Hamburg. Karl-Thomas Neumann, Vorstandschef von Opel, hat sich in einem persönlichen Brief an die Belegschaft des Autobauers gewandt. Das Schreiben liegt der Automobilwoche in voller Länge vor. Zunächst hat der Topmanager gute Nachrichten für sämtliche Mitarbeiter der deutschen Tochter des US-Konzerns General Motors (GM) parat. "Unsere Geschäftszahlen im zweiten Quartal und im ersten Halbjahr 2015 unterstreichen unsere Fortschritte. Unser operatives Ergebnis ist deutlich besser als im Vorjahreszeitraum. Und wir haben zum zehnten Mal in Folge unsere internen Quartalsziele übertroffen", lässt Neumann seine Leute wissen. "Zudem haben wir unseren Absatz gesteigert: Wir haben im ersten Halbjahr insgesamt rund 582.000 Fahrzeuge verkauft, womit unser Marktanteil in Europa bei 5,9 Prozent und damit leicht über dem Vorjahresniveau liegt. Diese Zahlen zeigen, was wir gemeinsam leisten können. Und darauf können wir stolz sein".
"Alles andere als ein Spaziergang"
In den folgenden Passagen kommt "KTN", wie die Wahl-hessische Führungskraft genannt wird, jedoch nicht umhin, Wasser in den (Apfel-)Wein zu kippen: "Allerdings dürfen wir uns von diesem Erfolg nicht blenden lassen. Wir schreiben immer noch deutliche Verluste. Unser Plan, im Verlauf des nächsten Jahres in die Gewinnzone zurückzukehren, bleibt sehr ambitioniert". Der passionierte Hobby-Langstreckenläufer bündig: "Das wird alles andere als ein Spaziergang". So sei "das zweite Quartal traditionell das beste im gesamten Jahr". Neumann weiter: "Erfahrungsgemäß ist das zweite Halbjahr immer schwieriger als das erste. Und die Diskussionen um die Zukunft der Euro-Zone sind auch alles andere als hilfreich, denn sie drücken die Stimmung der Autokäufer". Im Folgenden nennt Neumann konkrete Beispiele für aktuelle Schwierigkeiten des GM-Labels mit dem Blitz im Logo: "Der Rückzug aus Russland sowie die weiter nur moderate Entwicklung des gesamteuropäischen Fahrzeugmarktes verlangt uns viel ab. Wir müssen das Verkaufsvolumen, das uns dort verloren geht, in anderen Märkten kompensieren. Damit werden wir nicht so schnell wachsen wie ursprünglich geplant. Das fehlende Russland-Geschäft trifft uns vor allem bei den Verkaufszahlen für Corsa, Zafira und Insignia. Zudem schrumpfen die Marktsegmente des Zafira und des Corsa-Dreitürers".
Die Schlussfolgerungen des Opel-Lenkers sind so eindring- wie unmissverständlich: "Gerade auf unseren beiden größten Märkten, Deutschland und Großbritannien, müssen wir noch besser werden und schneller wachsen", appelliert Neumann an seine Mannschaft. Schließlich wolle Opel "nachhaltig wachsen". Große Hoffnungen ruhen dabei auf einem Kompaktmodell: "Auf der IAA im September feiert der neue Astra, das Herzstück unserer Marke, als Fünftürer und SportsTourer seine Weltpremiere. Die Vorbestellungen für die elfte Generation unseres Kompakt-Modells stimmen uns hoffnungsvoll. Das Auto ist in jeder Hinsicht ein wahrer Quantensprung und wird sogar die Oberklasse ärgern. Der neue Astra wird ein wichtiger Pfeiler unseres Comebacks – und hat ganz klar das Potenzial, der meistverkaufte Opel zu werden", so Neumann.
Zum Schluss seiner Ausführungen lobt "KTN" das Opel-Team für dessen verständnisvolle Haltung: "Es freut mich sehr, dass ich von Ihnen immer weniger Klagen über Umstände höre, die wir nicht beeinflussen können, wie etwa Sonderbelastungen und Währungsverluste, die uns auch weiter spürbar beeinflussen werden". Vielmehr konzentriere man sich in Rüsselsheim und an den anderen Opel-Standorten "auf das, was wir ändern können". Etwa in Sachen Kostenhygiene: "Vermeiden Sie jede Art von Verschwendung und unnötige Ausgaben. Identifizieren Sie Schritt für Schritt neue Verbesserungspotenziale. Hinterfragen Sie Ihr Tun konsequent und arbeiten Sie daran, noch schneller und besser zu werden", fordert Neumann die Belegschaft auf. Seine Überzeugung dahinter lautet: "So werden wir unsere Ziele erreichen". Der Brief des Opel-Obersten endet mit dem Satz: "Mein herzlicher Dank Ihnen allen für Ihren persönlichen Einsatz!".