube, die Marke Audi wäre heute nicht da, wo sie ist, wenn sie nicht am Point of Sale moderne, zeitgemäße Bauten hätte“, sagt er. "Sie können kein hochwertiges Produkt aus einer Bretterbude heraus verkaufen.“ Gerade die Kunden von Premiummarken hätten eine gewisse Erwartung an das Einkaufserlebnis. Und langfristig brauche jede Marke einen einheitlichen Auftritt.In Fällen wie der Fliesenfarbe habe die CI vielleicht keine direkt messbare Wirkung, unbewusst beeinflusse sie den Kunden aber trotzdem, ist sich Diez sicher. Überzogene Anforderungen und häufige Wechsel seien aber problematisch. "Jede Investition braucht eine gewisse Amortisationszeit“, betont er. Zudem dürfe der "Spaltmaß- Fetischismus“ nicht auf die CI übertragen werden. Insgesamt schätzt Diez die Kosten für eine CI aber nur auf 0,1 bis 0,2 Prozent des Umsatzes eines Autohauses. Die Wahrnehmung des Händlers sei wohl anders, weil er sich frage, "warum schon wieder?“ Viele Marken stellen nach Ansicht von Diez aber nur minimale Anforderungen, sodass die Händler bauen können, wie sie es auch ohne Vorgaben getan hätten.Schikane mit zwei Buchstaben
Zustimmung erhält derzeit Toyota für CI-Vorgaben mit Augenmaß. Erst kürzlich hatte Deutschland- Chef Ulrich Selzer einen Händler gelobt, der zwar auf dem Balkon über dem Autohaus Wäsche hängen hatte, aber in seinem Gebiet auf zwölf Prozent Marktanteil komme. "Was soll ich mit dem schimpfen?“, fragte Selzer. Wichtiger als Standards sei es, dass ein Händler "für die Marke brenne“. Dass die Japaner bei der CI schon mal ein Auge zudrücken, ist auch Wellers Erfahrung. Doch von wechselnden CI-Vorgaben profitieren nicht nur Fliesenleger in der Nähe von Automeilen. Die österreichische Firma ArsRatio hat ihr eigenes Geschäftsmodell aus dem Thema schneller Bodenwechsel im laufenden Betrieb gemacht. Sogar leasen kann man die Beläge des Unternehmens. Dass ArsRatio die Aufträge ausgehen könnten, ist kaum zu erwarten. Zwar ist von verschiedenen Seiten zu hören, dass angesichts der sich verschärfenden Situation im Handel ein gewisser Pragmatismus in den Vertriebsorganisationen Einzug hält. Andere erzählen aber beinahe das Gegenteil. Die zwei Buchstaben C und I werden wohl auch in Zukunft noch viele heftige Reaktionen auslösen.