Düsseldorf. Ein zentrales Ergebnis: Unsicherheit und mangelnde technische Kompetenz führen zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Nur wenige Unternehmen – zehn Prozent der Befragten – seien derzeit in der Lage, mit tiefgreifenden technologischen Veränderungen entsprechend umzugehen, berichtet Proff. Darunter fallen „einige Zulieferer, die bereits in dynamischen Branchen wie Automobilelektronik und -software tätig sind. Sie haben die notwendigen Kompetenzen, die Agilität und die Reaktionsfähigkeit, um schnell in neue Technologien einzusteigen.“ Andere Lieferanten und Autobauer, die in den traditionellen Verbrennungstechniken tätig sind, „kämpfen, um auf die tiefgreifenden technologischen Veränderungen im Übergang zur Elektromobilität schnell zu reagieren und als neue Technologieführer Gewinne abschöpfen zu können“, erklärt Proff, der die Automotive-Sparte bei Kienbaum leitet. Rund 30 Prozent der Befragten fallen in die Rubrik der „Kämpfer“. Den größten Anteil mit 60 Prozent haben die abwartenden Unternehmen, darunter Hersteller, Zulieferer und Händler. Einige planen, mittelfristig in den Markt der neuen Technologie einzutreten. Für andere verändert sich ihr Geschäftsfeld nur wenig, wie zum Beispiel für einen Hersteller von Kunststoffteilen.
Den Fachkräftemangel allerdings beklagen alle Unternehmen: Der Kampf um Top-Manager und Nachwuchskräfte im Bereich der Elektromobilität wird zunehmend härter, kompetente Mitarbeiter zu finden, gilt als die größte Herausforderung der Personalabteilungen. Gefragt sind fundierte Kenntnisse unter anderem in Chemie, Materialforschung sowie Elektrik und Elektronik. „Elektrochemiker und Materialwissenschaftler passen zum Beispiel bislang noch wenig zu den vom Maschinenbau geprägten Unternehmen der Automobilindustrie“, so Proff. „Weil hier Studiengänge speziell für die Elektromobilität erst aufgebaut werden, fehlen Absolventen – schon gar solche mit Führungserfahrung.“ Unternehmen aus der Autobranche liefen Gefahr, ihre hohe Anziehungskraft als Top-Arbeitgeber teilweise zu verlieren, warnt Proff. Zwar steige für Ingenieure, Betriebswirte und Wirtschaftsingenieure die Attraktivität der Autoindustrie im Übergang zur Elektromobilität, die auch neue Mobilitäts- und Verkehrskonzepte hervorbringt. Jedoch: „Auf IT-Experten üben SAP oder Google eine deutlich größere Faszination aus als Volkswagen oder ZF Friedrichshafen“, so Proff. „Elektrochemiker denken bei Top-Arbeitgebern an BASF oder Bayer.“Aufgrund des Fachkräftemangels müssen Unternehmen die erforderlichen Kenntnisse selbst aufbauen und ihre Mitarbeiter entsprechend schulen. Vor allem Firmen, die Kienbaum in die Rubrik „Kämpfer“ eingeordnet hat, zeigten eine „erstaunliche Vielfalt an Personal- und Kompetenzentwicklungsmaßnahmen“. Nach Angaben der Befragten durchlaufen zwischen 2,5 und 30 Prozent der Mitarbeiter Weiterbildungsmaßnahmen. Zudem suchten viele Konzerne die Zusammenarbeit mit anderen Know-how-Trägern. Doktorandenprogramme mit Universitäten dienten längst nicht mehr nur der kostensenkenden Auslagerung von Entwicklungsarbeit, sondern zunehmend auch dem Ziel, kurz- und mittelfristig neues Wissen aufzubauen. „Es geht darum, durch den rechtzeitigen Aufbau von Kompetenzen die Wertschöpfung in Deutschland zu halten“, erläutert Proff. Er rät den Herstellern und Zulieferern, die die technologische Entwicklung noch abwarten, Kenntnisse hinzuzugewinnen, um nicht von den Technologieführern in der Elektromobilität abgehängt zu werden.Harter Kampf um kompetente Köpfe
Wie gestaltet die Automobilindustrie den Kompetenzwandel hin zur Elektromobilität? Diesen Prozess untersuchten Harald Proff und Dirk Seiferth von der Global Practice Group Automotive der Personalberatung Kienbaum. In persönlichen Gesprächen befragten sie Top- Manager von Autoherstellern, Zulieferern und Dienstleistern über ihre Strategien im Umgang mit neuen Technologien.