Herr Carlsson, als sie mit dem Bau der ersten Batteriezellenfabrik in Skellefteĺ anfingen, hieß es noch, es würde die größte Europas. Jetzt dürfte Tesla mit seiner Gigafactory in Schönheide an Ihnen vorbeziehen. Schmerzt Sie das?
Nicht wirklich. Wichtig ist, dass wir die Batteriezellenkapazitäten insgesamt ausbauen – bei uns, bei Tesla und auch bei anderen. Sonst kann die Transformation zur Elektromobilität nicht gelingen. Allein werden wir das nicht schaffen, dafür braucht es viele Anbieter, die Kapazitäten aufbauen.
Und auch größere Zellfabriken?
Als wir vor vier Jahren anfingen, meinten wir, dass eine maximal skalierte Fabrik 30, vielleicht 35 Gigawattstunden haben könnte. Inzwischen sehen wir, dass deutlich größere Fabriken möglich sind, die noch größere Skaleneffekte erzielen. Das ist ein interessanter Trend. Und man muss immer dazu sagen: In Europa bewegen wir uns hier auf unerprobtem Terrain. Das Gros der Wertschöpfungsketten und Kapazitäten wurde bisher in Asien aufgebaut. Wir müssen jetzt dafür sorgen, die Kapazitäten in Europa aufzubauen.
Bevor Sie bei Northvolt anfingen, waren Sie selbst lange bei Tesla. Was können wir von Tesla lernen? Und was haben Sie dort gelernt?
Wir können eine Menge von Tesla lernen. Wie man ein Start-up aufbaut und wie man eine Organisation schafft, die eine echte Mission hat, und welche kollektive Kraft das bei den Menschen freisetzen kann. Und mir persönlich hat Tesla natürlich viele Einblicke gegeben in die Automobilindustrie und wie wichtig es ist, im großen Rahmen zu denken. Als wir bei Tesla mit der Entwicklung des Model 3 begannen, gingen wir von 500.000 Fahrzeugen pro Jahr aus. Wenn man das auf Batteriezellen hochrechnet, war das im Grunde die gesamte Weltproduktion von 2014. Es war klar, dass hier ein massiver Ausbau stattfinden muss. Und das hat sich jetzt mit den Ankündigungen von Volkswagen und anderen noch beschleunigt.
Wie groß wird der Bedarf denn 2030 sein?
Ich denke, bis 2030 werden wir möglicherweise eine Gesamtkapazität von 3000 Gigawattstunden weltweit benötigen. Allein in Europa könnten dann mehr als 800, vielleicht 1000 Gigawattstunden notwendig sein. Das heißt, wir brauchen 15, vielleicht 20 wirklich große Fabriken in Europa. Dafür muss eine Menge Geld investiert werden. Der Aufbau von einer Gigawattstunde Kapazität kostet heute rund 100 Millionen US-Dollar. Wenn man das auf 1000 Gigawattstunden hochrechnet, sind das richtige große Investitionen.
Ihr Ziel ist, die grünste Batterie der Welt zu bauen und das günstiger als je zuvor. Wie soll das gelingen?
Der Schlüssel ist die Energie. Denn der gesamte Wertschöpfungsprozess von den Rohstoffen bis hin zur Fertigung der Batterie ist extrem energieintensiv. Um eine Kilowattstunde Batteriekapazität herzustellen, benötigen Sie etwa das 80-fache an Energie. Wenn Sie also die gesamte Autoindustrie auf Elektro umstellen, dies aber mit Kohlestrom tun, würden Sie einen zusätzlichen CO2-Fußabdruck in der Größe von halb Deutschland schaffen.
Deshalb fiel Ihre Standortwahl auf Nordschweden?
Genau. Dort haben wir Zugang zu großen Mengen an erneuerbarer Energie aus Wasserkraft, und das zu sehr geringen Kosten. Dadurch schaffen wir nicht nur einen sehr kleinen CO2-Fußabdruck, sondern können auch zu sehr günstigen Kosten produzieren. Das ist das Geschäftsmodell, das wir nun umsetzen.
Ihre erste Fabrik Northvolt Ett in Skellefteĺ soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Liegen Sie dort im Plan?
Es war wirklich ein sehr herausforderndes Jahr mit Corona, aber wir sind in etwa im Plan. Im Moment haben wir fast 2000 Leute auf der Baustelle. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir Ende des Jahres die ersten Zellen produzieren können. Es wird ein intensiver Sommer werden und ein intensiver Herbst, aber wir arbeiten hart daran, das zu schaffen.
Aber sicher nicht gleich mit voller Kapazität.
Ende des Jahres werden wir die ersten acht Gigawattstunden in Betrieb nehmen, nächstes Jahr folgen dann weitere acht Gigawattsunden. Es wird dann zwölf bis 18 Monate dauern, um das voll hochzufahren. Und wir bereiten bereits die nächste Ausbaustufe vor. Dann erhöhen wir von 16 auf 60 Gigawattstunden, genug für 800.000 bis eine Millionen Fahrzeuge. Bis Anfang 2025 soll abgeschlossen sein.
Deswegen auch die jüngste Finanzierungsrunde, bei der Sie frisches Kapital eingesammelt haben?
Ja. Vor diesem Hintergrund stand auch unsere jüngste Finanzierungsrunde, bei der wir 2,75 Milliarden US-Dollar beschafft haben. Das gibt uns die Feuerkraft, unsere Pläne umzusetzen.
Vor einem Jahre sagten Sie, Sie wollen 2030 auf 20 bis 25 Prozent Marktanteil in Europa kommen. Ist das angesichts des beschleunigten Ausbaus noch erreichbar? Brauchen Sie dafür nicht viel mehr Kapazitäten als damals gedacht?
Das ist wahr. Als wir vor einem Jahr unsere Ambitionen äußerten, dachten wir an den Bau von vielleicht drei oder vier Fabriken mit zusammen 150 Gigawattstunden in den nächsten zehn Jahren. Diese 150 Gigawattstunden werden in zehn Jahren wohl nicht mehr reichen, um dann noch 20 oder 25 Prozent Marktanteil zu erreichen.
Aber das Ziel von 20 bis 25 Prozent gilt weiterhin?
Auf jeden Fall. Wir haben hohe Ambitionen. Da machen wir keine Abstriche.
Wie soll es nach dem Ausbau in Skellefteĺ weitergehen? Was kommt als nächstes?
Wir denken im Moment an zwei weitere Fabriken, die dem Aufbau in Skellefteĺ folgen werden. Wo genau sie am Ende stehen werden, steht noch nicht fest. Wir sind noch dabei, das zu untersuchen.
Könnte eine davon auch in Deutschland entstehen?
Das prüfen wir gerade. Ende letzten Jahres wurden wir ausgewählt, einen IPCEI-Zuschuss aus Deutschland für ein Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse zu erhalten, und wir sind mit mehreren Bundesländern im Gespräch über die Möglichkeit, in Deutschland eine Fabrik zu errichten. Schließlich haben wir dort einen großen Kundenstamm und es gibt viele qualifizierte Fachkräfte und Maschinenbauer als potenzielle Lieferanten für uns. Aber es gibt dort schon noch große Herausforderungen, speziell im Hinblick auf die Energieversorgung.
Billige Wasserkraft wie in Schweden steht hier eher nicht zur Verfügung. Wie wollen Sie das Problem lösen?
Wir untersuchen derzeit, wie wir dieses Problem lösen können. Denn wir wollen auf jeden Fall dem gleichen Anspruch an Nachhaltigkeit wie in Schweden gerecht werden. Vielleicht werden wir dann die Produktion des aktiven Materials, die wirklich sehr energieintensiv ist, von der eigentlichen Zellfertigung trennen. Es wäre denkbar, dass wir dafür in Schweden neben unserer jetzigen Fabrik, wo es reichlich Wasserkraft gibt, weitere Kapazitäten aufbauen. Aber ich möchte dem jetzt noch nicht vorgreifen. Wir prüfen verschiedene Möglichkeiten. Noch sind wir hier nicht am Ziel. Aber wir versuchen, kreativ zu sein.
Ihre Fabrik in Skellefteĺ ist Teil des geplanten Gigafactory-Netzwerks von Volkswagen, und Sie waren bis vor Kurzem auch Partner von VW bei der Batteriefabrik in Salzgitter. Gibt es Pläne, an einem der weiteren vier Standorte in Europa einzusteigen?
Das wird die Zukunft zeigen. Im Moment sind wir uns mit Volkswagen einig, dass wir uns zunächst darauf konzentrieren, das Projekt in Skellefteĺ umzusetzen, einschließlich der Erweiterung auf 60 Gigawattstunden, wovon ein bedeutender Teil auf Volkswagen entfällt.
Sie kooperieren auch mit BMW. Und Sie haben gerade angekündigt, für Volvo eine neue Fabrik zu errichten. Wo soll sie entstehen? Womöglich als weitere Anbau in Skellefteĺ? Mit Volvo als Abnehmer würde sich Schweden doch anbieten.
Wie suchen in ganz Europa nach einem potenziellen Standort, nicht nur in Schweden. Am Ende wird sich das vor allem an der Verfügbarkeit von Energie und Fachkräften entscheiden.
Die mögliche Fabrik in Deutschland ist aber nicht für Volvo?
Nein, das ist eine eigenständiges Projekt und nicht Teil des Joint-Ventures mit Volvo.
Wir wird sich die Zelltechnologie in den kommenden Jahren entwickeln? Arbeiten Sie bereits an der Feststoffbatterie?
Derzeit noch nicht. Wenn man ein Start-up neu aufbaut, muss man sich zunächst auf das erste Projekt konzentrieren. Und das wir in den vergangenen Jahren getan. Das heißt aber nicht, dass wir nicht schauen, was sich bei der Zelltechnologie verbessern lässt.
In welche Richtung geht das?
Wir haben Anfang des Jahres das US-Unternehmen Cuberg übernommen, das eine wirklich spannende Technik für die Luft- und Raumfahrt entwickelt. Eine sehr leistungsstarke Batterie, die auf einem sehr ähnlichen Kathodensystem basiert, wie wir es bisher verwenden. Wir sehen darin einen sehr schnellen Weg, um die Energiedichte in den Zellen auf 1000 Wattstunden pro Liter zu erhöhen. Und wir können dabei die bestehende Fertigungsinfrastruktur zum größten Teil weiter nutzen. Das wird es viel einfacher machen, die Produktion hochzufahren.
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