Manche müssen erst von uns gehen, damit ihr erfolgreiches Schaffen gewürdigt wird. Den Beweis lieferten die Artikel und Nachrufe über Sergio Marchionne. Da war vom Giganten die Rede, vom Vordenker und Gestalter. Zu Lebzeiten habe ich nur wenige getroffen, die sein Tun, geschweige denn seine Strategie verstanden haben. Der Wahnsinnige war er, als er den insolventen Chrysler-Konzern übernahm. Viel Kopfschütteln gab es, als er seine „Confessions of a Capital Junkie“ veröffentlichte. Und als er Ferrari an die Börse brachte, wollte dieser Finanzjongleur nur abzocken.
Genialität und Wahnsinn liegen eben nah beieinander. Der Mann aus den Abruzzen war ein Genie, der 14 Jahre lang das getan hat, was Agnellis Erben von ihm forderten: Fiat und später FCA profitabel zu machen. Schon kurz nach seinem Amtsantritt 2004 sprach er in Wien auf dem Automotive News Europe Congress über Schumpeters Theorie der schöpferischen Zerstörung. Danach zerstörte er und ordnete die Konzernstrukturen erfolgreich neu, um das Unternehmen agiler zu machen. Von CNH bis hin zu Ferrari.
Mitdem Cinquecento gelang ihm ein Retro-Design, das der Knutschkugel die Top-Position in allen Bestseller-Listen Europas sichert. Im boomenden Freizeitmarkt findet man kaum ein Wohnmobil, das keinen Fiat- oder Iveco-Motor unter der Haube hat. Und selbst beim ökonomischen Sinn eines Fiat 500e sprach er Klartext: „I hope you don't buy it because everytime I sell one it costs me 14.000 dollars.“
Vielleicht ist aber sein größtes Verdienst, dass er dem Werben von Ferdinand Piëch um das Markenjuwel Alfa Romeo nie nachgab. Denn Marchionne war eben doch ein Car Guy. Die Legende besagt, dass er nach der Schule oft stundenlang in einem Showroom in Toronto saß, um einen roten Alfa zu betrachten.
Schon damals spürte er wohl, was Cuore Sportivo, was Leidenschaft bedeutet. Sonst wäre es ihm sicher nicht geglückt, mit der Giulia QV den anderen High-Performance-Marken großen Respekt abzutrotzen. Aber nicht nur deshalb wird Sergio Marchionne in meiner Giulia immer mitfahren.
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