Eine in der Praxis gängige Definition für Billigautos begrenzt das Marktsegment auf unter 10.000 US-Dollar, also umgerechnet rund 7800 Euro. Manche Experten unterteilen diesen Markt weiterhin in drei Segmente, das Ultra-Low-Cost-Segment von 2000 bis 5000 Dollar, das Segment von 5000 bis 7000 Dollar und das Segment von 7000 von 10.000 Dollar. Meiner Meinung nach ist es zweckmäßiger, die Sicht der Kunden in den Vordergrund zu rücken. Preisgrenzen ändern sich über die Ländergrenzen hinweg. Was in Deutschland als "Budget-Auto“ gilt, wird in Asien schon als "Mittelklassewagen“ gehandelt. Zudem gibt es länderspezifische Preisunterschiede, wie beim Dacia Logan, der in Rumänien für 5000 Euro zu haben ist, hingegen in Deutschland schon 7200 Euro kostet. Während Tata mit seinem 2500-Dollar-Auto Nano und chinesische Anbieter im Ultra-Low-Cost-Segment Produkte offerieren, können deutsche Hersteller mit ihren Kostenstrukturen, vor allem aber auch wegen der hohen eigenen Qualitätsstandards, noch keine Autos in diesen Segmenten gewinnbringend anbieten. VW wagt den Spagat und möchte im Preissegment von 7000 bis 10.000 Euro Autos herstellen, wenn auch in absehbarerer Zeit kaum für Europa. Also muss man sich die Frage stellen, ab welchem Preis der Kunde ein Automobil als "Budget-Auto“ wahrnimmt, unabhängig von den Marktgegebenheiten.
Die subjektive Wahrnehmung des Einstiegspreises hängt auch immer von weiteren Faktoren ab, wie dem Leistungsversprechen in der Kommunikation, dem subjektiv wahrgenommenen Mehrwert gegenüber dem Wettbewerber oder der Kommunikation des Preises. Eine aktuelle Studie des AIM zeigt deutlich, dass Kunden vonŠkoda das Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Marke besser einschätzen als die Kunden asiatischer Hersteller. Aus den Erkenntnissen der Studie kann man schließen, dass je schwächer und weniger emotional die Marken sind, desto bedeutender der Preis wird – und das trifft in Deutschland vor allem bei den Importeuren zu. Als solcher wird zum BeispielŠkoda trotz Volkswagen-Technik vom Kunden immer noch wahrgenommen. Es geht also nicht um den absoluten Betrag, der auf dem Kaufvertrag steht, sondern um das Verhältnis von Preis und Leistung, von gefühltem automobilen Mehrwert und dem Markenwert. Dies muss den Herstellern bewusst sein, wenn man nicht in die Tata Nano-Falle gehen will. Wir definieren Low-Budget-Autos deshalb nicht über einen absoluten Preis, sondern über das Preis-Leistungs-Verhältnis. Aus unserer Sicht sind es Modelle, die auf der Leistungsseite viel Basismobilität anbieten – dazu zählen etwa robuste Konstruktion, bewährte Technik, viel Platz, großer Kofferraum –, auf der Preisseite dabei deutlich wahrnehmbar unter dem Durchschnitt der jeweiligen Klasse liegen. Dabei darf nicht an Sicherheit gespart werden; auch ein Einstiegsmodell muss die minimalen Kundenerwartungen an die Ausstattung erfüllen."Statement gegen das Establishment"
Letztes Jahr wurden weltweit 6,5 Millionen Billigautos verkauft. Die Prognosen für diesen wachsenden Markt unterscheiden sich wesentlich: Für Automobile unter 10.000 Euro gibt es Prognosen bis 2017 von bis zu 16 Millionen Fahrzeugen weltweit, so von Polk. Das Haus A. T. Kearney stellt für den Ultra-Low-Cost-Bereich bis 5000 US-Dollar bis 2020 sogar 16 Millionen Autos in Aussicht, was einer jährlichen Wachstumsrate von 24 Prozent entspricht. Einig sind sich die Marktforscher, dass die Zukunft der Budget-Autos in den Schwellenländern China, Indien und Brasilien liegt. Die Hersteller dürfen sich jedoch nicht nur auf diese Märkte begrenzen, was der Erfolg der Marke Dacia in Westeuropa bestätigt.
Der Löwenanteil der Billigautoproduktion wird aus den Schwellenländern stammen, da bei den vorhandenen Markteintrittsbarrieren für Importfahrzeuge der angestrebte Kundenpreis anders nicht zu erreichen ist. Um am Wachstum dieses Marktsegments zu partizipieren, müssen sich deutsche Automobilhersteller und Zulieferer rechtzeitig auf diese Entwicklung einstellen und mit strategischen Entscheidungen passende Produkte anbieten. Entscheidend sind dabei die Bedürfnisse der Kunden in den Entwicklungsländern sowie eine preisorientierte Entwicklung und Konstruktion. Es geht nicht darum, alles was möglich ist und die neueste Technologie anzubieten, sondern so viel wie nötig und nicht mehr.Die etablierten Marken verfolgen mit ihren "billigen Töchtern“ ganz unterschiedliche Strategien. Renault führte die Budget-Marke Dacia zunächst in den Ländern ein, wo Renault und Dacia bereits bekannt waren. Man wollte die existierende Volumenmarke Renault nicht mit einem "Billig-Image“ verwässern. Dabei hieß das Erfolgsrezept von Dacia "Kostenreduktion durch Zweitverwertung“ und Nutzung bereits vorhandener Technologien. Man bedient sich der existierenden Technik von Renault-Modellen und schafft auch Synergien zwischen den einzelnen Modellreihen. In den Schwellenländern wie Russland oder Indien werden jedoch die Dacia-Modelle unter der international bekannteren Marke Renault verkauft, die dort auch eher mit Qualität verbunden wird als eine rumänische Marke.
Eine ganz andere Strategie verfolgt der Volkswagen-Konzern mit Škoda. Dieses Label wird als günstige Einstiegmarke in den Konzern genutzt, die Kunden an andere Marken heranführen soll. Dabei darf Škoda durchaus auf die neueste Konzern-Technologie zugreifen. Auch der Škoda-Vertreter der neuen Kleinwagenfamilie im Volkswagen-Konzern ist technologisch auf dem neuesten Stand. Insofern ist Škoda eher der "kleine“ VW als ein echtes Budget-Auto. Aber auch der Volkswagen-Konzern plant in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine "Budget-Marke“, welche nur das Bedürfnis nach Mobilität befriedigen soll. Allerdings gilt dieses Vorhaben vorerst nur für die Emerging Markets. So will man in den schnell wachsenden Märkten wie Indien, China und Brasilien auch die untere Preiskategorie zwischen 7000 und 10.000 Dollar bedienen. Der Plan ist nachvollziehbar, wenn man sich die Marktdaten, beispielsweise von China, anschaut: 2010 wuchs der Autoabsatz in China über 32 Prozent auf fast 18,1 Millionen Stück. J. D. Power hat für 2011 ein Plus von rund 15 Prozent berechnet. Zwei Drittel der Käufer kommen aus Städten und haben nur ein mittleres Jahreseinkommen von etwa 5000 Dollar. In diesem Preissegment sind also die meisten potenziellen Käufer zu vermuten. Die chinesischen Hersteller BYD, Geely und Chery kennen den Markt und ihre Kunden bestens und haben dadurch einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Europäern. Im Segment bis 50.000 Yuan, das sind rund 5500 Euro, verkaufen chinesische Unternehmen drei von vier Autos, in der Klasse bis 80.000 Yuan, etwa 8800 Euro, über die Hälfte.Der Volkswagen-Konzern hat bereits viele Marken im Portfolio, die unterschiedlich positioniert sind. Damit verfolgt der Konzern eine Vollsortimentsstrategie vom Kleinwagen VW Up bis zum Super-Sportwagen Bugatti. Ende 2011 umfasste die gesamte Palette im Konzern 240 Modelle, die Marke VW hat rund 70 Modelle – und die Zahl steigt immer weiter. Volkswagen verfolgt damit erfolgreich eine breite Marktausschöpfung und eine global differenzierte Zielgruppenansprache. Der Volkswagen-Konzern schafft es, bei der Umsetzung seiner Mehrmarkenstrategie die beiden zentralen Herausforderungen voll auszuspielen. Erstens sind die Markenauftritte jeder einzelnen Marke prägnant realisiert. Zweitens unterscheiden sich die Marken aus Sicht der Kunden deutlich voneinander. Jede Marke hat ein eigenes Markenleitbild, das als strategischer Rahmen für die Produktplanung und Marktbearbeitung dient. Das spiegelt sich auch im monetären Erfolg wider, der weltweite Marktanteil stieg von 7,5 Prozent im Jahr 1994 auf 12,3 Prozent im Jahr 2011. Zwar gibt es zwischen manchen Marken auch gewisse Kannibalisierungseffekte, allerdings halten sich diese im Rahmen. Eine "Billigmarke“ von Volkswagen ist vorerst nur in Schwellenländern geplant, deshalb besteht hier keine Gefahr, das Markenimage des Volkswagen-Konzerns zu schädigen. Dies gilt umso mehr, als auch die neue Marke mit einem eigenen Profil im Markt antreten wird. In Brasilien ist VW mit dem Gol bereits mit einem sehr günstigen Modell am Markt und das erfolgreich. Mit der Marke wurden länder- und zielgruppenspezifische Besonderheiten berücksichtigt, beispielsweise fährt das Auto auch mit Ethanol und ist mit zuverlässigen Türdichtungen auf die Wetter- und Straßenbedingungen Brasiliens ausgelegt.
Für Unternehmen wie Volkswagen, die bereits mit einem Portfolio von verschiedenen Marken auf unterschiedlichen Märkten tätig sind, ist eine geeignete Strategie zu entwickeln, welche das Low-Budget-Segment 7000 bis 10.000 Dollar bedient. Aus unserer Sicht kann der Volkswagen-Konzern dies nur mit einer neuen Marke unter dem Konzerndach bewältigen. Nicht geeignet erscheint hingegen eine Markendehnung nach unten als strategische Wachstumsoption, weil keine der vorhandenen Marken das Low-Budget-Image unterstützt. Die größte Hürde wird hierbei das deutsche Ingenieursdenken sein. Es sollte vielmehr das Motto gelten: Weniger ist mehr und robuste Qualität reicht aus.Es geht nicht um "billig“ oder "nicht billig“, sondern um ein zweckmäßiges Auto, mit dem man zuverlässig von A nach B kommt. Ein Auto, das man sich leisten kann und das die Mindestanforderungen erfüllt – mehr nicht. Die Formulierung "billig“ wird von den europäischen Automobilbauern gemieden – und das hat auch seinen Sinn. Denn ein notwendiges Maß an Qualität wird auch von den Kunden gewünscht, die nicht viel Geld für ein Automobil ausgeben wollen. Es geht auch hier um das Preis-Leistungs-Verhältnis. Um günstige Eintrittspreise zu realisieren, muss man auf Gimmicks verzichten, aber eine Standardqualität gewährleisten. Das bedeutet, dass "billig“ alleine noch kein Erfolgsgarant ist – nicht einmal in Märkten wie Indien, das hat der Tata Nano gezeigt.Škoda und Dacia machen es vor, wie es geht. "Billig“ funktioniert eben nicht immer, sondern nur dort, wo der Kunde es erwartet und auch mit der Marke inhärent verbindet.
Unsere Automobile haben immer mehr Leistung und Ausstattung, auch deshalb steigen die Preise stetig. Viele Ausstattungsvarianten wie die Servolenkung gehören seit Langem zum Serienumfang, man bekommt viele Fahrzeuge schon gar nicht mehr ohne diese Extras.
Nicht verzichten sollten die Hersteller auf sicherheitsrelevante Extras wie ABS oder ESP. Sogar im Dacia Sandero sind ABS mit elektronischer Bremskraftverteilung, Bremsassistent sowie Frontairbags für Fahrer und Beifahrer serienmäßig zu haben. In der EU sind viele sicherheitsrelevante Ausstattungen gesetzlich vorgeschrieben. Und es lohnt sich oft auch nicht, Fahrzeuge in einer weniger gut ausgestatteten Variante zu entwickeln und zu produzieren, denn die damit verbundene Komplexität ist teurer als die durch Massenverbreitung inzwischen relativ günstigen Komponenten. Verzichtet haben die Hersteller auf komfortbetonte Extras wie Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber oder ein Navigationssystem. Es gibt also eine Zielgruppe der Autofahrer, die auf prestigeträchtige Zugaben verzichtet und das Auto mehr als praktikables Mittel zum Mobilitätszweck nutzt. Hier kommt es also an auf ein "Just-Enough-Product" anstatt eines "German Overengineering-Product". Auch an dieser Stelle müssen die Hersteller aber aufpassen und lokale Kundenerwartungen berücksichtigen. In Russland und China sind etwa die Neuwagenkäufer im Durchschnitt viel jünger als in Europa, so dass ein Radio mit USB-Schnittstelle und Bluetooth-Verbindung zum Mobiltelefon ein Muss ist. Auch machen es die Klimabedingungen zum Beispiel in Indien schwierig, ein Auto ohne Klimaanlage zu verkaufen.Bevor man darüber nachdenkt, mit welchen Medien man kommuniziert, sollten sich Hersteller von Low-Budget-Autos die Fragen stellen, wer die Zielgruppe ist und welche Bedürfnisse diese genau hat. Sind es die bereits erwähnten puristischen Kunden, die rein auf die Mobilität aus sind, so muss die Ansprache auch exakt ihren Bedürfnissen entsprechen. Will man darüber hinaus auch andere Zielgruppen ansprechen, so darf die Botschaft nicht zu sehr zugespitzt sein. Aber auch Budget-Autos müssen ein prägnantes und differierendes Markenimage aufbauen, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Aufgrund der extrem begrenzten Kostenstrukturen können sie allerdings nicht die volle Klaviatur der Kommunikationsinstrumente nutzen. Umso wichtiger ist es, die Vorzüge der Marke klar, einfach und unmissverständlich zu kommunizieren und die Botschaften zu orchestrieren. Das bedeutet, um die durch die Kommunikation erzeugten Eindrücke zu vereinheitlichen und multiplizieren, müssen die Kommunikationsinstrumente inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt sein und über die Zeit hinweg einheitlich genutzt werden. Ansonsten verblassen die Gedächtnisspuren bei den Kunden beziehungsweise Zielgruppen. Nicht jedes Instrument leistet einen gleich großen Beitrag zur Integration. Um eine Marke bekannt zu machen, empfehlen sich Leitinstrumente wie Fernsehwerbung, Printmedien und zusehends auch das Internet. Dacia zeigt gut, wie es geht: Die Modelle von Dacia sind ein Statement gegen das Establishment und alle, die Luxus wünschen.
Der Produktionsstandort ist nicht so entscheidend wie die Herkunft der Marke und das Markenversprechen. Fast alle deutschen Automobilhersteller produzieren bereits im Ausland. Die Automobile erfüllen trotzdem höchste Qualitätsansprüche, die man gemeinhin eher mit dem Label "Made in Germany“ verbindet. Denn sie werden global an dem Qualitätsversprechen der Marke und dem Anspruch "German Engineering" gemessen.
Die Produktion im Ausland ist für deutsche Hersteller also ein effektiver Hebel zur Kostenreduzierung. Dass das Herkunftsland bei Billigautos nicht kaufentscheidend ist, zeigt der Erfolg von Dacia. Wenn der Preis stimmt, kümmert es die Kunden nicht, wo das Auto produziert wird. Allerdings kann der Hinweis auf "German Engineering" bei vergleichbaren Preisen helfen. Man sollte damit allerdings vorsichtig umgehen, schließlich muss man auch dem Image gerecht werden.