Drei Jahre ist es her, dass Herbert Diess als Superman in einem "Stern-Zeichen" in Automobilwoche zu sehen war. Was der Volkswagen-Chef anpackte, versprach Erfolg. Man war schon fast geneigt zu glauben, Volkswagen kann alles: autonomes Shuttlen, Software, Batteriefertigung und Elektro. Und ganz nebenbei sprudelten die Gewinne, als ob es den Dieselskandal nie gegeben hätte. Aber passt im Augenblick nicht eher der leicht abgewandelte Slogan des Ländle zur Situation in Wolfsburg? Wir können alles – außer liefern. Denn plötzlich klemmt es an vielen Ecken und Enden. Selbst beim Produkt. Beim Anlauf des elektrischen Zukunftsträgers ID.3 oder beim konventionellen Brot-und-Butter-Golf. Beide Baustellen kosten den Konzern nicht nur Milliardenbeträge, sondern auch Glaubwürdigkeit. Auch wenn die Strategie nicht falsch ist, macht man eben über Nacht aus einem traditionellen Automobilhersteller keinen Technologiekonzern. Denn wenn man zu viele Themen gleichzeitig anpackt, fliegen einem auch in digitalen Zeiten die Dinge um die Ohren.
Herbert Diess ist angezählt. Schon einige Tage vor seiner Demission als VW-Markenchef relativiert der designierte Nachfolger bereits die Elektrostrategie seines Chefs. Es wird also weiter mit harten Bandagen um den richtigen Kurs gekämpft. Was wiederum die rhetorische Frage eines Topmanagers im Konzern erklärt, der von mir wissen wollte, was ich derzeit so über Volkswagen höre. Offensichtlich wächst die Zahl derer, die glauben, dass Diess bei der nächsten Planungsrunde im Herbst schon nicht mehr dabei sein könnte. Eine sichere Deckung und die Konzentration auf das eigene Geschäft ist deshalb die angesagte Strategie im Management. So lange, bis klar ist, wie es im VW-Konzern weitergeht. Denn danach könnte eine Welle von Rochaden anrollen. Zur Freude des einen, aber sicher auch zum Leid des anderen. Erinnern wir uns: Diess' Vorgänger Matthias Müller machte nie ein Hehl daraus, dass er wenig "Bock" auf den Wolfsburger Chefposten hatte. Aber wenn ein Konzern ruft, der alles kann, kann man halt eines auch nicht: Nein sagen.
Lesen Sie auch:
Rückschlag für Erdogan: Volkswagen baut kein neues Auto-Werk in der Türkei
Update für den Bestseller: So soll sich der Tiguan an der Spitze der VW-Palette behaupten
Aus dem Datencenter: