Mit der Cyberbrille beim Volvo-Händler

München. Autos im Showroom zeigen, die noch in der Entwicklung stecken, den Kunden durch die Karosserie auf den Allradantrieb blicken lassen und selbst im kleinsten Autohaus das gesamte Portfolio eines Premiumherstellers präsentieren –all das will Volvo mit einer neuen Cyberbrille möglich machen. HoloLens heißt die von Microsoft entwickelte Technologie. Und Volvo ist das einzige Unternehmen der Automobilindustrie, das in einer ersten Testphase seinen Kunden die futuristische Brille auf die Nase setzen, um mit Microsoft künftige Einsatzmöglichkeiten zu prüfen.

Autos nicht mehr allein in natura im Ausstellungsraum zu zeigen, sondern beispielsweise auf gigantischen Bildschirmen, ist keineswegs neu. Audi etwa setzt den digitalen Showroom in seiner Audi City bereits um. Doch dafür braucht es mehrere große Leinwände und relativ viel Platz. Die HoloLens ist eine etwas größere Brille, die das dreidimensionale Bild des Fahrzeugs in die Umgebung der Kunden projiziert. Er nimmt also weiterhin die Einrichtung des Autohauses war, kann aber gleichzeitig um das Auto herumgehen und sich Details ansehen. Und die programmierte Fahrzeugkarosserie erlaubt auch Blicke unter das Blech, damit Antriebskonzepte oder moderne Assistenzsysteme leichter verständlich werden.

„Mit HoloLens lässt sich eine maßgeschneiderte Erfahrung schaffen, die die Kunden selbst steuern können“, sagt Volvos Vertriebs- und Marketingchef Björn Annwall (Volvo-Video). Das Zusammenspiel von realer Umgebung und eingespielter Computeranimation, von Volvo und Microsoft „Mixed Reality“ genannt, soll dem Kunden dabei helfen, „ein Fahrzeug exakt nach seinen Vorstellungen zusammenzustellen, Farben und Felgen zu vergleichen sowie besondere Eigenschaften, Services und Optionen besser kennenzulernen.“

Die HoloLens soll aber nicht nur dem Kunden Vorteile bieten, sondern auch dem Händler. Sie könnten künftig nicht mehr nur in ihren Autohäusern Fahrzeuge präsentieren, sondern auch in kleinen Pop-up-Stores, Einkaufszentren oder Fußgängerzonen. Damit soll der Kundenstamm um potenzielle Zielgruppen aufgestockt werden. Und das zu einem relativ geringen Preis: 3000 Dollar kostet die HoloLens in der Entwickler-Version.

Einen großen Vorzug der Technologie machte sich Volvo schon bei der ersten Pressevorstellung der Cyberbrille zunutze: Digital lassen sich Autos bereits präsentieren, wenn sie noch gar nicht gebaut sind. Volvo zeigte den neuen S90 damit weit vor seiner realen Weltpremiere im Januar 2016 auf der North American International Auto Show in Detroit.

Ihren deutschen Vertriebspartnern haben die Schweden die HoloLens noch nicht präsentiert, Händler wie Donat Pflug haben sich aber schon auf eigenen Faust ein erstes Bild gemacht. „Die Vorstellung unsere Kunden zukünftig digital in die Welt von Volvo zu entführen ist schon sehr reizvoll“, sagt Pflug. Der Sprecher der Geschäftsführung der Schwabengarage mit neun Volvo-Standorten ist offen für Neuerungen: „Im digitalen Zeitalter müssen wir uns heutzutage jeder neuen Herausforderung und Möglichkeit, unsere Produkte in den Vordergrund zu bringen ,stellen. Also warum nicht auch digital?“. Geklärt haben möchte Pflug aber die Kostenfrage: Wer zahlt für HoloLens und Software? Händler oder Hersteller?

Doch die technischen Möglichkeiten der Cyberbrille könnten für Autohändler auf lange Sicht auch zur Bedrohung werden. Wenn sich HoloLens und ähnliche Technologie auch im Wohnzimmer der Kunden durchgesetzt haben, könnte sich mancher den Weg ins Autohaus sparen und den Kaufvertrag direkt online abschließen. Dann bliebe er nur noch als Kunde im Service. Sorgen dieser Art gebe es bei seinen Volvo-Kollegen bei neuen Technologien durchaus, sagt Händlerverbandspräsident und Auto-Nova-Chef Heinz Preiß. Aus seiner Sicht sei es aber zu begrüßen, dass Volvo „derzeit so innovativ ist“. Als Händler müssen man „Technologie, die es uns ermöglichen, Kunden auf neue Produkte aufmerksam zu machen, aufgeschlossen gegenüberstehen.“

Dass Volvo bei der HoloLens der einzige Autohersteller ist, den Microsoft ein sein Zehner-Grüppchen der Kooperationspartner genommen hat, sieht Preiß daher als willkommenen Wettbewerbsvorteil gegen Daimler, BMW & Co. Für die Händler sei es ohne digitale Präsentationsformen in Zukunft ohnehin nicht mehr möglich, ein Portfolio mit 20 oder 30 Modellvarianten in einen Ausstellungsraum zu pressen oder sie als Vorführwagen auf dem Hof stehen zu haben. „Dadurch würde wahnsinnig viel Kapital gebunden“, sagt Preiß.

Als Gefahr für den Autohandel sieht auch Pflug die HoloLens nicht, „sondern vielmehr als eineUnterstützung für den Handel bei erklärungsbedürftigen Themen“. Die Sicherheitsmerkmale eines Autos – klassische Stärke von Volvo –könnten damit visualisiert und der Kunde besser informiert werden. Dass dieser am Ende nur noch vom Sofa aus Autos in Augenschein nimmt und gleich bestellt, befürchtet der Manager der Schwabengarage nicht: „Letztlich will der Kunde ja auch noch anfassen, riechen, spüren und vor allem auch fahren. Und das wird er nach wie vor bei uns im Autohaus erleben können“, argumentiert Pflug.

Dass die zunehmende Digitalisierung und der Onlinevertrieb für den klassischen Autohandel in den nächsten Jahren nicht nur positive Seiten haben werden, erwartet Verbandspräsident Preiß durchaus. „Deswegen muss man jetzt auf den Hersteller zugehen. Wir müssen als Händler aktiv gestalten, um nicht immer nur gestaltet zu werden“, sagt er. Die Volvo-Händler haben dazu am 26. November in Frankfurt mit ihrem Importeur ein erstes Strategiegespräch geführt. „Wir müssen kämpfen, aber auch mitgestalten“, sagt Preiß. Die Zukunft des Autohandels werde den Betrieben viel abverlangen: „Wir werden einen gewaltigen Wandel erleben. Nicht spontan und plötzlich, aber er kommt.“ (mk)