Der starke Absatzrückgang bei Daimler Trucks war eine dramatische Herausforderung für unsere Lieferanten. Wir im Nutzfahrzeugeinkauf haben aber festgestellt, dass die Unternehmen sehr professionell damit umgegangen sind. Sie sind viel eher als reine Pkw-Zulieferer gewohnt in Zyklen zu arbeiten, weil diese von jeher viel stärker ausgeprägt sind als im Pkw-Segment.
"Der Einkauf leistet einen erheblichen Beitrag für das Renditeziel“
Ich sehe keine ernsthaften Finanzierungsschwierigkeiten bei unseren Lieferanten durch die Markterholung. Mir persönlich ist kein einziger Fall bekannt. In diesem Zusammenhang ist es aber wichtig zu erwähnen, dass Daimler indirekt einen Beitrag leistet.
Wir als Hersteller müssen die Lieferanten rechtzeitig über die Abrufe mit den richtigen Zahlen informieren, damit sie effektiv planen können. Das ist der größte Stellhebel, damit keine unnötigen Kosten bzw. Finanzierungsbedarfe entstehen. Wichtig ist auch, dass unsere Lieferanten wissen, wo die boomenden Märkte sind. Im Moment ist das vor allem Brasilien. Eine ordentliche Planung ist daher für die Lieferanten genauso wie für uns die Basis für unsere Zusammenarbeit. Das werden wir auch in Zukunft weiter so handhaben.
Es ist richtig, dass wir bei den Rohstoffpreisen in einer ähnlichen Situation sind wie 2008 vor der IAA. Die Preise sind wieder angestiegen, wobei die reale Situation in der Industrie keine Zuschläge rechtfertigt. Da steckt viel Spekulation dahinter. Ich erwarte von unseren Zulieferern, dass sie die richtigen Gegenmaßnahmen einleiten. Wir müssen auf jeder Stufe der Wertschöpfung richtig verhandeln und die Preisforderungen nicht einfach akzeptieren. Meiner Erfahrung nach haben wir dann gute Chancen, dass die Steigerungen nicht eins zu eins umgesetzt werden.
Dazu gibt es bei uns noch keine Entscheidung. Es stimmt aber, dass wir grundsätzlich abwägen müssen, welche Last der Lieferant, der Hersteller und der Kunde zu tragen haben, sollten die Rohmaterialpreise weiter ansteigen. Damals in 2008 haben wir das mit einer fairen Aufteilung sehr gut abgefedert. Inzwischen sind wir aber auch bei unserer internen Organisation und Einkaufsstrategie viel weiter...
Seit damals haben wir unser Rohmaterialmanagement neu organisiert und aufgestellt. Für börsennotierte Rohstoffe haben wir das Hedging intensiviert. Damit können wir uns größeren Preisschwankungen kurzfristig besser entziehen. Bei nicht-börsennotierten Rohstoffen bündeln wir die Bedarfe, die in den einzelnen Regionen entstehen, zentral und binden auch Volumina von Zulieferern mit ein. Für uns und unsere Lieferanten ergibt sich dadurch ein deutlicher Größenvorteil.
Wir nehmen keine konkrete Aufteilung vor, was in der Praxis auch schwierig wäre. Aber die Lieferanten profitieren von unserer globalen Einkaufsorganisation, die weltweit Preistransparenz für die wichtigsten Rohstoffe schafft. Das ist auch die Resonanz, die wir von unseren Lieferanten erhalten.
Da gibt es keine pauschale Antwort. Das hängt zum einen von den zu beschaffenden Materialien und zum Teil auch von den Regionen ab. In den einzelnen Regionen unseres weltweiten Nutzfahrzeuggeschäfts gibt es unterschiedliche Anforderungen.
Es ist klar, dass wir bei dem gegebenen Einkaufsvolumen einen erheblichen Beitrag für unser Renditeziel leisten müssen. Wichtig ist aber, dass wir auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Zulieferern setzen – was Qualität, Technologie, Kosten und Logistik angeht.
Wettbewerbsfähige Preise sind nur ein Kriterium zum Erreichen unserer strategischen Ziele. Dabei muss aber immer das einzelne Teil, das Modul oder die Komponente des jeweiligen Zulieferers betrachtet werden. Es liegt nicht in unserem Interesse, dass unsere Lieferanten keine ausreichenden Deckungsbeiträge erwirtschaften. Ich glaube aber, dass Daimler Trucks & Buses bei den Zulieferern ein sehr hohes Ansehen genießt.
Wir haben uns im Einkauf nach der Trennung von Chrysler neu aufgestellt und eine neue Philosophie entwickelt. Unter dem Namen Daimler Supplier Network arbeiten wir in der Pkw-Sparte, im Nutzfahrzeugbereich und im weltweiten Einkauf für Nicht-Produktionsmaterialien nach denselben Prinzipien. Diese werden bestimmt durch Performance, also Wettbewerbsfähigkeit und Partnerschaft. Die Performance wird mit den Kriterien Qualität, Technologie, Kosten und Logistik gemessen. Umgekehrt wollen wir ein verlässlicher Partner sein. Ich persönlich glaube, dass Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit gerade in der heutigen Zeit wieder große Bedeutung haben.
Zunächst einmal unterscheiden wir bei unseren Zulieferern drei Gruppen: Wir haben im Nutzfahrzeugeinkauf 20 strategische Partner, zwischen 130 und 150 Key Supplier und schliesslich die sogenannten Basis-Supplier. Insgesamt arbeiten wir mit rund 3500 Lieferanten zusammen. Die auf den ersten Blick große Zahl hat einerseits mit unserem globalen Auftritt zu tun und andererseits mit lokalen Gegebenheiten, wie beispielsweise in Japan. Dort sind kleine Zulieferer gesetzlich geschützt. Mit den ersten beiden Zuliefergruppen machen wir einen Großteil unseres Geschäfts. Insbesondere mit den strategischen Zulieferern stehen wir in einem intensiven, regelmäßigen Dialog und tauschen uns auf Top-Management-Ebene über unsere kurz- und mittelfristigen Pläne aus. Die Lieferanten sind also frühzeitig in unsere Produktpläne und Strategien eingebunden. Eine solche Offenheit als Plattform für gegenseitiges Lernen hat es zuvor bei Daimler im Nutzfahrzeugbereich nicht gegeben.
Da legen wir bestimmte Kriterien an: Innovationen sind extrem wichtig. Wir wollen, dass unsere Lieferanten neue Technologien bevorzugt uns anbieten. Das können zum Beispiel neue Ideen für Werkstoffe, Produktionsverfahren oder Sicherheitsfeatures sein. Weitere Kriterien sind das Liefervolumen und die Performance.
Es ist richtig, dass wir die so genannte Referenzpreiskalkulation für Vergaben bei Neuproduktprojekten eingeführt haben. Dabei ermitteln wir einen Preis für ein Produkt, das unter optimalen Bedingungen an einem Standort gefertigt wird. Wichtig ist es zu bedenken, dass ein Nutzfahrzeug eine Laufzeit von zehn bis 15 Jahren hat. Da ist es schon sinnvoll, hohen Aufwand zu Beginn des Produktlebenszyklus zu investieren.
Wir haben im Nutzfahrzeugbereich nicht die großen Stückzahlen wie bei Pkw, deshalb müssen wir für mehr Gleichteile sorgen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Motor für schwere Lkw, der bereits in den USA und Japan auf dem Markt ist. Hier beziehen wir rund 80 Prozent Gleichteile. Das ist für unsere Lieferanten ein Riesenvorteil, weil sie dadurch auch höhere Stückzahlen fertigen.
Wir haben in Indien einen eigenen Einkaufsbereich aufgebaut, übrigens fast nur mit einheimischen Fachkräften. Dadurch haben wir sehr schnell Markttransparenz geschaffen. Ich bin positiv überrascht, wie viele qualifizierte Lieferanten wir dort gefunden haben. Unser Ziel ist eine Lokalisierungsrate von größer 85 Prozent beim Produktanlauf, die wir nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse für alle Baureihen erreichen werden. Es gibt nur wenige Umfänge, die wir derzeit noch nicht lokal beziehen können wie z.B. einige Elektronikkomponenten. Diese Komponenten werden wir bis zum Aufbau geeigneter lokaler Lieferanten aus dem heutigen weltweiten Daimler Lieferanten-Netzwerk beziehen.
Zunächst müssen wir den ersten Schritt gehen und eine zuverlässige Lieferantenbasis für die lokalen Nutzfahrzeuge aufbauen. In einem zweiten Schritt können wir die Zulieferer dann für den Export entwickeln.
Das ist in der Tat ein Dilemma: Auf der einen Seite sind Antriebe wie Hybride gewünscht, auf der anderen Seite sind die Komponenten zu teuer. Aus Einkaufssicht geht es also darum, die Komponenten günstiger zu beschaffen. Die Grundlage dafür ist auch hier die Volumenbündelung. Das erreichen wir durch unser Global Hybrid Center in Japan, wo diese Aktivitäten für den Truckbereich zentral zusammengefasst sind. Damit stellen wir sicher, dass wir weltweit nur einen Technologietyp entwickeln. Zudem können wir auch durch die Zusammenarbeit mit unseren Pkw-Kollegen Volumina bündeln.
Wir haben moderate Erwartungen für 2010. Nach dem dramatischen Einbruch im Jahr 2009 gerade bei den schweren Lkw rechnen wir in Europa mit einem Absatzwachstum zwischen fünf und zehn Prozent, in NAFTA mit zehn bis 15 Prozent und in Brasilien mit 25 bis 30 Prozent. Japan wird sich von einer sehr niedrigen Basis aus erholen, so dass wir dort die Verkäufe zwischen 20 und 30 Prozent steigern wollen. Auch in China und Indien gibt es eine gute Nachfrage. In Summe dürfte Daimler Trucks im Jahr 2010 ein moderates Wachstum ausweisen und einen operativen Gewinn von rund einer Milliarde Euro erwirtschaften.
Es ist richtig, dass ich ab dem 1. November diese Funktion zusätzlich zu meiner Einkaufsverantwortung übernehme. Ich folge damit Dr. Michael Dostal, der in den Ruhestand geht und mir einen sehr geordneten Bereich überträgt. Insofern freue ich mich auf diese Aufgabe, die wie der Einkauf Daimler Trucks & Buses eine sehr internationale Ausrichtung hat.