Berlin. "Wer die Hoheit über die Daten hat, hat die Hoheit über das Produkt." Das ist das Credo von Timotheus Höttges, Vorstandschef der Deutschen Telekom und Dinner-Speaker beim Automobilwoche Kongress. In seinem Vortrag zum Thema "Digitaler Darwinimus – Industriegesellschaft im Wandel" erklärte Höttges anschaulich, vor welchen Herausforderungen nicht nur die Autobranche steht. Die fortschreitende Digitalisierung wird seiner Meinung nach die ganze Gesellschaft stark verändern.
"Die Software ist entscheidend"
Für die tief greifenden Veränderungen, die die Digitalisierung bereits gebracht hat, nannte Höttges Beispiele wie Amazon und Uber. Start-Ups haben meist in erster Linie das Ziel, ein bestimmtes Kundenbedürfnis zu befriedigen. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um das große Ganze: Google will zum Beispiel die Informationen der ganzen Welt allen Menschen zugänglich machen. Der Grund für den Erfolg der Start-Ups ist die Dominanz der Software. Apple beispielsweise verdient pro Gerät neunmal so viel Geld wie Samsung. Nicht, weil die Geräte besser sind, sondern weil Apple auch die Software liefert, während Samsung-Smartphones mit dem Betriebssystem Android von Google laufen. "Die Hardware", so Höttges, "ist die leichte Übung".
Der Autobranche bescheinigte Höttges, dass sie sich des Wandels bewusst ist. Respekt zollte er den Herstellern für den Kauf des Kartendienstes Here. Jetzt müsse die Brache die Chance nutzen, eigene Standards zu setzen. "Das Google-Auto ist wohl das hässlichste Ei, das je über unsere Straßen gerollt ist", sagte Höttges. Aber Google will kein Autobauer werden. Google will die Software entwickeln und die Lizenz später an die Autobauer verkaufen – so wie Android für die Samsung-Smartphones. "Ein großer Teil der Wertschöpfung ist dann weg – und die Daten", warnt Höttges. Aber noch sei das Rennen offen: "Noch ist nicht sicher, wer beim Auto Koch und wer Kellner ist."
Die Gesellschaft steht durch die Digitalisierung vor großen Umwälzungen. In 20 Jahren sind Studien zufolge 50 Prozent aller Jobs durch die Digitalisierung bedroht. Das wiederum erfordert Änderungen bei der Besteuerung von Arbeit, denn wenn die Einkommensteuer sinkt, gibt es Probleme bei den Sozialsystemen. Die Bildungssysteme müssen angepasst, die technischen Fächer stärker in den Vordergrund gerückt werden. Auch radikale Lösungen wie das bedingungslose Grundeinkommen oder die Besteuerung von Daten oder Maschinen wären denkbar.
Was also sollten die Unternehmen tun? Für Höttges ist die Antwort klar: Nerds einstellen, den Mut haben, Dinge zu tun, die sie bisher nicht getan haben. "Nur so gelingt Umparken im Kopf. Noch ist die Lücke groß genug, aber es reicht nicht, den Blinker zu setzen."