Winterkorn-Deal und Zukunft von Vorstandsfrau Werner im Fokus

Manchmal haben die Corona-Beschränkungen auch ihre Vorteile. Der VW-Spitze dürfte es zumindest gelegen kommen, dass die diesjährige Hauptversammlung am Donnerstag aufgrund der Corona-Sonderregeln erneut rein virtuell stattfindet. Denn die Tagesordnung birgt einiges an Sprengstoff, der sonst wohl zu stundenlangen Fragerunden geführt hätte. Die bleibt der VW-Spitze dieses Mal wohl erspart: Fragen mussten vorab eingereicht werden, Nachfragen sind nicht möglich.

Vor allem ein Punkt auf der Tagesordnung bietet Diskussionsstoff: Die Einigung mit Ex-Konzernchef Martin Winterkorn, Ex-Audi-Chef Rupert Stadler, zwei weiteren früheren Managern und gut 30 Versicherern auf Schadenersatzzahlungen wegen des Diesel-Skandals. Dem Vergleich, den VW Anfang Juni nach zähen Verhandlungen abgeschlossen hatte, müssen die Aktionäre nun noch zustimmen. Für die Kleinaktionäre, die bei VW bei den Abstimmung sonst wenig zu melden haben, gibt es hier sogar ein Novum: Sie könnten den Vergleich mit einem Veto in der Hauptversammlung noch stoppen. Möglich macht das eine Sonderregelung im Aktiengesetz.

VW hatte sich mit den Managern und Versicherern auf eine Ausgleichszahlung von insgesamt 288 Millionen Euro für Fehlverhalten in der Diesel-Affäre geeinigt. Den Löwenanteil von 270 Millionen Euro sollen aber die Versicherungen tragen, die VW damals für seine Manager abgeschlossen hatte. 18 Millionen Euro sollen die vier Manager selbst beisteuern, am meisten Winterkorn mit 11,2 Millionen Euro und Stadler mit 4,1 Millionen Euro.

Widerstand gegen den Deal kommt unter anderem vom Corporate-Governance-Experte Christian Strenger. In einem Gegenantrag zur Hauptversammlung fordert er, den Vergleich abzulehnen. "Den Vergleichsvereinbarungen über die aktienrechtliche Haftung der Herren Winterkorn und Stadler ist schon deswegen nicht zuzustimmen, weil die dort vorgesehenen sog. 'Eigenbeiträge' zu einem erheblichen Teil (bei Herrn Winterkorn) und zur Gänze (bei Herrn Stadler) keine wirklichen Eigenleistungen sind", begründet Strenger in seinen Antrag.

VW hatte mit Winterkorn vereinbart, dass er nur knapp zwei Drittel des vereinbarten Schadenersatzes wirklich überweisen muss. Vier der elf Millionen Euro werden mit noch offenen Forderungen Winterkorns verrechnet für Boni und eine Sondervergütung für 2016, als er schon nicht mehr VW-Chef war. Bei Stadler wird die Summe sogar komplett mit Forderungen verrechnet, die der Ex-Audi-Chef noch gegen seinen Ex-Arbeitgeber hat. Dabei, so kritisiert Stenger, sei die Schuldfrage noch gar nicht abschließend geklärt. Gegen Stadler läuft seit Ende 2020 ein Strafprozess in München, Winterkorn soll ab September in Braunschweig der Prozess gemacht werden.

Wirklich abstimmen dürfen die meisten Kleinaktionäre über diesen Punkt zwar nicht. Stimmberechtigt sind - wie bei allen Abstimmungen - nur die Stammaktien, die bei VW zu 90 Prozent in den Händen der drei Großaktionäre Porsche, Niedersachsen und Katar liegen. Und die dürften dem Vergleich zustimmen. Kleinaktionäre und Fondsgesellschaften halten dagegen vor allem Vorzugsaktien, die kein Stimmrecht besitzen.

Doch anders als bei anderen Abstimmungen gibt es bei der Annahme eines solchen Vergleichs, der frühere Manager von weiteren Haftungsansprüchen freistellt, eine Besonderheit: Wenn zehn Prozent aller Aktionäre bis zum Ende der Hauptversammlung ihren Widerspruch zu Protokoll geben, ist der Vergleich gescheitert. Und hier werden auch die ansonsten stimmrechtslosen Vorzugsaktien mitgerechnet. Die Hürde ist allerdings hoch: Porsche, Niedersachsen und Katar kommen auch bei dieser Zählweise zusammen auf 58 Prozent, nur 42 Prozent der Aktien sind im Streubesitz. Fast jeder vierte davon müsste also seinen Widerspruch zu Protokoll geben.

Kritische Fragen wird es zudem zur Zukunft der Compliance-Vorständin Hiltrud Werner geben. Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass VW ihren noch bis Januar 2022 laufenden Vertrag dann auslaufen lassen und sich dann von Werner trennen will. So war der Vertrag von Konzernchef Diess vor knapp zwei Wochen vorzeitig verlängert worden, obwohl sein bisheriger Vertrag noch bis 2023 lief. Bei Werner gibt es dagegen nach wie vor keinen Beschluss, wie es bei ihr weitergeht. Der Beschluss ist längst überfällig: Ihr Vertrag läuft nur noch sechs Monate, üblicherweise entscheidet VW ein Jahr vorher über eine Verlängerung.

Dabei gilt ihre Arbeit bei der Aufarbeitung des Diesel-Skandals als erfolgreich. Und Werner, so heißt es in Wolfsburg, würde auch gerne weitermachen. Doch vor allem Diess soll Probleme mit seiner einzigen Vorstandsfrau haben: Er nehme ihr übel, so heißt es, dass sie ihn Anfang 2020 zu einem Deal mit der Staatsanwaltschaft überredet hatte. Gegen Zahlung von 4,5 Millionen Euro, die der Konzern übernahm, wurden Ermittlungen gegen Diess wegen des Dieselskandals eingestellt. Diess, so heißt es, sah sich so der Möglichkeit beraubt, seine Unschuld zu beweisen. Denn er war erst wenige Monate vor Bekanntwerden des Dieselskandals 2015 von BMW nach Wolfsburg gewechselt.

Janne Werning von Union Investment will nun von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wissen: "Wird das Vorstandsressort 'Integrität und Recht' nach dem Ausscheiden von Frau Werner neu besetzt?" Und: "Werden Sie nach dem Ausscheiden von Frau Werner eine neue Frau in den Vorstand berufen?" Dabei könnte es dann auch um anderes Ressort gehen: VW sucht bereits seit Monaten nach einer Vorständin für ein neues IT-Resort. Bisher fielen aber alle Bewerberinnen im Aufsichtsrat durch.

Kritik äußerte Werning auch an dem Beschluss, die Hauptversammlung wie bereits 2020 erneut rein virtuell durchzuführen. "Wir hätten es sehr begrüßt, wenn Volkswagen sich auch in diesem Jahr dem öffentlichen Dialog mit den Aktionären auf der Hauptversammlung gestellt hätte, um daraus wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung des Unternehmens zu gewinnen", sagt er in seinem vorab verbreiteten Redemanuskript, das der Automobilwoche vorliegt. "Wir fordern, dass wir als Aktionäre bei künftigen Hauptversammlungen von Volkswagen wieder unser volles Frage-, Rede- und Auskunftsrecht bekommen."

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