Herr Maidl, wird die Logistik im Zuge der Globalisierung noch anspruchsvoller?
Die weltweite Versorgung kombiniert mit der zunehmenden Komplexität – wir haben wesentlich mehr Derivate als früher – erfordert entsprechend neue Konzepte. Aber bei uns wird die Logistik auch deshalb anspruchsvoller, weil wir uns mitten in einer Produktoffensive befinden. Und innerhalb dieser Produktoffensive bringen wir Fahrzeuge, die auf einer neuen Architektur basieren.Sie sprechen die Frontantriebsplattform für Mini und kleinere Modelle unterhalb des BMW Dreiers an. Was ändert sich dadurch für die Logistik?Die neue Architektur bedeutet für uns einen deutlichen Anstieg der Teilenummern. Diese vorübergehend hohe Steigerung entsteht, weil wir aktuelle Fahrzeuge mit den derzeitigen Nummern und Teilefamilien produzieren und parallel Produkte auf der neuen Architektur hinzukommen. Nach und nach werden die Fahrzeuge mit den aktuellen Nummern auslaufen und durch die neuen abgelöst. In den kommenden drei, vier Jahren müssen wir das managen. Das ist für unsere Logistik eine Herausforderung. BMW setzt verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit. Auch in der Logistik?Das ist ein zweites wichtiges Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Wir versuchen, die Produktion von Teilen mit einem großen Volumen möglichst nah an unsere Standorte zu legen. Je dichter diese Komponenten am Werk sind desto geringer sind die logistischen Kosten. Und wie gestalten Sie längere Transporte umweltfreundlicher?Indem wir so viel wie möglich über die Schiene laufen lassen oder Transportvolumen in so genannten Compounds, also Depots, zusammenfassen. Wird der Einsatz von Zügen noch zunehmen?Wir werden ihn forcieren, sowohl beim Transport der Fahrzeuge zu unseren Händlern als auch für die Teile in unsere Werke. Letzteres ist ungleich schwieriger, weil die Lieferanten weit verteilt sind und so etwas nur Sinn ergibt, wenn wir volle Züge losschicken. Im vergangenen Jahr haben weltweit über 60 Prozent aller produzierten Autos das Werk per Bahn verlassen, 40 Prozent per Lkw. 2012 waren es 56 Prozent. Die Fahrzeuge werden von uns aus zum Exporthafen oder zu einem Verteilungszentrum gebracht. Welche Quote haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?Ab 2016 wollen wir den Schienenanteil beim Werksversand unserer Fahrzeuge auf mindestens 70 Prozent erhöhen. Das hängt aber auch von der Investitionsbereitschaft unserer Dienstleister ab. Wir fahren verstärkt mit geschlossenen Zügen, weil wir die Autos dann ohne Verschmutzungen, zum Beispiel durch den Bremsabrieb der Waggons, abliefern können. Bei der Fahrt in offenen Zügen müssen wir die Fahrzeuge vor Ort noch einmal waschen, diese Spezialwäsche bedeutet einen zusätzlichen Wasserverbrauch. Wir haben jetzt mit zwei Dienstleistern neue Verträge abgeschlossen, so dass wir uns bis 2015 75 Prozent der in Zentraleuropa verfügbaren Kapazität an geschlossenen Zügen sichern. In Deutschland nutzen Sie teilweise schon Öko-Züge.Ja, wir haben mit unserem Partner DB-Schenker Rail einen entsprechenden Vertrag für die Strecke Frankfurt am Main zu unseren bayerischen Standorten Regensburg und Landshut. Auf dieser Strecke nutzen wir Züge, die mit Ökostrom betrieben werden. Derzeit verhandeln wir über weitere Routen.Wie viel CO2 sparen Sie dadurch ein?Damit sparen wir jährlich mehr als 2000 Tonnen CO2 ein. Und unsere europäischen Dienstleister für den Transport auf der Straße verpflichten wir, nur Lkw einzusetzen, die mindestens der Euro-5-Norm entsprechen.Verlagern Sie auch in anderen Ländern den Transport von der Straße auf die Schiene?Ja, in den USA haben wir das gemacht. Dorthin verschiffen wir aufgrund des hohen Produktionsvolumens unseres Werks in Spartanburg extrem viele Container. Die landen im Hafen von Charleston und gehen von dort aus nicht mehr per Lkw sondern per Zug nach Spartanburg. Wir verlagern dadurch rund 20.000 Lkw-Fahrten auf die Schiene und reduzieren den CO2-Ausstoß um 4000 Tonnen pro Jahr.Bei der Submarke BMW i stehen alle Zeichen auf Nachhaltigkeit. Was hat die Logistik dazu beigetragen?Da spielen mehrere Themen eine wichtige Rolle. Das Wichtigste, wenn Sie sich den CO2-Fußabdruck ansehen, ist die Nähe zum Standort. Wir haben bei BMW i sehr innovative Zulieferer, viele davon konnten wir nah am Werk Leipzig ansiedeln. Für die Beschaffung setzen wir zudem auch Mega-Liner ein. Diese größeren Lkw haben ein rund 25 Prozent höheres Volumen, damit sparen wir uns jede vierte Fahrt.Welche weiteren Projekte verfolgen Sie?Im Zuge von BMW i haben wir den Transport der Fahrzeuge von Leipzig zum Hafen in Bremerhaven von Lkw auf Zug umgestellt. Das haben wir für alle Fahrzeuge der Marken BMW und BMW i, die in Leipzig produziert werden, gemacht, aber der i3 war der Treiber. Zudem nutzen wir in der Fabrik seit Dezember vergangenen Jahres im Rahmen eines Pilotprojekts wasserstoffbetriebene Flurförderzeuge, vier Routenzug-Schlepper und fünf Gabelstapler, die mit grün zertifiziertem Wasserstoff betankt werden. Sie werden im Rahmen eines bis 2016 laufenden Forschungsprojekts zur Teileversorgung im BMWi-Karosseriebau eingesetzt. Werden Sie diese umweltfreundlichen Gabelstapler auch in anderen Werken übernehmen?In unserem US-Werk Spartanburg haben wir bereits die weltweit größte zusammenhängende Flotte mit 280 wasserstoffbetriebenen Flurförderzeugen. Damit lassen sich bis zu 4,1 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr einsparen. In den USA ist die Abwicklung der entsprechenden Genehmigungsverfahren erheblich einfacher als in Deutschland.Wenn bei BMW i Nachhaltigkeit eine so große Rolle spielt, warum schicken Sie dann die Carbonfaser auf große Fahrt von den USA aus nach Deutschland?Der CO2-Ausstoß für den Transport des sehr leichten Materials Carbon ist relativ gering im Vergleich zu der Herstellung der Faser. Für die Carbonisierung wird viel Energie benötigt – und dafür nutzen wir Wasserkraft an unserem US-amerikanischen Joint-Venture-Standort Moses Lake. Wichtig ist zu wissen, dass die Logistik beim Thema CO2 nur eine vergleichsweise kleine Rolle spielt. Wenn man den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – also Produktion, Logistik, die Nutzung des Fahrzeugs bis hin zum Recycling – machen die Transporte zwischen den weltweiten Werken der BMW-i-Produktion gerade einmal 1,5 Prozent der CO2-Emissionen aus.BMW plant ein weiteres Werk in Brasilien und eines im NAFTA-Raum. Ab wann ist die Logistik mit von der Partie?In den Bau unseres neuen Werks in Brasilien ist die Logistik eingebunden, seitdem die strategische Entscheidung hierfür gefallen ist. Für ein neues, zusätzliches Werk gibt es derzeit keine Entscheidung. Mitentscheidend für die Standortwahl in Brasilien ist die Verkehrsinfrastruktur. Die Industrieregion Araquari im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina liegt an einer der größten Autobahnen des Landes, der BR 101. In diesem Staat befinden sich fünf Häfen in der Nähe unserer Fabrik, alle mit Anbindung an diese Autobahn. Santa Catarina war von der Verkehrsinfrastruktur her ein Wunschgebiet, da hat die Logistik bei der Entscheidung schon eine wichtige Rolle gespielt.Bei Ihren Kollegen in der Ersatzteillogistik brach im vergangenen Jahr nach einer Software-Umstellung das Chaos aus, Kunden mussten wochenlang auf Ersatzteile warten. Könnte so etwas auch bei Ihnen passieren?Jede Umstellung von logistischen Prozessen kann ein Risiko bergen. Wir haben daraus gelernt.Was denn?Wir haben etwas gelernt zum Thema Umstellungsstrategien und beim Training von Mitarbeitern.Interview
"In den USA verlagern wir 20.000 Lkw-Fahrten auf die Schiene"
BMW setzt beim Transport verstärkt auf die Bahn. Vor welch große Herausforderungen die neue Frontantriebsarchitektur den Autobauer stellt, berichtet Logistik-Chef Jürgen Maidl.