Braunschweig. Aus seiner Zeit als Seat Vertriebschef weiß Lars-Henner Santelmann, was im Pkw-Verkauf zählt. In seiner heutigen Funktion bei VW Financial Services (VWFS) ist der Wirtschaftswissenschaftler auch für wichtige Regionen in Europa zuständig.
Herr Santelmann, welcher Stellenwert kommt dem Automobil unter jungen und urbanen Menschen heute noch zu?Die klassische Freiheit für Jugendliche ist der erste Autoschlüssel. Daneben tritt heute das erste Smartphone. Klassisch sind für Begegnungen, Information, Kommunikation und Konsum in der Regel räumliche Distanzen zu überwinden. Erste Wahl ist hier das Automobil. Durch permanenten Zugang zum Internet können viele Aktivitäten alternativ online durchgeführt werden. Und der Mobilitätsschlüssel hierfür ist das Smartphone.Seine Alleinstellung hat der Pkw also verloren – können Autohersteller diesen Trend drehen?Ich glaube nicht, dass man Trends umkehren kann. Man kann aber beide Mobilitätswelten verbinden und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Gerade Großstadtbewohner, die kein eigenes Auto besitzen, können viel einfacher auf ein Automobil für ihre räumliche Mobilita¨t zu rückgreifen. Zum Beispiel über Carsharing. Schließlich geht dann doch noch nicht alles im Leben online. Dies ist gerade für Volkswagen Financial Services ein interessantes Geschäftsfeld. Hier können wir unsere Kernkompetenz – alles rund ums Auto – voll ausspielen.Erwarten Sie durch den Ausbau der Konnektivität bald Änderungen für ihr Geschäftsmodell?Absolut! Wir reagieren, indem wir schon im Vorfeld in den Teams der Automobilentwicklung zu diesen Themen mitarbeiten. Dies wäre vor wenigen Jahren für einen Finanzdienstleister undenkbar gewesen. Gleichzeitig entwickeln wir konkrete Produkte wie etwa Apps für das Auftragsmanagement von Gewerbekunden oder auch Carsharing-Konzepte über unsere neue Beteiligung Greenwheels, die neben dem Automobil auch Fahrräder sowie den öffentlichen Nah- und Fernverkehr einbeziehen.Ändert sich auch die Ansprache der Zielkunden von Volkswagen Financial Services in der Werbung?Hier lautet das Schlagwort Hightech-Marketing. Das veränderte Konsum- und Informationsverhalten der Zielkunden stellt viele Regeln der klassischen Kommunikationswelt auf den Kopf.Viele Autohändler sehen ihr Werkstattgeschäft bedroht. Wie kann VW Financial Services zu einem gewissen Ausgleich beitragen?Wir forcieren weltweit unser Dienstleistungsgeschäft. In der monatlichen Rate für das Fahrzeug sind Inspektion, Reifen oder auch Reparaturen gleich enthalten. Bei diesen Paketlösungen, die die Werkstattauslastung des Händlers sichern, haben wir Jahr für Jahr zweistellige Zuwachsraten.Wie entwickelt sich VWFS in den USA, einem Schlüsselmarkt in der Wachstumsstrategie von VW-Konzernchef Martin Winterkorn?In den USA haben wir traditionell eine sehr starke Marktdurchdringung. 60 Prozent der Fahrzeuge, die der VW-Konzern in den Vereinigten Staaten absetzt, werden durch uns finanziert oder verleast.Und kommen Sie im wichtigen Schwellenland Brasilien voran?In Brasilien lag unser Startniveau nur bei 20 Prozent Penetration. Heute wachsen wir dort richtig stramm. Bei Pkw haben wir die 40-Prozent-Marke und im Lkw-Bereich sogar schon die Marke 50Prozent geknackt.Was steht auf Ihrer persönlichen Management-Agenda für den Rest dieses Jahres ganz oben?Die Geschäftsfelder Motorräder und Lkw. Also vor allem unsere Marken Ducati und MAN.Bitte wagen Sie einen Ausblick auf die nächsten Monate und auf das kommende Jahr.Dabei gilt persönlich wie geschäftlich: Das Stimmungsbarometer bewegt sich deutlich im grünen Bereich. Und, um nochmals auf ihre Frage nach dem größten Land Lateinamerikas zurückzukommen: Jetzt muss nur noch Deutschland in Brasilien 2014 Weltmeister werden!VW Financial Services
"Erste Wahl ist das Auto"
Vertriebschef Lars-Henner Santelmann im Gespräch mit der Automobilwoche über Konnektivität, Auslastung der Werkstätten und das Geschäft im Ausland.