Dass VW noch immer hohen Handlungsbedarf hat, die Dringlichkeit dahinter möglichst oft zu betonen wird Vorständin Werner nicht müde. Und der erste Bericht von Larry Dean Thompson belegt diese Sichtweise dem Vernehmen nach ebenfalls. Im Kern enthalte der Monitor-Bericht insgesamt mehr als 100 konkrete Empfehlungen(Recommendations) und Beobachtungen (Observations), so Diess. "Positive wie negative", fügte er hinzu. Der von Thompson beim US-Justizministerium vorgelegte und VW zugestellte erste Monitor-Bericht sei vertraulich und werde weder ganz noch teilweise veröffentlicht.
Einige Details allerdings dürfen nach aktuellem Recherchestand auch jenseits der VW-Werksumfriedung als gesichert gelten. So hat der Konzern "Golden Rules" für den Bereich der Fahrzeugentwicklung aufgesetzt. Mit neuen Verhaltensgrundsätzen, dem "Code of Conduct", hat sich VW erstmals in seiner Geschichte ein konzernweit einheitliches Regelwerk gegeben. Unter Vorständin Werner wurde ein Integritätsprogramm mit entsprechenden Schulungsmaterialien entwickelt, das nun über Marken und Regionen ausgerollt wird. Und von beiden hat VW bekanntermaßen viele. Modifiziert hat die Werner-Vorhut zudem das Whistleblower- und Risk-Management-System sowie eine Reihe einschlägiger Personalprozesse. Nun müssen die 640.000 VW-Beschäftigten den Scouts folgen – vom Wachmann über die Sekretärin bis hinauf zum Topmanagement.
Thompson, so kann man hören bei VW, hat zwölf positive Observations in seinem Monitorbericht konstatiert, von denen zehn im Werner-Ressort zu verorten sein sollen. Der VW-Ausschuss Produktsicherheit etwa kann mittlerweile nur einstimmig entscheiden. Dies gibt allen Abteilungen, auch dem Vertreter des Rechtswesens, viel Verantwortung – was Thompson ausdrücklich goutiert. Das Integritätsteam arbeite hart daran, lobt Thompson, allen klarzumachen, dass nicht Worte, sondern Taten entscheidend sind. Und im Risikomanagement wird zu seiner Zufriedenheit an einem Projekt zur Standardisierung des Internen Kontrollsystems gearbeitet: Damit können bewährte Ansätze aus der Umsetzung des Handbuchs "Goldene Regeln" auch in anderen Bereichen implementiert werden.
Noch zulegen hingegen sollte VW nach Thompsons Analyse bei der Transparenz in der internen Kommunikation zu Konsequenzen bei Fehlverhalten. Daran allerdings können Management und Betriebsrat nur gemeinsam arbeiten. Dies ist kein Selbstgänger in Wolfsburg, wie Diess und die Anteilseigner seit Langem wissen. Ein dickes Brett zu bohren ist überdies eine gerichtsfeste Datensicherung nach einheitlichen Verfahren im Falle von Rechtsstreitigkeiten, die ein sogenanntes "Litigation hold" auslösen. Hintergrund: Datenvernichtung zählt zu den "Guilty Pleas", also Schuldeingeständnissen VWs gegenüber der US-Justiz, und darf deshalb um keinen Preis jemals wieder vorkommen. Das langsam zurückgewonnene Vertrauen darf nicht gefährdet werden.
Die Experten um Hiltrud Dorothea Werner haben erkannt, und Herbert Diess stimmt ihnen zu: VW hat auch hier ein extrem anspruchsvolles Programm vor sich. Für seine Umsetzung sind nicht nur die zuständigen Unternehmensbereiche zuständig. Unerlässlich ist vielmehr die Verankerung von Compliance und Integrität in allen Funktionen, Marken und Regionen. "Der Monitor hilft uns dabei", hat Diess seinen Führungskräften versichert. Von ihnen verlange er, das Programm "mit Priorität" zu realisieren. Diess wörtlich: "In zwei bis drei Jahren sollten wir soweit sein, dass Schlagzeilen wie zuletzt nicht mehr vorkommen können". So weit die Theorie.
Nun noch kurz zur Praxis. Die VW-Aktionäre in Berlin sollten wissen: VW ist aufgefordert, diese Empfehlungen innerhalb von gerade mal 150 Tagen zu bearbeiten. Also umgerechnet bis zum Ende des achten Monats. Daher führt Diess auch den 31. August exponiert im Kalender. Und zwar signalrot. In rouge flamboyant.
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