E-Mobiliät macht neue Autos immer schwerer

Die Zeiten, in denen ein neuer VW Golf oder Opel Kadett weniger als eine Tonne wogen, sind lange vorbei. Je nach Variante und Ausstattung wiegt der aktuelle Golf 8 zwischen rund 1250 und 1630 Kilogramm. Mehr Sicherheit, mehr Komfort, bessere Fahrleistungen schlagen sich in den Gewichten nieder.

Rund ein Jahrzehnt lang, konnten Automobilhersteller und -zulieferer durch große Leichtbauanstrengungen weitgehend verhindern, dass die Fahrzeuge noch schwerer wurden. Schaut man auf die Daten, scheint dieser Kampf seit etwa fünf Jahren verloren: Etwa seit 2018/19 gehen die Leergewichte der Fahrzeuge deutlich nach oben, weil sich die Grundlagen des Antriebs ändern. Denn durch die schwere Batterie bringen E-Fahrzeuge „durchschnittlich ein Drittel mehr Gewicht auf die Waage als Autos mit Verbrennungsmotor“, rechnet man bei Volkswagen vor.

Das heißt: Je höher der Anteil der Batteriefahrzeuge an den Neuzulassungen wird, umso stärker nimmt das Durchschnittsgewicht zu – bis praktisch nur noch BEVs auf den Markt kommen. Wo das Ende der Entwicklung liegen könnte, zeichnet sich vielleicht in Norwegen ab. Dort waren 2022 laut International Council on Clean Transportation Europe (ICCT) bereits rund 80 Prozent der neuen Pkw Batteriefahrzeuge. Die Durchschnittsmasse übersprang dort 2022 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) die Zwei-Tonnen-Grenze (2041 Kilogramm).

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Zu Beginn des Elektrozeitalters gab es noch Versuche, das Zusatzgewicht der Akkus zu kompensieren. So hatte BMW es beim i3 geschafft, dank großflächigem Kohlefaser-Leichtbau das Gewicht inklusive der 42 Kilowattstunden-Batterie auf 1345 Kilogramm zu begrenzen. Der Verbrenner-Golf 6 brachte es damals schon auf 1217 bis 1541 Kilogramm. Doch wegen der Kosten und dem schwierigen Recycling von Verbundwerkstoffen blieben der i3 und i8 exotische Ausnahmen.

Eine Liste, die das Portal InsideEVs veröffentlichte, nennt die Gewichte von über 70 Elektrofahrzeugen, die ein norwegischer Autotester getestet und selbst gewogen hat. Mehr als ein Drittel der Modelle wiegen mehr als zwei Tonnen, die Durchschnittsmasse beträgt 1,94 Tonnen, nur sieben Fahrzeuge sind leichter als 1,5 Tonnen. Selbst ein e.Go Life mit überschaubaren rund 170 Kilometern Reichweite bringt rund 1,2 Tonnen auf die Waage.

„Generell ist eine höhere Masse schlecht, etwa für den Kraftstoff- beziehungsweise Stromverbrauch. Zudem steigt mit den Fahrzeuggewichten der Reifenabrieb und die Belastung der Straßen wächst“, nennt Peter Mock einige Aspekte. Er ist Geschäftsführer des ICCT Europe, das die in den Grafiken in diesem Text dargestellten Gewichtsdaten ermittelt hat.

Zudem handele es sich um einen sich selbst verstärkenden Kreislauf. Denn ein schwereres Fahrzeug erfordert eine höhere Motorisierung, was den Antrieb schwerer macht und beispielsweise größere Bremsen erfordert.

„Automobile haben schon seit vielen Jahren ein Gewichtsproblem. Höhere Anforderungen an Sicherheit, Komfort und der Kundenwunsch nach SUVs mit den bequemen Einstiegen und der erhöhten Sitzposition haben dazu beigetragen“, erläutert Peter Fintl. „Der Zielkonflikt zwischen diesen Anforderungen und einem möglichst niedrigen Gewicht, das Antriebsenergie und Ressourcen spart, beschäftigt die Automobilindustrie seit vielen Jahren“, weiß der Vice President Technology & Innovation bei Capgemini.

Peter Fintl betont: „Die Gewichtsspirale verstärkt sich selbst. Wenn sie eine größere, schwerere Karosserie haben, dann brauchen sie ein stärkeres Fahrwerk, stärkere Bremsen, stabilere Reifen, was alles wieder mehr Gewicht verursacht, dann müssen sie eine kräftigere Antriebseinheit einbauen, damit die Fahrleistungen nicht leiden. Das führt zu weiterem Mehrgewicht – was wiederum eine größere Batterie oder einen größeren Tank erfordert.“

Porsche etwa hatte 2019 die Hybridisierung des 911 zunächst auf Eis gelegt, weil das Mehrgewicht von fast 200 Kilogramm nicht nur weitere Gewichtszunahmen bei Reifen- und Fahrwerkteilen gebracht sondern auch 150 Kilowatt mehr Leistung erfordert hätte, um den Gewichtszuwachs zu kompensieren.

Doch einzelne Fahrzeugteile stärker auszulegen, damit das zusätzliche Gewicht getragen werden kann, reicht manchmal nicht aus. „Im Ergebnis erhält man dann ein großes, schweres Auto, weil alle Komponenten massiver ausgelegt werden mussten. Um trotzdem den Fahrspaß nicht leiden zu lassen, müssen die Ingenieure noch einmal in die Trickkiste greifen und zum Beispiel aktive Fahrwerksysteme einbauen, Wankausgleich, adaptive Dämpfer, vielleicht eine Luftfederung, damit man den Schwerpunkt ein bisschen verschieben kann bei dynamischer Fahrt. Und schon wieder kommen mit diesen 'Technologie-Schmankerln' Extra-Kilos ins Fahrzeug“, beschreibt Fintl die Situation. Gleichzeitig betont er, dass Leichtbau in Elektrofahrzeugen umso wichtiger sei: „Ohne Leichtbau würden Elektro-Pkw vielleicht drei Tonnen wiegen.“

Beim Zulieferer ZF betont ein Sprecher, „die steigenden PKW-Leergewichte infolge der Elektromobilität haben Einfluss auf das gesamte Fahrzeug-Chassis.“ (Siehe Kasten)

Continental fasst das Thema Elektrofahrzeuge und passende Reifen auf seiner Website so zusammen: „Höheres Gewicht, längerer Bremsweg, sofortiges Reifendrehmoment und höherer Reifenverschleiß“. Daher bekommen „alle unsere Reifen eine stärkere Seitenwand und robustere Gummimischungen“. Auch den längeren Bremsweg sollen bessere Reifen ausgleichen.

„Höherer Reifenverschleiß“ steht auch für mehr Abrieb – soweit nicht durch neue Reifenmischungen oder andere Maßnahmen gegengesteuert werden kann. Dabei geht es um nicht geringe Mengen: Der ADAC nennt als Mittelwert aus seinen Reifentests rund 120 Gramm Abrieb pro 1000 Kilometer für ein Fahrzeug, also alle für vier Reifen zusammen.

Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) schätzt „die jährlich entstehende Menge an Reifenabrieb hierzulande auf 60.000 bis 100.000 Tonnen“ – auf alle Bundesbürger umgerechnet also rund ein Kilogramm Reifenabrieb pro Kopf und Jahr.

Sowohl für den Reifen- wie auch den Bremsenabrieb sehen die neuen Emissionsvorschriften nach Euro 7 Grenzwerte vor. Für Reifen sollen sie in drei Stufen – Pkw, leichte Lkw, schwere Lkw – zwischen 2028 und 2032 in Kraft treten. Bei den ADAC-Messungen zeigte sich auch, dass Reifenhersteller durchaus Einfluss auf den Abrieb haben. Bei identischen Reifendimensionen schwankten die Werte für den Abrieb teilweise um etwa den Faktor zwei.

Bei einer Auswirkung der Fahrzeuggewichte ist alle Ingenieurskunst allerdings machtlos: der erhöhten Abnutzung der Straßen. Denn diese wächst mit der vierten Potenz der Achslast. Nimmt die Fahrzeugmasse also um 20 Prozent zu, verdoppelt dies die Straßenabnutzung. Bei einer Verdoppelung des Gewichts steigt sie sogar auf das 16-Fache. Tröstlich dabei: Im Vergleich zum Lkw-Verkehr spielen die Pkw bei der Straßenabnutzung nur eine geringe Rolle. „Ein Lastwagen mit zehn Tonnen Achslast beansprucht die Verkehrswege pro Entfernungseinheit 160.000-mal stärker als ein Pkw mit einer Achslast von 0,5 Tonnen“, heißt es beim Forschungs-Informations-System Verkehr des Bundesverkehrsministeriums.

Den neuen Gegebenheiten angepasst werden sollen auch die Führerscheine. So hat das EU-Parlament jüngst in erster Lesung zugestimmt, die Gewichtsgrenze der Führerscheinklasse B von 3,5 auf 4,25 Tonnen anzuheben, zumindest für BEVs. Damit dürfte man dann auch den Cybertruck von Tesla fahren, der laut Website mit 3104 Kilogramm Leergewicht und maximal 1134 Kilogramm Nutzlast um zwölf Kilogramm unter dieser Grenze liegt.

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