Winterkorn kündigt neue Konzernstruktur an

Hamburg. Der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn hat im Nachgang der turbulenten Wochen im Zwölf-Marken-Konzern spontan seine Führungskräfte einberufen, um sie auf kommende Herausforderungen einzustimmen. Nach Informationen der Automobilwoche fand am gestrigen Donnerstagabend (7. Mai) im großen Sitzungssaal des "Mobile Life Campus" an der Wolfsburger Auto-Uni ein außerplanmäßiges Event namens "Managementinformation" (MMI) statt, an dem vor Ort gut 1000 hochrangige VW-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilnahmen. Weitere rund 4000 Zuschauer und Zuhörer wurden an nahezu 60 der weltweit 118 VW-Standorte mittels mehrkanaliger VW-Intranettechnik live zugeschaltet.

Nach einer kurzen Begrüßung durch VW-Personalvorstand Horst Neumann richtete sich Winterkorn "in rundum aufgeräumter Verfassung und sichtlich guter Stimmung", so ein Augenzeuge, an die VW-Leitenden. "Unser Chef ist spürbar voller Tatendrang", fasst ein anderer VW-Angehöriger seine Eindrücke zusammen. „Unser Blick geht nach vorn. Wir bereiten den Konzern jetzt auf die kommenden 10, 20 Jahre vor", sagte der oberste Konzernstratege zum Auftakt seines Vortrags. "Mit neuen Technologien, mit der Digitalisierung und mit zukunftsweisenden, neuen Geschäftsmodellen rund um unsere Fahrzeuge". In der folgenden Analyse erklärte Winterkorn: „Der Konzern ist in neue Dimensionen gewachsen, die Autowelt verändert sich von Grund auf und stellt uns vor ganz neue Herausforderungen. Es ist an der Zeit, unser Führungsmodell weiterzuentwickeln und die Strukturen und Aufgaben ein Stück weit neu zu ordnen. Wir müssen schneller, effizienter und beweglicher werden.“ In diesem Kontext annoncierte der Topmanager: „Bis Oktober werden wir die neuen Strukturen vorstellen".

In seiner Rede verband Winterkorn "auf so geschickte wie überzeugende Weise", so ein Ohrenzeuge der Ansprache gegenüber Automobilwoche, selbstkritische Überlegungen mit unmissverständlichen Appellen an den "Tatendurst" seiner Teams und die aktuelle Aufbruchstimmung bei VW: „Wir legen überall dort nach, wo wir heute noch unter Wert spielen. Unsere Aufgaben haben wir mit voller Rückendeckung des Aufsichtsrats längst in Angriff genommen. Und hier werde ich nicht nachlassen". Dem Vernehmen spielte Winterkorn dabei vor allem auf das schwächelnde US-Geschäft des niedersächsischen Unternehmens, die Verzögerung des Projekts "Budget Car" sowie die verbesserungswürdige Rendite der Kernmarke Volkswagen an. In diesem Zusammenhang betonte Winterkorn: „Wir legen 100 Prozent Fokus auf unsere Fahrzeuge und Technologien, auf Effizienz und Ertragskraft – und auf unsere Kunden.“ Als ein konkretes Beispiel für die Geschäftserfolge rund um alternative Motorisierungsarten etwa nannte Winterkorn "5500 Fahrzeuge mit reinem Elektro- oder Plug-in-Hybridantrieb, die schon jetzt jeden Monat in unserem Konzern entstehen".

Für die Zukunft zeigte sich Winterkorn im Rahmen der Sonder-MMI jedoch auch aus zwei anderen Gründen optimistisch: „Ein wesentlicher Teil von 'Future Tracks' ist unsere künftige Führungsstruktur. Unser Führungsmodell eines starken Konzerns mit starken, eigenständigen Marken hat sich bewährt". Neben dem Zukunftsprogramm "Future Tracks" hob der VW-Lenker eine bedeutsame Personalie hervor: „Ich bin froh, dass es mir in langen und intensiven Gesprächen gelungen ist, Herrn Dr. Diess für Volkswagen zu gewinnen. Er ist der richtige Mann, auf der richtigen Position, zur richtigen Zeit. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit". Ex-BMW-Manager Herbert Diess wird zur Jahresmitte die Führung des Haupt-Labels VW von Winterkorn übernehmen.

Auch auf den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piech, der vor Wochen überraschend "auf Distanz zu Winterkorn" gerückt war, ging der VW-Chef MMI-Teilnehmern zufolge "mit wohlgesetzten Worten" ein. Demnach bedankte er sich ausdrücklich bei Piech für dessen enorme Verdienste um VW und räumte ein, dass er – Winterkorn – Piechs Motivation für die Kritik noch immer nicht nachvollziehen könne. Zugleich bat er seine Führungskräfte darum, entsprechende Mutmaßungen inskünftig abzustellen und sich von externen Spekulationen nicht beirren zu lassen. Mit Nachdruck dankte Winterkorn seiner Mannschaft für deren Unterstützung seiner Person in der jüngeren Vergangenheit und bekräftigte: „Ich bin absolut überzeugt: Gemeinsam können wir alles erreichen. Diese einzigartige Erfolgsgeschichte von Volkswagen wird weitergehen". Wie Anwesende berichten, gab es hernach "Standing Ovations" für den sichtlich gerührten VW-Vormann.

Zum Ausklang der Veranstaltung trug Andreas Renschler, Nutzfahrzeugvorstand des Konzerns, Eckpunkte der neuen Strukturen für das Geschäft mit Lkw und Bussen vor. "Winterkorn hat gezeigt, welche Energie in ihm und in diesem Konzern steckt", bilanziert einer der MMI-Besucher. "Ja, die vergangenen Wochen waren nicht einfach für ihn, nicht für uns, nicht für den ganzen Laden". Gedankenpause. "Aber jetzt herrscht hier große Zuversicht, dass in den kommenden Monaten wieder Ruhe einkehrt – und die nächsten Jahre für VW nochmals kräftige Geschäftsimpulse und wertvolles Wachstum bringen". VW-Insider schließen nicht aus, dass Winterkorn die Grundzüge der besagten neuen Konzernstrukturen bereits deutlich vor dem Monat Oktober präsentiert. "Ich habe seinen Hinweis auf den zehnten Monat des laufenden Jahres als ein 'spätestens' empfunden", so einer der MMI-Gäste.