München. „Apple hat einen großen Einfluss auf alle Designer – und damit auch auf das Autodesign“, sagt Naumann. Er sieht vor allem bei der Marke VW einen „klaren Trend zu technoider und funktioneller Ästhetik“. Lutz Fügener, Designprofessor an der FH Pforzheim, führt als Beispiel für die neue Sachlichkeit die Liefervariante des VW Caddy an. Das Besondere an dem Kastenwagen: Die hintere Seitenpartie hat weder Fenster noch Vorprägungen für Fenster – sie ist einfach glatt. Flächen in ihrer Schlichtheit zu akzeptieren und zu belassen – das hat Apple vorgemacht. „Das Laptop ist ein funktionaler Körper, wie eine Kiste gebaut, vollkommen rechteckig, geradlinig, ohne jede Schräge“, erklärt Naumann.
Diese Gestaltungsweise finde sich auch beim amerikanischen Autobauer Ford wieder. „Die USA sind das Land, das am meisten von Apple beeinflusst ist.“ Sehr geradlinig ist beispielsweise der Ford Flex, den der Hersteller in den USA, aber nicht in Europa anbietet. „Das Auto wirkt wie mit einem Lineal gezeichnet“, sagt Naumann. Auch beim Konzeptauto Bronco habe Ford die Optik aufs Wesentliche reduziert: „Das Auto sieht aus wie ein fahrender Werkzeugkasten.“ Die Marke Jeep setzt bei Geländewagen ebenfalls auf eine eckige, geradlinige Optik. „Bei diesen Fahrzeugen steht die Funktionalität im Vordergrund. Ein Produkt funktionsgerecht zu gestalten, dabei gut verständlich und bedienbar – das haben die Unternehmen von Apple gelernt“, sagt Naumann.
Neben VW und Ford geht auch die Öko-Marke BMW i optisch neue Wege. Sie bricht mit ihrer klaren Linienführung aus dem typischen BMW-Design aus, das für Eleganz und Sportlichkeit steht. Die Front des Kompaktwagens i3 ist sehr reduziert und geradlinig gestaltet. Das Interieur wirkt luftig und leicht, getreu dem Prinzip von Apple, Produkte so schlank wie möglich zu machen. „Der BMW i3 ist nicht so clean wie der VW Up, aber das ist erlaubt“, so Naumann. „Ein Auto ist deutlich komplexer als ein Rechner, diese Komplexität soll hier sichtbar werden.“ Bei dem puristischen Kleinwagen Up ist der Einfluss von Apple innen und außen deutlich zu erkennen. Paolo Tumminelli, Designprofessor an der Fachhochschule Köln, verweist auf die schwarz verglaste Heckklappe, die dem Up etwas iPad-haftes gibt.
Auch das Armaturenbrett wirkt sehr aufgeräumt, die einfache Bedienung orientiert sich klar an der Apple- Philosophie. „Das Captain- Kirk-Feeling – je mehr Knöpfe, desto mehr bin ich – ist out“, sagt Fügener, der das unruhige Cockpit in manchen Autos mit der Zentrale des Raumschiffs Enterprise vergleicht. Tumminelli moniert bei Mercedes gar eine „Tastenorgie“. Im Trend liegt stattdessen eine einfache, selbsterklärende Bedienung. Die spricht vor allem junge Leute an, „die durch Apple-Produkte sozialisiert worden sind“, sagt Fügener. „Für 60- bis 70-Jährige ist es schwerer zu akzeptieren, dass ein Knopf mehrere Funktionen hat. Bei ihnen ist die Akzeptanz für eine menügeführte Steuerung nicht vorhanden.“ Statt in großen Limousinen wird die neue Technik in Kleinwagen wie VW Up oder Opel Adam eingeführt, die sich auch junge, moderne Kunden leisten können. Diese kleinen Autos überzeugen mit ihrem Innendesign: „Das glänzende Hartplastik ist eine eindeutige Anlehnung an iPhone und iPad“, so Tumminelli. „Auch die Ästhetik des Touchscreens, schwarze, reflektierende Flächen, wird immer präsenter.“ An der Idee, Tankanzeige, Drehzahlmesser oder Tacho wie eine App zu verschieben, werde in der Autoindustrie schon gearbeitet, berichtet Fügener. Doch stellt sich dabei die Frage nach der Sicherheit: Auto fahren und gleichzeitig Augen und Finger auf das Display richten – das ist nicht ungefährlich.