Die Fit-for-55-Vorschläge der EU-Kommission, die noch langwierige Abstimmungsprozesse durchlaufen müssen, sehen vor, dass neu zugelassene Fahrzeuge ab 2030 im Schnitt 55 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 2021 und ab 2040 komplett emissionsfrei sein müssen.
Das würde bedeuten, Verbrennungsmotorantriebsstränge und alle Teile dafür könnten in Europa höchstens noch für den Export in andere Kontinente produziert werden. Um die Konsequenzen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze bei den Zulieferern zu quantifizieren, hat der europäische Automobilzuliefererverband Clepa bei PwC Strategy& eine Studie zu diesem Thema erstellen lassen. Ein Ergebnis: Von den rund 645.000 Jobs in der Antriebsstrangproduktion bei europäischen Zulieferern würden bis 2040 gut 500.000 (79 Prozent) überflüssig. Die Autoren der Studie gehen allerdings davon aus, dass in der Produktion von E-Antriebssträngen, rund 226.000 neue Jobs bei Zulieferern entstehen – wenn in Europa eine Batterieproduktion aufgebaut wird, die alle Wertschöpfungsstufen umfasst. Unterm Strich bliebe ein Nettoverlust von rund 275.000 Arbeitsplätzen, bei einer um 55 Prozent auf etwa 104 Milliarden Euro gesteigerten Wertschöpfung. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der Beschäftigten bei Automobilzulieferern in Europa beziffert die Clepa auf 1,7 Millionen. Nicht enthalten sind darin die Beschäftigten, die beispielsweise Reifen, E-Motoren (nicht für den Antrieb), Dichtungen, Halbleiter oder chemische Erzeugnisse liefern und deren Unternehmen nicht hauptsächlich für die Automobilindustrie tätig sind.
"Die zukünftige Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Antriebstechnologien hängen stark von einer Batterieproduktion in Europa ab", sagt Felix Kuhnert, Partner und Global Automotive Leader bei PwC Deutschland. VDA-Präsidentin Hilgedard Müller forderte anlässlich der Vorstellung der Studie erneut, es müsse "sichergestellt werden, dass der europäische Green Deal keine Technologien verbietet und nicht nur die Einführung der E-Mobilität unterstützt, sondern auch Anreize für Investitionen in Wasserstoff und E-Kraftstoffe schafft." Die Transformation müsse sozial gestaltet werden.
In ihrer Studie haben die Experten von PwC Strategy& neben dem an Fit-for-55 angelehnten Szenario auch eine Variante durchgerechnet, welche die CO2-Einsparungsziele niedriger ansetzt und Verbrennungsmotoren nicht abschafft, dafür aber stärker auf alternative Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen setzt. In diesem Szenario würde die Zahl der bei Antriebsstrangzulieferern Beschäftigten bis 2040 sogar um 19 Prozent auf 768.000 steigen, weil parallel zu einer steigenden Zahl von reinen Batteriefahrzeugen weiterhin Verbrennerfahrzeuge, besonders in verschiedenen Hybridvarianten, gefertigt werden.
Dieses Mixed Technology genannte Szenario, das PwC Strategy& zufolge ebenfalls mit den Pariser Klimazielen im Einklang ist, sieht bis 2030 eine Senkung der CO2-Emissionen von Neufahrzeugen um 50 Prozent vor, von 95 auf 47,5 Gramm pro Kilometer vor. 20 Gramm dieser Einsparung sollen durch alternative, ganz oder teilweise CO2-freie Kraftstoffe erzielt werden. Ihr Anteil soll nach 2030 weiter erhöht werden.
Diese Variante sieht bis 2040 einen Rückgang der Verbrennerproduktion um nur 21 Prozent voraus, eine Zunahme der Produktion von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) um 949 Prozent und eine CO2-Reduktion von 74 Prozent. Für das Fit-for-55-Szenario der EU-Kommission lauten die Werte für 2040 nach der Rechnung von PwC Strategy&: minus 97 Prozent Verbrennerproduktion, plus 2260 Prozent BEV-Produktion, minus 99 Prozent CO2-Ausstoß.
Von den Veränderungen im Antriebsstrang werden der Studie zufolge die Länder unterschiedlich betroffen sein. So dürfte die Wertschöpfung bei Teilen für den Verbrennerantriebsstrang wahrscheinlich in Länder Osteuropas verschoben werden, wo am Schluss praktisch nur noch für den Aftermarket produziert wird.
Dass die Wertschöpfung der Zulieferer im Antriebsstrang wie erwähnt bis 2040 um 55 Prozent auf 104 Milliarden Euro zulegen wird, führen die Autoren auf Batterien (etwa 70 Milliarden Euro, 200.000 Jobs) und Elektromotoren (etwa 10 Milliarden Euro, 30.000 Jobs) zurück. Am meisten dürften von diesem Zuwachs Frankreich und Spanien profitieren. Frankreich dürfte 2040 sogar mehr Arbeitsplätze bei Powertrain-Zulieferern haben als 2020. Für Tschechien und Polen sieht die Studie ebenfalls ein Jobwachstum – hier allerdings durch die Fertigung Verbrennerteilen.
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Aus dem Datencenter:
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