25.000 Beschäftigte protestieren gegen Stellenabbau bei Bosch

Die Zentrale des Bosch-Konzerns liegt idyllisch in einem Wald auf der Schillerhöhe bei Gerlingen, einem Vorort von Stuttgart. Doch mit der Idylle ist es vorbei, seit das Unternehmen im großen Maßstab Stellen streichen will. Über 10.000 Beschäftigte sind dem Aufruf des Betriebsrats und der IG Metall gefolgt, um die Geschäftsleitung zur Rücknahme der Pläne zu bewegen. In ganz Deutschland mit weiteren Standorten sollen es 25.000 gewesen sein. "Wir werden den Stellenabbau nicht akzeptieren", sagte Betriebsratschef Frank Sell in seiner Rede. Dabei geht ist immer wieder um den Bruch einer lang gepflegten Unternehmenskultur.

Bisher galt bei Bosch eine eiserne Regel. Zwar gab es immer wieder mal Krisen und auch Stellenabbau. Doch diese wurden im Einvernehmen mit den Beschäftigten und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Das Wohl der Mitarbeiter stand bei dem Stiftungsuternehmen im Zweifel über den Zielen der Profitabilität. Nun aber hat das Unternehmen aus Sicht des Betriebsrats diesen Weg im Geiste des Firmengründers Robert Bosch verlassen. Keinen Millimeter rücke die Geschäftsleitung von ihren Positionen ab, sie würden als alternativlos dargestellt. "Bosch hat 2000 offene Stellen und schmeißt auf der anderen Seite dreieinhalbtausend Leute raus, das ist doch ein kompletter Irrsinn", brüllt Sell ins Mikrofon auf der Bühne.

Von einer Transfergesellschaft ist die Rede, in die überflüssige Mitarbeiter geschoben werden sollen. Auf diese Weise solle Druck ausgeübt werden, um diese dann besser loswerden zu können, mutmaßen die Arbeitnehmervertreter. Wer sich bei den Teilnehmern umhört, bekommt vor allem einen Satz zu hören: "Ich habe Angst um meinen Job." Gekommen sind auch Beschäftigte von Mercedes in Untertürkheim oder vom Stuttgarter Zulieferer Mahle, wo ebenfalls ein Stellenabbau droht. Bei Bosch stehen über alle Geschäftsbereiche hinweg bislang mehr als 7000 Stellen zur Disposition - davon bis zu 3200 im Automobilbereich.

Allerdings gilt zumindest bei Bosch Mobility eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2027, die Kündigungen eigentlich ausschließt. Üblicherweise sind die Instrumente in diesem Fall Vorruhestandsregelungen, Altersteilzeit oder Abfindungsprogramme. Dazu gehört auch, dass bei über 6000 Beschäftigten 40-Stunden-Verträge vornehmlich in der Entwicklung auf 35 Stunden reduziert werden sollen. "Über die Details der Lösungen reden wir jetzt", so Bosch-Personal-Chef Stefan Grosch, der sich den Fragen der Journalisten stellte. Obwohl Bosch die Protestkundgebung auf dem Gelände des Unternehmens zuließ und unterstützte, war Grosch als Redner nach eigener Aussage nicht erwünscht.

Aus Sicht der Arbeitnehmer ist der Schritt auch deshalb unverständlich, weil das Unternehmen gut dastehe. So sei der Umsatz im vergangenen Jahr auf 91,6 Milliarden Euro deutlich gestiegen, ebenso hätten der operative Gewinn und die Profitabilität zugelegt. Die Argumente seien die gleichen wie bei der großen Krise vor 30 Jahren. Schon damals habe Bosch auf Wachstumsmärkte in Asien oder Nordamerika verwiesen. Das Unternehmen hatte wegen der Sonderkonjunktur nach der Wiedervereinigung zu lange nicht auf die Kosten geschaut und die beginnende Globalisierung verschlafen. Es folgten Vorruhestandsregelungen und Aufhebungsverträge für rund 13.000 Menschen.

Dass es bei Bosch in diesem Jahr nicht rund läuft, will auch Betriebsratschef Sell nicht wegdiskutieren. Das Problem ist, dass der Konzern hohe Vorleistungen für eine Vielzahl von Technologien erbringen muss. Dazu zählt die Elektromobilität, aber auch die Brennstoffzelle oder das automatisierte Fahren. Allein im vergangenen Jahr habe man fünf Milliarden Euro investiert, ein Großteil in Deutschland, so Grosch. Allerdings verschieben sich die Zeiträume für eine Skalierung, da in vielen Bereichen der Marktdurchbruch langsamer kommt als zunächst erwartet. Daher hat das Unternehmen Überkapazitäten gerade in Deutschland aufgebaut, die nun abgebaut werden sollen.

"Die geplanten Personalanpassungen fallen auch uns nicht leicht. Zugleich dürfen wir die harten wirtschaftlichen Realitäten im Interesse aller Beteiligten nicht ignorieren", sagte Grosch in einer parallel anberaumten Pressekonferenz. Man habe mit deutlich größeren Herausforderungen zu kämpfen als noch am Anfang des Jahres erwartet. Zusätzlich komme eine lahmende Konjunktur in Deutschland mit einem Null-Wachstum. Im Mobility-Bereich komme der Strukturwandel vom Verbrenner zum Elektroantrieb voll zum Tragen. Ein Stellenabbau sei daher nicht zu vermeiden.

Grosch betonte aber, dass der Bosch-Weg keineswegs verlassen werde. Er selbst sei genau deshalb seit über 30 Jahren im Unternehmen. So habe man mit der Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung aus dem vergangenen Jahr auch die frühzeitige Einbindung der Arbeitnehmervertreter ermöglicht und die Sozialpartnerschaft gestärkt. Der Dialog finde auf Augenhöhe statt. "Wir stehen und bekennen uns zum Standort Deutschland", betonte Grosch. Standorte wie Stuttgart-Feuerbach, Homburg oder Bamberg seien das Rückgrat für die Industrialisierungskompetenz. Hier habe man in den vergangenen Jahren überproportional investiert. Wenn nun das Engagement im Ausland verstärkt werde, sichere dies auch heimische Jobs.

Wie hoch der Stellenabbau tatschlich am Ende ausfällt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Erst ein einziges Mal hat es in der Geschichte von Bosch übrigens eine größere Demonstration gegeben. Am 26. April 1993 versammelten sich auf der Schillerhöhe rund 11.000 Beschäftigte und stellten sich gegen das Management und dessen Pläne zum Stellenabbau. Die Folge war unter anderem, dass Marcus Bierich als Vorsitzender der Geschäftsführung zurücktrat, auch Arbeitsdirektor Günter Bensinger wurde ersetzt. Darüber hinaus wurde die Zahl der Geschäftsführer um vier auf zehn gesenkt.

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