Kommentar: Die Entmachtung von Ford Europe

Was daherkommt wie eine Personalrochade, ist eine Entmachtung. Ford-Konzernchef Jim Farley hat offensichtlich kein Vertrauen mehr in seine Führungsmannschaft in Europa und setzt sich mit seinen Getreuen in Detroit an die Spitze. Das wird nicht im Guten enden, ist zu befürchten.

Nahezu immer, wenn ein amerikanisches Headquarter glaubte, es besser zu können als die lokalen Bosse vor Ort, endete dies in einem Trauerspiel. Das war so bei Jaguar Land Rover (Ford), bei Saab (General Motors) und bei Chrysler (General Motors).

Zwar bleiben die Führungskräfte in Köln an ihren Schreibtischen, doch sie haben weit weniger Prokura und sind zu Erfüllungsgehilfen ihrer Vorgesetzten in Detroit degradiert worden.

Genau das Gegenteil wäre aber in der aktuellen Lage von Ford in Europa wichtig. Strategische Entscheidungen müssen getroffen werden mit dem Detailwissen um die regionalen Strukturen und Besonderheiten.

Jim Farley war selber gut zwei Jahre lang von 2015 bis 2017 Präsident von Ford in Europa. Als er im Oktober 2020 zum CEO des Konzerns aufrückte, verband sich damit die Hoffnung, ein ausgewiesener Europa-Kenner nehme nun mehr Rücksicht auf die europäischen Belange und kenne die Produktwünsche der Europäer.

Das war offenbar ein Irrtum. Farley überwies nur tröpfchenweise Investitionsmittel nach Europa, immer mit dem Verweis verbunden, um wie viel mehr Rendite jeder investierte Dollar doch in Nordamerika abwerfe.

Deshalb muss sich Ford in Europa nun mit einem einzigen zukunftsfähigen Pkw-Modell begnügen – dem durchaus gelungenen elektrischen Explorer, den so mancher Autoexperte für das bessere Auto hält als das "Original", der VW ID.4, von dem die MEB-Plattform stammt.

Es steht zu befürchten, dass die Entmachtung der Europa-Strukturen Vorbote ist einer weit gravierenderen Entscheidung. In Köln jedenfalls denken inzwischen viele darüber nach, wie lange Ford in Europa noch Pkw bauen wird.