Die grüne Woche

Frankfurt/Main. Das gab es im deutschen Fernsehen wohl noch nie: Applaus für einen Industrie-Lobbyisten. VDA-Präsident Matthias Wissmann ist in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" eigentlich die Rolle des umweltpolitischen Buhmanns zugedacht, des Sprachrohrs einer Industrie, die angeblich ohne Rücksicht auf Klimawandel und Ölknappheit ihre Spritschleudern auf den Markt wirft. Doch der 58-jährige Ex-Verkehrsminister, seit sechs Wochen an der Spitze des VDA, gibt sich kämpferisch: "Die deutschen Hersteller haben bereits 50 Modelle mit einem Verbrauch von unter fünf Litern auf 100 Kilometer im Angebot", so Wissmann. Er kündigt ein noch größeres Umweltengagement seiner Branche an: "Wir müssen eine gewaltige Anstrengung unternehmen." Ideologische Grenzen müssten von beiden Seiten, Industrie und Umweltverbänden, überwunden werden.

Der Appell verfängt, nicht nur beim applaudierenden Studio-Publikum. Wissmanns erster großer TV-Auftritt ist ein Punktsieg für die deutsche Autoindustrie. Weitere müssen folgen, um die Hersteller in der CO2-Diskussion aus der Defensive zu bringen. Die Bühne für das Finale furioso im Kampf um das Umweltimage wird vom VDA gerade vorbereitet: Die IAA im September, weltweite Leitmesse der Autoindustrie, soll zur grünen Woche für VW, DaimlerChrysler, BMW und Co. werden. Wissmann kündigt ein "Ideenfeuerwerk" zum Thema CO2-Vermeidung an.

Die Hersteller im VDA, eigentlich erbitterte Konkurrenten, ziehen dieses Mal an einem Strang: "Das Thema Umwelt und besonders die CO2-Reduzierung", das sei der Themenschwerpunkt des IAA-Auftritts, bestätigt BMW. Auch VW will "eine Reihe von Exponaten zeigen, die speziell dem Umweltgedanken gewidmet sind".

Mercedes-Benz möchte seine "enorme Kompetenz für umweltfreundliche Zukunftstechnologien unter Beweis stellen". Entwicklungschef Thomas Weber hat deshalb die Europa-Einführung der schadstoffarmen Bluetec-Dieselmodelle um ein Jahr auf diesen Herbst vorgezogen. In mehreren Mercedes-Modellen wird eine Start-Stopp-Funktion vorgestellt, die B-Klasse soll mit einem serienreifen Brennstoffzellen-Antrieb am Stand stehen. Doch daneben werden auch die bekannten PS-Monster ŕ la SLR und AMG zu sehen sein.

Dieser Spagat zwischen Umweltschutz und Leistungsschau wird nicht einfach: Laut Dieter Dahlhoff, Dozent für Automobilmarketing, ist das "eine schwierige Aufgabe, da die Konzerne zugleich auch die Faszination ihrer Produkte herausarbeiten müssen, um Kaufanreize zu schaffen".

Auch Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, bestätigt, die IAA müsse "den Spagat zwischen Ökologie und Emotionen schaffen". Diez: "Die Strategien der Hersteller, um in Zeiten des Klimawandels den Spaß am Auto zu erhalten, sind zwar unterschiedlich, stehen aber unter einem gemeinsamen Motto." Peugeot beispielsweise will seine Diesel-Kompetenz mit einer Evolutionsstufe des HDi-Hybrid-Antriebs stärken, der diesmal im neuen 308 steckt. Obwohl Peugeot schon seit einigen Jahren mit Messeständen aufwartet, auf denen Gras wächst und Wasser plätschert, wird es auf der IAA "einen separaten Bereich geben, der die Stärke der Marke bei CO2-armen Antrieben unterstreicht", so ein Sprecher.

Daneben werden auch VW, GM und Hyundai Hybrid-Konzepte präsentieren. Das ist Wasser auf die Mühlen von Toyota. Schließlich erreichten die Japaner mit dem Hybrid-Modell Prius eine hohe Aufmerksamkeit. "Die IAA 2007 wird die Messe sein, durch die sich das Thema Hybrid endgültig in den Köpfen der deutschen Verbraucher etablieren wird", sagt Keiji Sudo, Präsident von Toyota Deutschland. Ob Porsche den für 2008 avisierten Cayenne-Hybrid in Frankfurt zeigen wird, ist derzeit noch offen.

Für Greenpeace-Chef Gerd Leipold ist dies alles - erwartungsgemäß - nicht genug: "Die deutsche Autoindustrie wird auf der IAA ein paar Alibiprojekte hinstellen, aber kein Nachhaltigkeitsprojekt", wettert Leipold, ohne die Pläne der Industrie zu kennen. Im ZDF, bei Maybrit Illner, kann Leipold nicht wirklich überzeugen: Wissmann bekommt in der Talkshow eindeutig mehr Applaus.